Dienstag, 24. November 2015

Die Ecuadorianische Sozialkasse in der Krise

Über das staatliche Sozialsystem wird wieder einmal heftig diskutiert, weil es wieder einmal in der Krise steckt. Das ist nichts Neues, aber in Zeiten einer wirtschaftlichen Krise durch den niedrigen Ölpreis einerseits und staatlich ehrgeizigen Zielen andererseits klafft nun die Lücke immer weiter. Außerdem hat sich der Staat in der Vergangenheit schon kräftig bei den Rücklagen der Sozialversicherung mit sogenannten Krediten bedient, die wohl kurzfristig nicht rückgezahlt werden können. Aber Ecuador hat da ein rühmliches Vorbild in den USA. Präsident Correa begründete diese Schritte damit, dass Geld nicht einfach auf einer Bank liegen darf. Es sollte zu Wohle aller arbeiten. Und so wurden davon Straßen gebaut und derzeit vor allem 8 große Wasserkraftwerkprojekte beendet, um den elektrischen Strom vom Öl abzukoppeln.
Wie sieht die Krise aber im Detail aus? Unsere staatliche Sozialkasse beinhaltet eine Vielfalt von Diensten. Neben Gesundheit mit einem eigenen System von Sprechstunden und Krankenhäusern ist der Rentenkasse der zweitgrößte Anteil. Dazu kommen Invalidenversicherung, Stipendien für Studenten und Hilfe beim Eigenheim usw.
Und bei der Gesundheit sind die Kosten explodiert. Es wurden weitere Gesundheitszentren eigene Krankenhäuser aufgebaut, viel Personal eingestellt, aber es reicht nicht. Besonders seit Familien mitversichert sind ohne dass die Beiträge entsprechend erhöht wurden. Noch vor wenigen Jahren war nur der Einzahler versichert. Heute sind die Hälfte der Bevölkerung des Landes versichert, aber von diesen 7,7 Mio. zahlen nur 3,5 Mio. aktiv ein.
Und die Gruppe der Rentner wächst zusehends. Diese aber zahlen nicht mehr ein, was eigentlich der Saat versprochen hat, es aber derzeit nicht kann. Und so hat das Gesundheitssystem der Sozialversicherung private Kliniken herangezogen. Doch die blockieren zusehends, warten die doch auf versprochene Zahlungen von 400 Mio. derzeit. Beispielsweise warten die privaten Dialysezentren seit über einem halben Jahr auf ihr Geld, drohen mit Streiks, was die Regierung schärft kritisiert mit illegalem Ausnützen der Not der Armen und Strafen androht.
So zieht sich, wer als privater Gesundheitsanbieter kann, aus dem öffentlichen System zurück. Was ist die Reaktion der Sozialsystems? Es holt sich Gelder aus der Rentenkasse. Dort drohen Rentenkürzungen, zumindest keine Steigerungen. Und die Menschen wissen. Wenn die Renten in Zukunft nicht steigen, bleibt den Rentnern in 10 oder 20 Jahren nur noch das Existenzminimum oder weniger.
Derzeit werden Studien über die Zukunft des hiesigen Sozialsystems durchgeführt. Es sind vor allem die Gesundheit und die Renten, die das System belasten. Der Staat ist am Zuge. Er muss dringend die Kredite zurückzahlen und seinen Beitrag für die Gesundheit der Rentner leisten. Aber das kann und will er bei seinen ehrgeizigen Zukunftsplänen beim Ausbau der Infrastruktur und der weiteren Ölförderung nicht. Und so werden weitere Gelder für die Ölförderung im Yasuni - Naturschutzpark ausgegeben, denn dort locken nach über 5 Mrd. Investitionen hoffentlich drei- bis viermal höhere Einnahmen.
Argentinien hat gewählt und dem Sozialismus knapp aber klar eine Abfuhr erteilt. Venezuela und sein Sozialismus ist kein Vorbild. Derzeit kursieren Gerüchte, dass unser Staatspräsident eine dritte Amtszeit nicht mehr anstrebt, obwohl seine Partei die nötige Mehrheit dafür hat. Gäbe er die Macht in 2017 ab, müsste ein anderer die Kartoffeln aus dem Feuer holen. Dann könnte er als Retter der Nation für 2 weitere Amtsperioden zurückkehren und Ecuador retten. Doch bezahlen muss die Zeche erst mal das Volk, besonders das einfach Volk.

