Sonntag, 29. Mai 2011

Konflikt an der Küste

Der Volksentscheid ist vorüber. An der Küste hat der Präsident seine Wahl gewonnen. Jetzt aber ist die Stimmung unter der meist schwarzen Bevölkerung in den Wäldern an der kolumbianischen Grenze über Nacht umgeschlagen. Das Militär hat die Flüsse um San Lorenzo und Eloy Alfaro besetzt und dem Goldsuchen ein Ende bereitet. Fast 80 Dörfer dieser Umgebung sind davon betroffen. Militär hat die Flussareale besetzt und die Anlagen und Maschinen dort zerstört. Goldsuche ist illegal, es sei denn, die Menschen ordnen sich als Teil der staatlichen Mienengesellschaft unter.
Gold wird in dieser verlassenen Gegend schon seit dem 18. Jhd. gesucht und gefunden. Damals hatten die Kämpfer der Unabhängigkeit von Spanien in England einen Kredit aufgenommen, um ihre militärische Aufrüstung gegen Spanien zu bezahlen. Sie tilgten den Kredit mit Gold aus der Gegend um San Lorenzo. Doch die Region wurde erst wirklich interessant, als es vom Bergland her eine Zugverbindung dorthin gab. Seit 2004 gibt es zusätzlich eine Straßenverbindung und jetzt ist die Welt dort nicht mehr, wie sie früher war. Der dichte Urwald ist innerhalb weniger Jahre verschwunden und großen Plantagen mit afrikanischer Ölpalme zur Margarineherstellung gewichen. Und an den Flüssen haben sich die Goldsucher breit gemacht. Der Nachnahme MINA ist ein häufiger Name und weist auf die Tätigkeit dieser Menschen seit vielen Jahren hin. Mit der Straße aber kamen noch mehr Menschen und mehr und mehr wurden Maschinen eingesetzt. Um die Flüsse ist aller Wald gerodet und stehen grüne und braune Tümpel in den man mit per Hand, mit Schaufeln und mit Baggern Gold gesucht hat. Das wäre noch nicht so schlimm, würden nicht Quecksilber und Arsen als Trennmittel mit eingesetzt. In den Flüssen gibt es längst keine Fische oder Krebse mehr. Die Arsenspiegel liegen 300-fach über dem Normalen und der Aluminiumspiegel gar bei 400, vom Quecksilber ganz zu schweigen. Für die Bewohner unterhalb dient der Fluss aber als Lieferant für Trinkwasser. Diesem Wildwuchs hat die Regierung vorerst ein Ende gesetzt, just nach dem 24. Mai, einen Nationalfeiertag der entscheidenden Schlacht der Unabhängigkeit von Spanien am Pichincha. Die Menschen um San Lorenzo sind aufgebracht. Sie werfen den Verantwortlichen vor, dass sich der Staat selbst bereichern will. Immerhin ist in den letzten Jahren Gold im Wert von rund 130 Mio. Dollar. Davon ist weder die Region reicher geworden noch hat jemand Steuern gezahlt. Außerdem liegt die Goldausbeute laut Regierung bei den primitiven Bedingungen bei höchstens 55% von dem, was möglich ist. Und bei Razzien wurden auch Waffen gefunden.

Was hier abläuft ist zig - fach in der Menschheitsgeschichte geschehen. Da gibt es die Chance, schnell reich zu werden. Das zieht Menschen an. Sie arbeiten hart. Die Natur und andere Menschen interessieren sie nicht. Auch untereinander ist jedem des anderen Feind. Das soziale Miteinander sinkt auf den Nullpunkt. Auseinandersetzungen bis hin zu Morden sind die Konsequenz. Die Naturzerstörung ist nur ein Nebenprodukt. Viele andere sterben früher oder später an Vergiftungen. Da muss Ordnung notfalls mit Gewalt gebracht werden, sonst leiden schließlich alle darunter. Wie die Straßenverbindung zur Nordküste Ecuadors das Land dort verändert hat, davon sind wir selbst Zeugen.

