Montag, 20. Dezember 2010

Weihnachtsfeiern in Ecuador



Wir haben keine weiße Weihnacht, Hier gibt es derzeit viele Wärmegewitter und selbst in der Hauptstadt Quito regnet es mehr als normal zu dieser Jahreszeit. Doch Weihnachten wird weltweit gefeiert Und auch hier hat der Kommerz die Feiertage fest im Griff. Überall lauert Santa Claus, leuchten Rentierschlitten und China ist allgegenwärtig in blinkenden und farbenfrohen Lichterketten an Fenstern und Bäumen. Aber sentimental ist das Fest hier nicht, auch wenn Geschenke überall gefragt sind.
Vor eine Woche feierten wir Weihnachten mit unser Indianergemeinde in Mondayacu. Es war ein willkommener Anlass, als Gemeinde wieder näher zusammen zu rücken. Es war eine Zeit des gemeinsamen Kochens und Essens, aber auch mit vielen Spielen, Wettspielen mit Luftballons, Sackhüpfen und Eierlauf. Das macht immer wieder Freude, nicht nur den Kindern. Abends feierten wir den Weihnachtsgottesdienst mit einem Theaterspiel der Kinder und Jugend. Ein hervorragend gespielter Teufel, der so teuflisch lachend aus dem Dunkel hervor schoss hat nicht nur die Kleinen erschreckt. Die Predigt hat weniger gefesselt. Und dann nach dem gemeinsamen Essen des halben Dorfes warteten alle auf Geschenke: Mehrere Säcke Bonbons und Plätzchen. Den Sonntag danach merkt man immer noch nicht, dass Menschen geistlich gesehen erfasst wurden.
Auch bei uns im Krankenhaus ist Weihnachten kein besonders besinnliches Fest. Zwar betonen alle immer wieder die geistliche Komponente, aber gefeiert wird anders als in Deutschland: Wir hatten eine große Feier mit festlichem Essen und künstlerischen Darbietung der verschiedenen Gruppen. Am nächsten Nachmittag dann gab es Geschenke für die Mitarbeiter und die Wahl des Weihnachtskönigs und der Weihnachtskönigin. Mit viel Theater wurde die Wahl angekündigt, die Kandidaten vorgestellt, die dann eine kurze Werbeansprache hielten. Eine Jury wurde bestellt und die Auserwählten mit einem wahren Wortschwall festlich eingeführt. Das ist dann eine Gelegenheit auch der persönlichen Abrechnung, bei der, wie in Deutschland beim Fasching, einzelne Personen hochgenommen werden. Alle wissen Bescheid und so werden sicher auch mal Spannungen in der Mitarbeiterschaft abgebaut. Dann wieder ein reichliches Essen und die üblichen Geschenke, die es hierzulande zu Weihnachten für die nationalen Mitarbeiter gibt. Das ist Teil des geschichtlich gewachsenen Patronatssystem, bei dem der Firmenchef persönlich für viele Belange seiner Mitarbeiter zu sorgen hat.
Hier wie da wird Weihnachten gefeiert, aber das Sentimentale fehlt hierzulande größtenteils. In der Zeit, in der man in Deutschland die erste Strophe von "Oh du fröhliche..." gesungen hat, sind wir in Ecuador schon mit der dritten Strophe fertig (weil der Rhythmus viel schneller ist). Aber der Kommerz ist hier genauso mit Weihnachten verbunden wie sonst irgendwo auf der Welt. Die Werbebranche blüht. In Quito wurden in den letzten zwei Wochen vor dem Fest die Strassen um die Einkaufszentren gesperrt, weil der dortige Verkehrsstau die ganze Stadt lahmlegte. Und noch zwei Änderungen die sich lautlos einschleichen:
Die meisten Kalender in Ecuador fangen wie seit den 70-er Jahren in Deutschland mit dem Montag an statt wie bisher mit dem biblischen Sonntag und oft heißt es nicht mehr: Frohe Weihnachten", sondern "schöne Feiertage" oder "Frohe Ferientage". Solche Wünsche kennt man aus der islamischen Welt schon seit vielen Jahren. Und so schließe ich mit "Season Greetings" - aus Ecuador. Die Welt wird sich immer ähnlicher.

Samstag, 4. Dezember 2010

Behindert und doch am richtigen Platz


Es gibt Situationen für einen Urwaldbewohner, die gleichen einem Todesurteil. Das schien dem Shuarindianer Humberto Tangamash im März 1976 so, als ein umfallender Baum ihm die Brustwirbelsäule zerbrach. Er lebt seitdem mit einer hohen Querschnittslähmung. Über ein halbes Jahr lag er seinerzeit in unserem HCJB - Hospital. Alle Versuche, ihn anschließend wenigstens zum Stehen zu bringen, scheiterten kläglich. Er ist an den Rollstuhl gebunden. Das heißt in seinem Dorf, dass er nicht einmal alleine zum Fluss kommt. Und nicht nur das: Seine erste Frau starb an Hepatitis, seine zweite Frau an Krebs. Grund genug, um mit seinem Schicksal zu hadern. Was in diesen Jahren alles in diesem Mann vor sich gegangen ist, können wir kaum ahnen und doch hat Umberto seine Lebensaufgabe entdeckt, die er wie kein anderer seines Stammes anpackt: Die Bibelübersetzung speziell des Alten Testamentes in Shuar.
Ein paar Tage jeden Monat kommt das Übersetzerteam aus den verschiedenen Teilen des Stammes zusammen, um mit einem Missionar die Ergebnisse zusammen zu fassen. Umberto wird dorthin geflogen. Immer wieder ist die Arbeit durch Krankheiten unterbrochen. Dass er überhaupt noch lebt, ist ein Wunder. Solche Patienten haben häufige Harnwegs- oder gar Niereninfekte. Umberto lebt ohne Katheder und hat gelernt, Stuhl- und Urin zu kontrollieren. Seit Jahren hat er eine wunde Stelle am Gesäß, seit Neuestem eine Knochenentzündung im Becken, die wir kaum in den Griff bekommen. Immer wieder landet er wegen Infektionen im Hospital, mal ein Verdacht auf Tuberkulose, mal anderes unklares Fieber. Aber immer kommt er mit Büchern, die sein ganzes Bett belegen. Er kennt ganze Teile der Bibel auswendig. Er ist von seiner Aufgabe begeistert. Seine Kinder haben ihn verlassen, ein Nachbar kümmert sich um ihn, bringt ihn an den Fluss zum Baden damit seine Muskeln fit bleiben. Oft genug ist er Tage lang alleine, bekommt zu wenig zu essen, dann soll er wieder eine Riesenmahlzeit auf einmal einnehmen. Er ist unterernährt. Auch das macht ihn anfällig für Krankheiten. Aber sein Ziel bleibt: Das Alte Testament will er noch übersetzen und das Neue revidieren. "Dafür hat mir Gott Zeit und Gesundheit gegeben, deswegen lebe ich heute noch"! ist sein Motto, mit dem er anderen Patienten Mut macht, wenn sie glauben, dass es nicht weiter geht. Seine Verletzung sieht er als die Chance an, etwas wirklich Wichtiges zu tun. Sein Leben hat einen Sinn bekommen.