Sonntag, 26. Juni 2011

Metro für Quito

Neue Pläne für Quito: Shell, 26. Juni 2011 # 1096

Quito, die Hauptstadt Ecuadors, ist eine 2 Mio. Einwohner zählende Stadt am Fusse des Vulkans Pichincha und liegt in einer Wanne von max. 8 km Breite aber ungefähr 50 km Länge. Der gesamte Verkehr läuft also in Nord - Süd - Richtung und hat in den letzten 20 Jahren die Städteplaner fast zur Verzweiflung gebracht. Alle Straßenbauprojekte waren längst zu klein, bis sie vollendet waren, denn der Verkehrt wuchs in der Zwischenzeit stärker als alles andere. "Pico y Placa" wurde eingeführt, ein Verkehrsverbot zu den Spitzenzeiten morgens und abends an einem Tag der Woche je nach Endnummer des Nummernschildes. Das brachte etwas Erleichterung, aber schon nach einem Jahr merkt man diese Maßnahme kaum noch. Wie in allen
Großstädten des Kontinentes gibt es zwar ein öffentliches Verkehrsnetz mit Bussen, doch die sind zu Spitzenzeiten übervoll, ein Paradies für Taschendiebe und bei schlechtem Service meiden viele Personen der Mittel - und Oberklasse diese Busse. Sie quälen sich lieber im eigenen Wagen durch die Stadt.
Die Stadtverwaltung hat bereits reagiert und Buslinien mit eigener Spur eingeführt. So ist man mit diesen Bussen allemal schneller als mit dem eigenen PKW. Die verschiedenen Bussysteme sind untereinander vernetzt und der Fahrpreis ist mit 25 Cent vom Dollar billig. Wer will kann einen ganzen Tag mit dem selben Ticket von Nord nach Süd und wieder zurück fahren, was viele ambulante Händler auch tun und im Bus ihre Ware anpreisen, zwar offiziell verboten - Kinder aber lässt man dabei gewähren.
Jetzt soll Quito endlich eine Metro erhalten, eine Untergrundbahn. Die Stadtverwaltung hat dieser Tage die Pläne bekannt gegeben. 2016 soll die Metro in Betrieb gehen. Zunächst sind 22 km geplant, die die Bahn in 34 min zurücklegen soll. Im Süden der Stadt beginnt die Bahn am neuen südlichen Busbahnhof, wo alle Überlandbusse enden und starten. Endstation ist dann im Norden der Stadt der Flughafen, der bis dahin ins Tal verlegt sein dürfte. Eine Verlängerung nach Norden ist später möglich, vorerst aber nicht geplant.
Die Röhre für die Bahnen wird in 16 - 17 m Tiefe liegen, in der Altstadt noch tiefer. Warum das? Nun, Quito liegt in einer Wanne und die läuft ständig zur Regenzeit voll. Die Stadt hat große Anstrengungen unternommen, dieses Wasser ins Tal abzuleiten. Dazu sind Tunnel gebohrt worden, die keiner jetzt wieder verändern will. Zum anderen gab es hier in dieser Wanne früher einige Seen und Sümpfe, die längst trockengelegt sind., aber gerne wieder voll laufen. Da ist es am Besten man geht durch tieferes Gestein. Und in der Altstadt hat man sicher auch Angst vor antiken Funden, die dann den Bau vielleicht um Jahre verzögern könnten. Da geht man lieber tiefer und bohrt einen Tunnel durch die ganze Stadt mit nur wenigen Bahnhöfen.
Auch der Fahrpreis wurde heute schon bekannt gegeben - 40 Cent für die Benutzung unabhängig von der Entfernung. 1,7 Mrd. Dollar soll das Ganze kosten, die Hälfte trägt der Staat, die andere Hälfte die Stadt Quito. Denn schon heute sind von den fast 4 Mio. täglichen Transporten in der Stadt 2 Mio in öffentlichen Bussen. Will man das Chaos nicht noch vergrößern, dann muss man jetzt gegensteuern. Die privaten Busse sollen nicht abgeschafft, sondern als Teil eines neuen Plans des städtischen Verkehrs eingebunden werden.
Warum hat Quito damit so lange gewartet? Nun, wir leben am Fuß eines aktiven Vulkans, der 2000 das letzte Mal ausgebrochen ist. Und Erdbeben sind hier keine Seltenheit. Eine Bahn ausf Stelzen wie die von Wuppertal oder eine Magnetschwebebahn wären sicher billiger gewesen, hätten aber das Stadtbild des Weltkulturerbes Quito zerstört und sind deswegen nicht möglich. Bleibt das Risiko einer tiefen Bahn in gebohrten Tunneln.
Aber wie fast überall in der Welt ist bei aller Euphorie nicht alles so rosig, wie es aussieht. Schon heute transportiert das öffentliche System die gute Hälfte der fast 4 Mio. Reisen in der Stadt jeden Tag. Die Zahl könnte deutlich erhöht werden, wenn die Qualität stimmt und die Menschen ein Gemeinschaftsbewusstsein entwickeln würden. Doch davon sind wir in einer Welt, in der der Individualismus in aller Werbung jeden Tag verkündet wird und in der die Autowerbung alle individuelle Freiheit verspricht, noch weit entfernt. Ein Lernprozess für die Menschen hier MUSS den U-Bahn - Bau begleiten. Sonst bleibt es ein weiteres Objekt für wenige.