Ein Vorbild

Vor mit sitzt ein kranker Mann. Er ist erst 48 aber sichtbar geschwächt. Der Diabetes läßt ihn alt aussehen. Als ich ihn das erst Mal sah, war er noch muskulös und kräftig, auch wenn sein Leben damals am seidenen Faden hing. Nach einem Motorradunfall hatte er innere Blutungen und Verletzungen. Er war notfallmäßig versorgt worden und kam dann zu uns ins Hospital zu weiteren Operationen. Eine große Narbe über den Bauch von oben bis unter zeugt heute noch davon. Das hat er überstanden. Doch sein Diabetes, den er seit 4 Jahren kennt, hat sich in der letzten Zeit verschlechtert. Wir fragen nach der Ursache. Was hat sich in seinem Leben geändert, das ihn aus der Bahn geworfen hat? Es sind die Angriffe auf seine Familie.
Cristobal W. ist Shuarindianer aus dem Süden des ecuatorianischen Urwaldes nahe der peruanischen Grenze. Er kam vor vielen Jahren durch Missionare zum Glauben, ließ sich ausbilden und ist seit vielen Jahren Pastor eine wachsenden Gemeinde bei Taisha. Er liebt es, sich um seine Leute zu kümmern und man spürt ihm die Begeisterung trotz Krankheit noch ab. Aber so eine Gemeinde im Urwald hat auch ihre Anfechtungen. Da sind die Schamanen und ihr Zauber, den sie auf Menschen legen können. Menschen werden verunsichert und versuchen sich zu schützen. Da zu einem fröhlichen Leben im Alltag zu gelangen, fällt vielen Menschen heute noch schwer, denn die Bedrohung ist allgegenwärtig und die Gefahr ist groß, wieder in das alte Leben zurück zu fallen und sich mit einem Gegenzauber zu schützen. Viele Gemeindemitglieder leben da nach wie vor noch in zwei Welten, der alten und der neuen.
Und da ist die kath. Kirche, die zunehmend Mitglieder verliert. In dieser Region Ecuador ist sie die Amtkirche, die mit viel Vermischung mit der Zauberkraft und Heiligenkulten bisher das Sagen hatte. Jetzt laufen auch ihr im Zuge der Säkularisierung die Menschen weg. Also sind die "Evangelischen" die Schuldigen. Ein Priester rief zu Gegenmaßnahmen gegen Cristobal und seine Gemeinde auf. Er soll entfernte Verwandte des Pastors bezahlt haben. Jedenfalls überfielen sie seine 13-jährige Tochter, vergewaltigten sie. Mit vielen Verletzungen, u.a. eine, Unterkieferbruch wurde sie notfallmäßig nach Quito geflogen und dort operiert. Sie hat es überstanden, aber den Vater hat diese Tatsache tief getroffen. "Da hast Du wohl ein bisschen übertrieben, dass das der Priester angezettelt haben soll", werfe ich ein. Nein, sagt er. Diese Vergewaltiger seien heute rechtskräftig verurteilt und im Gefängnis und der Priester geflohen. Das sagt doch alles!
Wie finanziert sich eigentlich so eine Gemeinde im Urwald? Man hat ihm als Pastor ein Gehalt angeboten. Doch das hat er abgelehnt. Dann wäre er abhängig. Nein, Cristobal W. hat seine Chagra, sein Feld, wie alle anderen, hat eine kleine Hühnerzucht und baut Ananas an, die er verkauft. Davon lebt er. Aber er hat sich sehr über seine Gemeinde gefreut, die ihm bei den Unkosten für seine Tochter geholfen hat. Die Behandlung in staatlichen Krankenhäusern ist zwar vielfach kostenfrei, aber da müssen ein Implantat, Utensilien für die Operation gekauft werden und die Begleitpersonen brauchen Unterkunft und Verpflegung. Dabei hat die Gemeinde nach Kräften geholfen.
Für mich ist das ein leuchtendes Beispiel, wie Kirche lebt. Es ist keine Amtskirche. Sollten wir nicht auch wieder zu solch einem Kirchenmodel kommen, das dem biblischen viel näher kommt? Aber es rückt auch den persönlichen Einsatz an erste Stelle. Nicht umsonst ist der Bitzucker von Cristobal W. durcheinander geraten. Ich schäme mich da als Missionar schon ein wenig. Welch gute soziale und gesundheitliche Absicherung habe ich doch im Gegensatz zu ihm. Ist vielleicht deswegen unser Zeugnis zu lau?

