Sonntag, 27. Mai 2012

Preis des Fortschritts

Ecuador hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hin zu einem Land der Entwicklung. Dazu gehört die Mobilität und der zunehmende Straßenverkehr. Zum Vergleich: 1990 hatten Fahrzeuge in Ecuador ein Durchschnittsalter von 17,5 Jahren. Heute liegt das Durchschnittsalter bei knapp über 7 Jahren. Alte Wagen sind zur Seltenheit geworden, besonders in den Großstädten. Gab es 1990 nur am Freitagnachmittag einmal kleinere Staus an den Ampeln, ist heute die freie Straße eine Seltenheit. Der Staat wird beim dem Straßenbau kaum Herr der geänderten Situation. Pfeifen und Händewedeln von Polizisten machen den Verkehr auch nicht flüssiger. 150 000 Neuwagen kommen allein in der gut 2 Mio. Einwohner zählenden Stadt Quito jährlich hinzu.
Und so steigt die Zahl der Unfälle beträchtlich. 15 571 waren es im Jahre 2011 mit 4745 Toten, etwas weniger als Deutschland, nur dass Deutschland 80 Mio. Einwohner zählt und Ecuador gut 14 Mio. Tod im Straßenverkehr ist nach Krebserkrankungen und Diabetes die Ursache an dritter Stelle. Jeden Tag sterben 13 Menschen und 139 werden verletzt. 12% der Unfälle haben als Ursache Alkohol.
Was wird dagegen getan?
Der Straßenbau ist das Aushängeschild des Landes geworden. Hier gibt der Staat wirklich Geld aus und die Straßen werden auch gepflegt und ausgebessert. Ich habe seit Jahren keinen platten Reifen mehr gehabt. Vor 20 Jahren geschah das oft mehrmals im Monat. Jetzt hat der Präsident den Bau von Autobahnen für die Zukunft angekündigt. Wir sind gespannt.
Die Vorschriften sind schärfer geworden. Man muss seinen Führerschein alle 5 Jahre erneuern, jetzt aber nur nach einer weiteren Prüfung. Eine TÜV-ähnliche, jährliche technische Untersuchung des Autos ist endlich auch in den Provinzen verschärft worden.  Und die großen Straßen des Landes werden von der Polizei überwacht, die Überholer rauspickt und die Geschwindigkeit per Radar überwacht. Die Erfolge sind greifbar.
 Vor einigen Jahren wurde eine Pflichtversicherung für alle Fahrzeuge eingeführt. Wer dadurch Schaden leidet, dessen Gesundheitskosten sind bis $ 2.500,- abgedeckt. Das klingt nicht sehr viel, ist aber für 90% der Geschädigten ausreichend.
Derzeit geht es den Alkoholsündern an den Kragen. Jeder Busfahrer muss vor Antritt der Fahrt einen Atemtest für Alkohol machen. In den Städten führt die Polizei vermehrt nächtliche Alkoholkontrollen durch. 
Auch die Strafen sind beträchtlich gestiegen. Es gibt mittlerweile auch ein Punktesystem in Ecuador. Jeder hat automatisch 30 Punkt mit dem Führerschein und bekommt bei falschen Überholen oder Überfahrens der roten Ampel 6 Punkte abgezogen. Bei einem 0-Punkte- Konto muss man aussetzen und den Führerschein neu machen, dann aber höchstens zweimal und mit niedrigerem Punktekonto von 15 Punkten. Nach der zweiten Wiederholung ist endgültig Schluss.
Weiter gibt es vermehrte Verkehrserziehung durch mehr Schilder und vor allem aber die blauen Herzen auf dem Straßenbelag, wo es in der letzten Zeit einen Toten gab. Besonders eindrucksvoll bekommt man dann die Busunfälle mit vielen Toten auf die Straße und damit ins Gedächnis gemalt.
Ecuador ist ein typisches Land in Entwicklung. Bisher waren die Regelungen nicht so streng, weil unnötig. Nun aber steigt der Verkehr und die Möglichkeit, schneller zu fahren. Da muss der Staat reagieren. Die Reglementierung nimmt zu.