Sonntag, 12. Juni 2011

Wenn die Regierung Geld braucht

Nach einer Wahl ist vieles anders, so auch in Ecuador. Die Regierung hat die Volksabstimmung vor einem guten Monat gewonnen und versucht jetzt, die Punkte umzusetzen. Die Diskussion im Parlament und in den Ausschüssen ist heftig. Aber da kommt noch ein anderes Problem auf Präsident Correa zu. Ein großes Loch im Haushalt dieses Jahres. Allein für Gesundheit um Umwelt fehlen 300 Mio. Dollar. Das Loch soll jetzt durch Steuern gefüllt werden.
Zuerst die Strompreise. Die Regierung behauptet, dass der Stromsektor staatlich subventioniert wird. Das soll abgeschafft werden. Aber als sozial engagierte Regierung werden die Strompreise gestaffelt angehoben von 8% für die niedrigste Verbraucherklasse und dann exponentiell ansteigend bis 326 % für die Spitzenverbraucher. Im Klartext kostet die KWH für die einen 4 Cent vom Dollar und für die anderen über 67 Cent. Dass die Industrie diese Preise an die Verbraucher weiter gibt, ist kein Geheimnis. Eine Revolution wird es deswegen nicht geben.
Zwei heilige Kühe greift die Regierung nicht an: Der massiv subventionierten Gaspreis und die Benzinkosten. Das hat schon vor vielen Jahren einem Präsidenten sein Amt gekostet. Obwohl jeder weiß, dass der Staat Milliarden an Subventionen dafür zahlt, würde das die niedren Einkommensschichten nicht dulden. Sie kaufen die alten Wagen und fahren, bis es nicht mehr weiter geht. Wenn dann auch noch der Sprit viel kostet, wäre das nicht möglich Also sucht der Staat nach neuen Wegen. Und da hat er nach Europa geschaut.
Wer die Müllhalden Ecuadors sieht, der sieht zum Großteil Plastik, das hierzulande in rauen Mengen verbraucht aber nicht wiederverwertet wird. Die Durchgangsstraßen des Landes sind voller achtlos weggeworfener Flaschen an den Straßenrändern. Jetzt sollen auf jede Plastikflasche 10 Cents Abgaben kommen. Das ist zunächst einmal einfach eine Einnahme. Gedacht ist der Rückkehr zu Glasflaschen mit Pfand, worauf die Industrie aber nicht gerne umstellt. Doch internationale Firmen wie Coca Cola sind längst dabei.
Eine weitere Gebühr von 2 Cent wird ab 01. Juli auf Plastiktaschen beim Einkaufen erhoben. Das bedeutet die größte Umstellung für die Menschen hier. Wir sind es gewohnt, dass im Supermarkt jemand meinen Einkauf in Plastiktaschen verstaut. Natürlich dürfen Lebensmittel nicht mit Seife in eine Tüte. An Tüten wird nicht gespart. Dann bringt man uns die Ware bis zum Auto. Wir benutzen die Plastiktaschen als Müllbeutel und noch nie sind uns die ausgegangen. Das wird jetzt anders. Die ersten Supermärkte bieten schon Stoffbeutel zum Kauf an. Werden die Kunden aus Bequemlichkeit den Mehrpreis zahlen?.
Wir sind gespannt, wie die Ecuatorianer auf die Änderungen ab 1. Juli 2011 reagieren. Die Energiekosten müssen angehoben werden. Den Plastikabfall geht man mit den richtigen Maßnahmen an, aber die heiligen Kühe, die Subvention von Gas und Sprit, werden auch dieses Mal wieder nicht geschlachtet. Und so lange lässt sich auf Dauer auch kein Haushalt wirklich sanieren.