Montag, 23. Mai 2011

Der Strohhut

Wer kennt ihn nicht, den Strohhut, der vor gut 100 Jahren vor allem in Nordamerika zum Alltag gehörte, vor allem im Sommer. Buster Keaton ging in seinen Filmen selten ohne ihn. Dieser Hut heißt weltweit auch Panamahut und kommt doch aus Ecuador. Wie denn das? Nun, die Waren, die vor 100 Jahren und früher in die USA gingen, mussten die Menschen der Ostküste um New York erreichen. Sie kamen per Schiff nach Zentralamerika wurden vom Pazifik in die Karibik gebracht und dort per Schiff nach Nordamerika oder Europa verschifft. Die Schiffe kamen also aus Panama. Daher der Name. Der Panamakanal ist eine spätere Einrichtung. Da war der Name des Hutes schon festgelegt.
Grundlage sind die Blätter die Toquillapalme. Die besten Blätter dafür kommen von der Küste, aber auch einige aus dem östlichen Tiefland Ecuadors. Die langen Fasern werden herausgeschält. Sie müssen lang sein, dürfen nicht brechen. Das bedeutet, dass wie während des gesamten Prozesses leicht feucht gehalten werden müssen. Wenn eine Faser während des Flechtens reißt, ist alles verloren. Der Hut ist zunächst ein kreisrundes Gebilde, das an den Enden vernäht wird. Dann beginnt ein langer Prozess der Formung. Früher wurde das mit Kohlebügeleisen gemacht und verschiedenen Formen. Da gab es Kopfformen aus Marmor, aus Metall und aus Gummi, über denen in den verschiedenen Größen der Hut mit Dampf eine Größe und Form erhielt - eine Damenhut mit größerem Rand oder ein Männerhut je nach Größe und Mode. Dann muss das Material weich geklopft werden, denn der Hut sollte geschmeidig werden und darf nicht kratzen. Am Schluss erhält er innen in der Spitze ein Brandzeichen wir es früher bei Rindern üblich war. In einer Balsaholzschachtel verpackt geht er dann in den Laden, hier in Ecuador zwischen 10 und gut 100 Dollar, je nach Qualität der Fasern und Feinheit des Knüpfens.
Bis heute gibt es dafür keine Maschinen. Alles ist Handarbeit und da gibt es geschicktere und weniger begabte Frauen. Inzwischen werden auch Fasern gefärbt uns diese Farben mit eingeflochten. Während des gesamten Prozesses darf die Faser nicht verschmutzt werden. Zeitweise hat man deswegen die Hüte mit Schwefel behandelt. Doch das lässt man heute sein. Der Schwefel hat beim Waschen den Flüsse verseucht und führt zu allergischen Reaktionen beim Benutzer. Aber alles Bügeln und Formen wird immer mit Lederschutz und Wasserdampf durchgeführt, nie direkt, um keine Brandspuren auf der weißen Faser zu hinterlassen.
Heute ist die Panamahutherstellung eine einträgliche Tätigkeit der südlichen Sierra Ecuadors um Cuenca herum. Frauen auf den Dörfern darum herum erhalten das Rohmaterial aus der Küste. In ein bis 3 Tagen Arbeit ist so eine Hutscheibe fertig geknüpft und wie ein sehr feiner Zopf geknotet. Dann geht es in die weitere Verarbeitung mir sehr wenigen Ausfällen. Dann geht der Hut in die hiesigen Touristenmärkte oder ins Ausland, ein dauerhaftes und leichtes Bekleidungsstück - der Panamahut - hand-made in Ecuador.