Freitag, 20. November 2015

Fast ganz Ecuador im Ausnahmezustand

Nun ist fast das ganze Land Ecuador vom Ausnahmezustand betroffen, was der Regierung recht zu kommen scheint, denn dann sind Proteste gegen sie deutlich beschränkt. Die Natur scheint sich gegen die politische Opposition verschworen zu haben. Denn es sind keine politischen Gründe, die diesen Ausnahmezustand begründen. Es ist die Natur.
Wie bereits berichtet, ist nach langer Zeit der Cotopaxi wieder aktiv. Hohe Aschewolken spuckt er aus, Flugrouten für die Flughäfen in Latacunga und Quito, beides internationale Flughäfen, mussten geändert werden und manchmal fliegt die Asche bis zur Pazifikküste. Das geht seit August so. Die Bevölkerung in Latacunga leidet darunter. Touristen bleiben aus. Die Wohnungen in den tiefer gelegenen Stadtteilen um den Fluss sind verlassen. Immerhin haben Schlammlawine im 18 Jahrhundert schon dreimal die Stadt zerstört. Jetzt werden Evakuationsübungen abgehalten und die Studenten haben sich längst Zimmer in höher gelegenen Stadtteilen gesucht mit deutlichem Preisanstieg. Doch der Cotopaxi ist dabei, sich zu beruhigen, allerdings wie lange? Es wird diskutiert, den Nationalpark des Vulkanes wieder für Touristen zu öffnen, aber das bleibt derzeit im Gespräch.
Und über Nacht ist der Tungurahua wieder aktiver. Die Aschewolken sind vom Amazonastiefland bei gutem Wetter sichtbar, auch wenn wir den Vulkan selbst nicht sehen können. Die Gegend westlich des Tungurahua sind betroffen und man kehrt die niedergegangene Asche in Städten wie Riobamba auf. Bei der Landwirtschaft in Windrichtung ist das nicht so einfach möglich. Die Asche verätzt erst einmal die Blätter der Pflanzen, bevor sie in einigen Jahren fruchtbare Erde wird.  Immer wieder die Frage: Was ist mit Baños am Fuße dieses Vulkans, auch wenn der Staub in die andere Richtung weht.
Und jetzt kommt noch das Klimaphänomen EL NIÑO an der Küste dazu.
Von Indonesien her kommen zyklisch gesteuert warme Meeresströmungen. Sie verändern nicht nur den Fischreichtum der hiesigen Küste. Sie bringen Regen. Normalerweise hat auch in der südlichen Hälfte der Küste Ecuadors der kalte Humboldtstrom aus der Antarktis das Sagen. Wenn der Wind darüber streicht, nimmt er wenig Wasser auf. Einmal an Land, wärmt er sich auf und nimmt noch mehr Wasser auf. Dementsprechend ist die Küste Südamerikas an der Pazifiküste eine Wüstenlandschaft, besonders in Peru. Erst in sehr hohen Lagen der Anden, wenn der Wind sich deutlich abgekühlt hat, regnet es. Wenn jetzt schon wärmere Luft hier ankommt, die sich kaum noch an Land aufwärmt, kommt es schon sehr früh zu Niederschlägen . In anderen Worten: Die Küste versinkt im Regen. Die Flüsse treten über die Ufer, nehmen Brücken mit, lassen Felder mit frischer Saat verfaulen. Die Menschen fliehen in das Hochland, neue spontane Siedlungen in den Großstädten wie Quito entstehen mit aller sozialer Not - Flüchtlinge im eigenen Land, gleiche Nationalität aber mit anderem Dialekt.
Das alles kommt jetzt zusammen auf die Regierung mitten in der Finanziellen Krise durch einen international tiefen Ölpreis durch die OPEC, deren vielleicht kleinstes Mitglied Ecuador ist.
Der Ausnahmezustand ist sicher gerechtfertigt, zeigt aber auch die immense Not des Landes an. Es wird der Regierung schwer fallen, nach Jahren des Aufschwunges jetzt weiter gute Laune zu verbreiten, von den inneren finanziellen nach Jahren der vollen Taschen nun umzustellen auf Schmalhans Küchenmeister!

Dienstag, 17. November 2015

Der Kaiserschnitt

Jeder kennt das Wort. Angeblich wurde Julius Cäsar seinerzeit so geboren, als die Geburt nicht weiter ging und man das Kind per Öffnung des Bauchraumes der Mutter das Licht der Öllampen der damaligen Welt erblicken ließ. Die Mutter ließ dabei selbstverständlich das Leben. Das ist heute anders geworden. Viele Mütter verlangen in oder vor der Geburtsphase diese Behandlung und der Trend weltweit ist in diese Richtung, auch weil das Risiko im Vergleich zu Cäsars Zeit deutlich geringer für beide ist, für die Mutter und das Kind.