Freitag, 3. Juni 2011

Menschen, die Gott vor uns stellt


Walter C. ist heute 33 Jahre alt. Er ist zum zweiten Mal bei uns zur Behandlung, die sich wieder einmal im Nachhinein als wesentlich teurer herausstellt als geplant. Er kommt mit seiner Mutter. Beide Oberschenkel waren gebrochen und wurden vor wenigen Monaten nach einem Autounfall in einem anderen Hospital mit Marknägeln versorgt. Aber die Brüche wollen nicht heilen, Der Patient kann sich nach der Erstoperation kaum vor Schmerzen rühren. Solche Knochenmarksnägel sind eigentlich zu schnell Mobilisierung gedacht, doch in diesem Fall weit gefehlt. Auf der einen Seite sind einige Schrauben gebrochen bzw. bedenklich verbogen, also beschließen wir die Seite zuerst zu versorgen. Der Oberschenkelnagel wird entfernt und ist total vereitert. Also muss ein äußerer Fixateur den Knochen festigen. Der Patient geht nach Hause mit der Weisung, dieses Bein nicht zu belasten. 6 Wochen später kehrt er mit einigen cm Verkürzung eben dieses Beines zurück und einer Fehlstellung, weil er die ganze Zeit auf diesem Bein aufgetreten ist. Das andere Bein tat ihm nämlich viel mehr weh. Jetzt haben wir auch den anderen Marknagel entfern - ebenfall vereitert mit einem Keim, bei dem nur ein einziges Antibiotikum wirkt, das wir haben. Jetzt bekommt er 6 Wochen lang ein Antibiotikum verabreicht, das nur zweimal täglich per Vene verabreicht werden kann. Er muss bei uns bleiben und darf nicht nach Hause.Sonst ist sein Leben (und das anderer) in Gefahr. (Für Eingeweihte: ORSA extrem multirestistent.) So bleibt ihm keine andere Wahl als 6 Wochen bei uns zu bleiben.
Warum lässt Gott so etwas zu - Ihn von seiner Familie zu trennen? Walter hat kein Geld für die lange Behandlung aber wir können ihn so nicht laufen lassen. - Er hat eine Frau und zwei Kinder zu Hause. Was soll das?
Walter erzählt sein Leben:
Sein Vater ist Taxifahrer an der Küste, aber interessiert sich nicht für die zwei Kinder. Mit 11 Jahren kommt Walter auf eine andere Schule und eine andere Umgebung und einen „anderen Freundeskreis. Er beginnt mit Stehlen und wird mehrfach erwischt. Er lernt, es besser zu machen und gerät in die Drogenszene. Schließlich landet er wegen Mordes im Knast - 11 Jahre. Danach sieht es nur kurze Zeit besser aus. Es gibt bessere und weniger bessere Zeiten, als er im Oriente Drogen verkauft. Mittlerweile ist er verheiratet und hat zwei Kinder. Die Drogenkonkurrenz fordert ihre Opfer. Und da macht man mit der Konkurrenz kurzen Prozess. Er wird inmitten einer Gruppe von einem PKW bewusst angefahren. Seine Frau leidet heute noch an einer Beckenfraktur mit Blasenruptur und anderen Verletzungen. Sie kann sich mit Gehstützen mühsam bewegen. Er hat "zum Glück" nur beide Oberschenkel gebrochen aber eben mit kostenreichen Komplikationen.

Jetzt erzählt er uns seine wirkliche Geschichte. In seinem Gefängnisaufenthalt in der Hafenstadt Guayaquil kamen Christen ins Gefängnis und hielten Gottesdienste ab, in denen sie zu einer Glaubensentscheidung ermutigten. Er war dabei. Doch das Begonnene verflachte und er begann sich erneut in der Drogenwelt zu engagieren, die den schnellen und sicheren Reichtum verspricht. Dann kam die Ernüchterung. Man wollte ihn schnell beseitigen aber es klappte nicht. Walter weiß: Da hat ihn Gott bewahrt. Jetzt wird jemand einwenden: "Sollen wir Drogendealer etwa noch finanziell begünstigen und von Spendengeldern finanzieren? Wer gibt uns die Garantie, dass er nicht wieder rückfällig wird?" Wir können es nicht. Deswegen müssen wir vielleicht über 6 Wochen einen Menschen begleiten und prüfen, ob es ihm wirklich ernst mit dem Wechsel ist. Eine endgültige Garantie kann ich noch nicht einmal für mich selbst abgeben. Es kann sein, dass die Spendengelder zum Fenster rausgeworfen werden. Aber wir spüren, dass es Walter ernst mit seiner Entscheidung ist und dass er andere spontan anspricht, nicht den Weg der Drogen und des leichten Geldes zu gehen. Er sieht die Menschen, die in Gefahr sind viel eher als wir es könnten. Er lebte in dieser Szene - viele Jahre lang.