Kulturunterschiede

Wir arbeiten in einer Gemeinde im Osten Ecuadors unter Quichuaindianern. Und diese Gemeinde in Mondayacu ist alles andere als stabil. Sie hängt am Tropf der Hilfe von Ausländern und der Heimatgemeinde in Quito. Heute haben wir wieder einmal einen Einblick in die Unterschiede der Kultur nehmen können. Wir kamen pünktlich zum Gottesdienst um 7.30 die drei Stunden aus Quito angereist - kein Mensch außer uns und unserem ecuatorianischen Missionar aus Quito. Eine Stunde später kam ein einziges älteres Ehepaar und wir sprachen noch einmal über die Ereignisse der letzten Nacht in diesem Dorf. Ein 24-Jähriger war am Abend zuvor bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen und das ändert alles. Er hatte zusammen mit seinen Freunden getrunken und war weggefahren, um mehr Alkohol zu besorgen. Seinen Helm hatte er nicht festgeschnallt und war mit einem Pferd zusammen gestoßen. Der Helm flog weg. Er erlitt eine offene Schädelverletzung. Das nahe Hospital schickte ihn nach Quito aber er verstarb schon auf dem Weg. Man brachte den Leichnam ins Dorf zurück. Es begann die Trauerfeierlichkeit:
Paul Ch., unser Missionar war bei den jungen Leuten, um sie zu trösten und mit ihnen zu sprechen. Aber das kam überhaupt nicht an. Sie waren weiter mit Trinken und Kartenspielen beschäftigt und es schien ihnen überhaupt nichts auszumachen. Da ist eben einer weniger. Das kann jedem von uns jeden Moment passieren. Das Leben geht weiter. Dabei ist sicher viel Fassade davor, aber sie ließen keinen von außen heran.
Innerhalb kürzester Zeit war ein Sarg da, der Tote aufgebahrt. Seine Familie darumherum und das ganze Dorf kam. Wie von Zauberhand wurde Essen und Kaffee serviert. Trauern ist in dieser Gemeinschaft etwas, was man in der Gemeinschaft tut. Ab Mitternacht gingen dann die Schnapsflaschen rum. Die letzten unserer Gemeinde gingen um 4.00 morgens. Heute kamen außer den Alten keiner in den Gottesdienst. Etwas anderes war viel wichtiger. Ob da jemand aus weiter Entfernung für einen Gottesdienst angereist kommt, interessiert nicht mehr.
Nach Gebet und langen Gesprächen über die weitere Missionsarbeit tut es dem alten Ehepaar auch weh, dass die Gemeinde nicht stabiler wird. Auch sie suchen nach Wegen, die Jugend zu erreichen. Sie sind machtlos. Die nächsten Generationen gehen ihren eigenen Weg. Da ist die Tochter, die mit einem noch anderweitig verheirateten Mann im gleichen Haus zusammen lebt. Da ist der Enkel, der immer noch an Mutters Schürzenbendel hängt und sich von ihr verköstigen lässt. Er arbeitet zwar, lässt sich aber von seiner Mutter finanziell versorgen und wohnt mit 24 Jahren noch im gleichen Haus. Sein Geld behält er größtenteils für sich. Jetzt eröffnet er der Familie, dass er seit einiger Zeit eine 20 - jährige Freundin hat, die seit Neuestem mit ihm in sein Zimmer lebt. Die hat noch 2 Jahre bis zum Schulabschluss. Ihre Familie scheint froh zu sein, dass sie eine so gute Partie macht und gibt sie frei. Noch ein Esser mehr am Tisch einer Patch-Work-Familie. Und über´s Jahr wird da auch noch ein Kind sein.....
Heute waren wir im Dorfgemeinschaftshaus, um der Trauerfamilie zu kondolieren. Der Raum war voll von Menschen, die Karten spielten und denen unsere Unterbrechung des Begrüßens eher peinlich war. Die Männer waren draußen. Es wurde weiter Essen vorbereitet. So eine Trauerzeremonie dauert manchlam mehr asl 24 Std.
Das ist die Realität der Missionsarbeit in Ecuador. Es zeigt uns an, dass wir die Kultur nicht verstanden haben. Hier sind Menschen, denen wir seit vielen Jahren das Evangelium der Befreiung von Schuld und Sünde verkündigen. Es kam nicht an. Sieht denn so NEUES LEBEN aus? Ich habe gerade die Nachrichten der Deutschen Botschaft Quito gelesen und die Erfolge der mannigfaltigen dt. Aktivitäten im Land. Unser Ergebnis sieht dagegen mehr als mager aus. Das sind die Tiefen, durch die wir als Missionare gehen. Doch wir sind hier als Botschafter eines Höheren, auch wenn es alles andere als siegreich aussieht.