Jetzt wurden wieder einmal Zahlen veröffentlicht und Ecuador mit anderen Ländern Lateinamerikas verglichen und zwar die Jahre 2011 und 2014. Dabei fällt auf, dass landesweit 41 % der Geburten per Kaiserschnitt erfolgen, wobei die Küstenprovinzen teilweise weit darüber, die Provinz Pichincha mit der Hauptstadt Quito weit darunter und die Urwaldprovinzen im Osten noch weniger Kaiserschnitte aufweisen.
Dabei liegt Ecuador im Vergleich in Südamerika noch relativ günstig. Vergleichszahlen im Zeitraum 2009 - 2013 weisen in Ecuador 26% Kaiserschnitte auf. Nur Peru und Bolivien und Kolumbien liegen in dieser Zeit darunter. Brasilien mit 54 % und Chile mit 50% aller Geburten per Kaiserschnitt führen die Liste an. Mit dem wirtschaftlichen Fortschritt Ecuadors nach 2009 hat sich auch die Quote der Kaiserschnitte deutlich erhöht.
Was sind die Gründe? Da ist zunächst die Mutter, die zusehends die Schmerzen der Geburt scheut. Eine Epiduralanästhesie kennen hier wenige. Da verlangt man lieber den Kaiserschnitt. Aber in erster Linie ist es das Geschäft der Ärzte, das die Kaiserschnitte befürwortet.
Sehen wir uns einmal die Preise an. In Quito kostet eine durchschnittliche Geburt in einer Privatklinik um die  2.500 Dollar, der Kaiserschnitt liegt bei 3.000 - 3.500 Dollar. Der Preisunterschied ist also nicht sehr groß. Bedenkt man aber, dass der Arzt bei der natürlichen Geburt meist viele Stunden im Hospital warten muss, dann versteht man den Drang zum schnellen und kontrollierten Handeln. Und so werden viele Frauen von der ersten Kontrolle der Schwangerschaft daraufhin vorbereitet. Dann ist das Becken zu eng, geschätzt, wenn die gerade Schwangere zur Tür hereinkommt bis hin zum Ultraschall, wo das Gewicht des Kindes plötzlich zu groß für den Geburtskanal erklärt wird. Die Medizin ist zum Geschäft geworden, das man ausbauen kann, wenn man zeitig genug mit der Bearbeitung der zukünftigen Familie beginnt. Und wer will schon bei seinem Kind ein Risiko eingehen? Die Krankenkassen haben sich längst darauf eingestellt. Entsprechend hoch sind die Quoten bei Frauen im gebärfähigen Alter. So funktioniert der Markt. Deswegen liegt bei Privatkliniken die Kaiserschnittquote bei 90%. Eine sogenannnte "Komplikation“ gibt es nur, wenn das Kind schneller als der herbeigerufene Arzt ist. 
Laut internationaler Studien sollte die Kaiserschnittrate zwischen 10 und 15% aller Geburten liegen, in Regionen ohne gute Infrastruktur für Neugeborene und deren eventueller Transport in spezialisierte Zentren bei 15 % Kaiserschnittquote.

Aber es tut sich etwas. Mehr und mehr entsteht der Dienst der DOULAS. Das meint Frauen mit eigener Geburtserfahrung, die mit Schulungen im Gepäck andere Frauen in der Zeit der Geburt begleiten, ihnen und dem Partner Mut machen und sie zu einer normalen Geburt ermutigen. Sie kennen viele Tricks, Schwierigkeiten zu meistern. Wichtig ist die Einstellung der werdenden Mutter, Kurse der Vorbereitung, die es nur selten gibt, und Begleitung auch in langen Stunden der Wehen. Auch der Partner muss lernen, seine Frau in richtiger Weise zu unterstützen. Diese Bewegung will die Kaiserschnittrate deutlich reduzieren. Kostenmäßig rechnet sich das nicht. Der Aufwand ist groß. Es geht nur mit Freiwilligen, die davon begeistert sind. Wer aber einmal durch solch eine Geburt samt Vorbereitung gegangen ist, ist davon überzeugt und will nichts Anderes mehr. Die Kaiserschnittwilligen wissen gar nicht, was sie versäumt haben, denn eine Geburt ist mehr als nur ein Kind  zu bekommen, es ist ein einschneidendes Erlebnis im Leben einer Familie, Schmerzen, die zu überwinden sind und ein positives Ergebnis haben.
Aber noch etwas wird bei der präsentierten Zahlen deutlich: Die Geburtenraten in Ecuador hat sich von 2009 bis 2014 um ca. 15% reduziert bei steigenden Kaiserschnittzahlen. Das zukünftige Kind wird teurer und rarer. Ecuador ist seit vielen Jahren ein modernes Land geworden und ahmt Nordamerika und Europa nach.

Mittwoch, 11. November 2015

Schwierigkeiten auf dem Weg

Unser Krankenhausprojekt weist immer wieder Verzögerungen auf. Und wir fragen uns immer wieder warum. Nach und nach erkennen wir die Störungen und sehen den Widerstand, der sich um uns herum aufbaut. Er ist für uns nicht erklärlich, gibt uns aber einen tiefen Einblick in die hiesige Kultur und Politik der Region. Unser Projekt ist umstritten. Das macht uns aber umso sicherer, dass wir in die richtige Richtung gehen.
Mit uns geht es um ein Projekt in Baños. Ein ehemaliges Hospital musste aus verschiedenen Gründen schließen und hat jetzt wieder aufgemacht. Jetzt werden die Einrichtungen wie der Operationssaal renoviert. Die Genehmigungen dort haben 2 Tage gedauert und es läuft, auch wenn es Nachbesserungen geben wird.
Im Gegensatz dazu können wir immer noch nicht mit dem Bau des Hospitales beginnen, weil sich ständig Schwierigkeiten einstellen. Letzte Woche war eine Regierungskommission aus dem Präsidentenamt höchst persönlich hier, um Anschuldigungen zu überprüfen. Wer diese Gerüchte in die Welt gesetzt und uns damit schaden will, wissen wir nicht. Aber es wird behauptet, dass wir von jedem Arbeiter, der auf der Baustelle beschäftigt wird 100 Dollar für uns kassieren und für jeden Vorarbeiter $ 1.000,-. Außerdem würden wir in der Klinik viel Geld für uns persönlich abzweigen und Tausende verdienen. Die Kommission hat über einen Tag geprüft und alle Anschuldigungen widerlegt. Das verzögert unsere Arbeit zwar kurzfristig, gibt uns aber jetzt einen Bonus für weitere eventuelle Anschwärzungen in der Zukunft.
Unsere alte Mission HCJB hat jetzt das alte Krankenhaus an eine Gemeinde vermietet, die das Gebäude neben für Gottesdienst als Altersheim und Arbeit mit Jugendlichen nutzen. Nächste Woche wollen sie dort ebenfalls eine ärztliche Praxis eröffnen. Warum 50 Meter von einer bestehenden Gemeinde entfernt eine neue aufgemacht wurde und 200 Meter weiter unsere Klinik seit fast einem Monat besteht, verstehe wer will. Da wird bewusst die Konkurrenz aufgebaut. Wir werden nichts dagegen unternehmen und beten weiter für die "Konkurrenz", auch wenn uns das Projekt als ethisch umstritten erscheint. Ihre ärztliche Sprechstunde muss sich erst etablieren und finanziell selbst tragen. Das ist ein hohes Risiko für dort engagierten Ärzte. Unser Projekt hat bis jetzt deutliche Vorteile. Und wie immer: Konkurrenz belebt das Geschäft. Es hilft uns, besser als bisher zu rechnen und uns durch Qualität durchzusetzen. Sobald das Hospital seine Türen eröffnet, haben wir deutlich mehr Vorteile.
Was wir aber in diesen Tagen erleben, ist die Rückkehr vieler Patienten aus Regionen weiter weg von Shell. Dass wir wieder ärztliche Dienste anbieten, macht sich endlich publik. Die Mundpropaganda ist besser als alle Pressearbeit. Hier bestand Vertrauen, dass sich jetzt auf die neue Situation und neue Ärzte überträgt. Es macht Freude zu sehen, wie sich die neuen Mediziner im Team eingeben. Es wächst wieder Vertrauen, das sich in wachsenden Patientenzahlen niederschlägt.
Jetzt hoffen wir, bald unser Labor eröffnen zu können und vielleicht eine Apotheke dazu. 
Zeiten des Widerstandes zeigen uns an, dass es weiter geht. Der Widerstand bestärkt uns. Danke für alle Gebete und sonstige Hilfe!
Ein wichtiger Faktor der hiesigen Kultur ist der Neid. Er lässt Menschen nicht schlafen und sinnt auf Schaden für den anderen. Das zeigt sich im persönlichen Leben wie bei Institutionen. Da müssen wir durch und sind da auf gutem Wege, den Schwierigkeiten nicht zu sehr betonen.