Montag, 16. Mai 2011

Erfolg oder Misserfolg der Missionsarbeit

Jede Arbeit muss gelegentlich einmal überprüft werden. Ist sie eigentlich sinnvoll, was kann man verbessern? Rechtfertigt das Ergebnis den Aufwand? So geht es auch den Missionaren. Für uns ist unsere Indianergemeinde in Mondayacu so ein Prüfstein, denn wir sehen viele Hindernisse und keinen wirklichen Erfolg. Das bringt uns zum Nachdenken und Prüfen, was wir alle 6 Monate tun.
Missionsarbeit auch in Lateinamerika ist meist ein steiniger Weg. Die meisten Missionare kommen mit ihrem Beruf als Krankenschwestern, Ärzte, Ingenieure und die meiste Zeit verbringen sie mit der Arbeit als Spezialisten. Für den geistlichen Dienst ist da oft wenig Zeit. Er beschränkt sich auf einen Bibelabend pro Woche und in einige Mitarbeit in einer Kirchengemeinde. Die Gefahr liegt darin, sich hinter seinem Beruf zu verstecken. Dort kann man von "Erfolgen" berichten. Und es ist ja auch etwas, ein Menschenleben zu retten, Menschen wieder neue Hoffnung zu geben. Aber was ist ein wirklich nachhaltiger Erfolg? Der Patient geht nach Hause, das Wasserprojekt hat sauberes Trinkwasser ins Dorf gebracht, die Kindersterblichkeit geht zurück - alles wichtig - aber dann geht das Leben oft wieder seinen gewohnten Gang. Was hat sich wirklich geändert. Sicher ist, dass unsere Spender etwas hören und lesen wollen, keine aufgebauschten Geschichten. Solche Arbeitsberichte kommen gut an. Wir als Missionare stehen unter einem gewissen Erfolgszwang - also müssen solche Erlebnisse herhalten. Vor wenigen Monaten haben wir einer 12-Jährigen mit Beinamputation für fast $ 2.000 Spendengeldern zu einer Prothese verholfen. Sie waren in einer Gemeinde engagiert. Vier Wochen danach ist die ganze Familie "unbekannt verzogen", ohne auch nur ein Dankeschön. Sie werden sicher eines Tages wieder zurück kehren - wenn die Prothese reparaturbedürftig ist.
Eine andere Gruppe von Menschen wagen einen Glaubensschritt und sie landen schließlich als Mitglieder in einer Gemeinde. Dann kommen sie oft lange Zeit in die Gottesdienste, aber Jahre später merkt man, dass das Evangelium ihren Lebensstil nicht geändert hat. Sie müssen nach wie vor jedes Mal von Grund auf gefüttert werden. Bis zu einem gewissen Punkt lassen sie sich in Aktivitäten einbinden aber in ihrem Leben ändert sich wenig. Die Kultur, in der sie leben, ist stärker als die Kraft des Evangeliums. Paulus beschreibt das in einem Bild: Sie sind Säuglinge geblieben, die nur nach Milch statt nach fester Nahrung verlangen.
Andere sind von der Gemeinde fasziniert, lassen sich einbinden, sind aktiv dabei, geben Zeit, Kraft, Geld und Ideen in die Arbeit, aber zu einem geistlichen Durchbruch kommt es nur hier und da. Die Aktivitäten sind wichtig, doch wehe, wenn sie enttäuscht werden oder gar mit anderen Mitarbeitern in Konflikt geraten. Dann verteidigen sie "ihr Königreich", verlassen wutentbrand die Gemeinde, spalten sich ab. Konflikte werden nicht ausgetragen, sondern unter den Teppich gekehrt.
Und dann gibt es die vom Evangelium erfasst werden und es in ihrem Herzen aufnehmen. In unserer Arbeit sind es nicht 1 Prozent der Menschen, die Jesus als ihren Herrn annehmen, die davon umgetrieben werden, die es weitergeben, die nach geistlicher Nahrung suchen, Bücher lesen, Das Wort Gottes verschlingen und nach mehr fragen. Oft sind sie mit ihrer Kirche und den seichten Predigten unzufrieden. Sie wollen mehr.
Jesus selbst hat seine Jünger darauf vorbereitet. Im Gleichnis vom 4-fachen Ackerfeld hat es sie gewarnt, dass nur ein kleiner Teil ihrer Aussaat gute Früchte bringt. Doch auch wir Missionare brauchen Erfolge, als berichten wir oft von den scheinbaren Erfolgen unseres Berufes und vergessen sehr schnell die wirkliche geistliche Arbeit. Aber die wenigen, oft unscheinbaren "Erfolge" - Menschen, deren Denken durch die Begegnung mit Jesus verändert wurde, können eine ganze Nation umkrempeln.

Und übrigens: Correa hat die Volksabstimmung gewonnen, aber äußerst knapp.

Montag, 9. Mai 2011

Wahlkrimi in Ecuador

Bis diese Nachrichten Sie erreichen, dürften wir in Ecuador schon etwas schlauer sein. Aber die offizielle Zählung läuft noch. Der Volksentscheid steht auf des Messers Schneide. Präsident Rafael Correa hat wieder einmal das Volk an die Urnen beordert, denn in Ecuador herrscht Wahlpflicht. Was er im Parlamente nicht durchbekam, sollte nun das Volk absegnen. 10 wichtige Fragen zur Justizreform, Pressefreiheit, Verbot von Spielkasinos sowie Stier - und Hahnenkampf... ein bunt gewürfeltes Programm. Dabei hatte Correa schon im Vorfeld viele Verbündete verloren. Verschiedene wichtige Mitglieder seiner eigenen Partei sind auf die Seite der Gegner übergegangen. Sein eigener Bruder lief mit einem T-Shirt mit der Aufschrift: "Diesmal NEIN, lieber Bruder!" vor laufende Kameras. Seit ca. 6 Wochen ruhte jegliche politische Aktivität, war Wahlkampf angesagt. Rein "zufällig" wurden die Gehälter der Militärs und Polizei 2 Tage vor der Wahl um 10% angehoben. Beide Gruppen dürfen seit der neuen Verfassung nun auch wählen. Correa war in den Tagen vor der Wahl täglich eine Stunde über Radio zu hören.
Und dann kam der Wahltag. Die Regierung hatte für $ 350 000,- "exit poll" engagiert, eine Meinungsforschungsinstitut, das ihnen eine Stunde nach der Wahl das endgültige Ergebnis auf 3% Genauigkeit versprach. Und so kamen die ersten Ergebnisse. Die Regierungspartei hatte demzufolge mit ihrem JA zwischen 61 und 64% gewonnen. Der Präsident sonnte sich im Erfolg und ließ sich kleine Seitenhiebe auf die Gegner nicht nehmen. Es wurde gefeiert. Wieder ein Sieg für den überaus erfolgreichen Rafael Correa!

Doch bei 10 verschieden Fragen dauert das Gesamtergebnis einige Zeit. Die staatliche Wahlkommission zählt weiter jeden einzelnen Stimmbezirk nach und das Ergebnis kann man im Internet nachlesen. Es ändert sich stündlich. Ecuador hat 24 Provinzen. Die Hälfte davon hat mehrheitlich NEIN gestimmt, bei der anderen Hälfte scheint das JA zu siegen, doch in kaum einer Frage wird die 50 % Zustimmung auf Landesebene erreicht. Dazu muss man das hiesige Wahlrecht ein wenig näher erläutern. Normalerweise werden Personen gewählt. Daneben gibt es aber die Möglichkeit, seinen Stimmzettel ohne Ankreuzen abzugeben, sogenannte weiße Stimmen. Sie werden normalerweise nachträglich dem Sieger zugeschrieben. Dieses Mal aber nicht. Und dann noch die ungültigen Stimmen. Bei der jetzigen Abstimmung machen weiße und ungültige Stimmen zusammen bis zu 15% aus, so dass zwischen den JA - und NEIN - Stimmen oft eine große Lücke klafft.
Nach Auszählung von über 40% der gesamten Stimmen zeigt sich folgendes Bild: Die Küste und Quito sowie der Norden der Sierra, also die bevölkerungsreichsten Provinzen stimmen für die Regierung. Der Großteil der Indios des Hochlandes und der geschlossene Oriente, das östliche Tiefland, sind dagegen. Das JA wird gewinnen, darüber sind sich alle im Klaren, aber es wird ein JA mit viel weniger als der Hälfte der Stimmen der Bevölkerung sein.
Für Präsident Correa ist das ein Wahlschlappe. Das wird sich auch das Parlament stärken. Die befürchtete Alleinherrschaft mit großen Mehrheiten und die befürchtete Diktatur durch die neue Machtbefugnis sind nicht zu erwarten. Über die Konsequenzen können wir nur spekulieren, aber die Zeit der großen Töne und verbale Verhöhnung der Gegner dürfte dem Populisten jetzt schwerer fallen.