Donnerstag, 24. Mai 2012

Neues über die Drogenmafia

Seit einigen Tagen ist das Thema Drogenhandel in Ecuador wieder aktuell. Da wurden nicht nur im diplomatischen Gepäck bestimmt für das Konsulat in Mailand Drogen gefunden. Die Hintergründe sind nach fast einem halben Jahr noch nicht aufgeklärt, auch wenn die Regierung seit Wochen schnelle Aufklärung verspricht. Jetzt ist an der ecuatorianischen Küste ein Flugzeug zerschellt. Es handelt sich um ein seit Jahren offiziell abgemeldetes Flugzeug aus Mexico mit mexikanischen Piloten. Die flogen in 300 m Höhe und ohne Licht, um von Radar und Flugsicherung nicht erfasst zu werden. Im Wrack fand man 1,3 Mio US-Dollar in bar, die noch nicht verbrannt waren.
Dass nachts heimlich Flugzeuge landen, ist seit Langem bekannt. Es sind meist an der Küste Wiesen oder Wege, denn die Cessnas benötigen nur wenige hundert Meter Start - und Landebahn. Wieder einmal bestätigt sich, dass Ecuador in den Händen der mexikanischen Drogenmafia ist. Hier im Lande tummeln sich deren Mitarbeiter aus der Ukraine, Russland, Kolumbien, Mexiko und anderen Ländern. Sie stehen nicht nur mit den Untergrundbewegungen FARC und ELN in Kolumbien in Verbindung, sondern auch mit den Paramilitärs, den rechten Gruppen wie den Águilas Negras = Schwarzen Adlern oder den Rastrojos, den "radikalen Aufräumern".  Die Ware kommt aber auch aus dem Osten Perus. Ecuador ist mehr und mehr Zwischenstation des Welthandels geworden, oder wie es ein Experte ausdrückte: "Tummelplatz der Vereinten Nationen des Drogenhandels". Erst dieser Tage hob die Polizei ein unterirdisches Labor aus, das komplett eingerichtet war mit "Air - Conditioning" und Aufenthaltsraum für das Personal.
Seit ungefähr 7 Jahren ist Ecuador Drogenumschlagsplatz geworden. Wie kommt das? Da ist zunächst das günstige Klima. Peruaner müssten ihre Ware über die Anden bringen. Die Küste ist aber nur an bestimmten Stellen bewohnt. Der Rest ist Wüste ohne öffentliche Verkehrswege. Kolumbien hat wenig dünn besiedelte Küste ohne Kontrolle und wenig gute Infrastruktur. So bleibt Ecuador mit einer ländlichen Infrastruktur aber immer besser ausgebautem Straßennetz.
Dann hat die Politik geschlafen und sich über lange Jahre nicht um eine Entwicklung der ländlichen Gebiete vor allem der Nordküste Ecuadors gekümmert. Da hatten die Drogenhändler freue Bahn, den Menschen mit Geld für ihre Ziele zu gewinnen. Sie kauften Haciendas auf, Menschen können für Hilfsdienste verdienen.
Die hiesige Polizei ist darauf in keiner Weise vorbereitet gewesen und in ihrer Struktur nicht flexibel genug. Die Politik hat ihre Struktur immer wieder anderen Zielen untergeordnet. Und ständige Umstrukturierung lässt keine gezielte Arbeit zu. Jetzt wird landesweit das Militär eingesetzt, Straßensperren errichtet, um nach Waffen und Drogen zu suchen. Der Erfolg sind häufigere, kleine Funde, aber kein Ende. Denn das organisierte Verbrechen ist flexibel. Nicht umsonst steigt in Ecuador die Zahl der Kämpfe in den einzelnen Drogenkartellen, werden Menschen gezielt mitten am Tag regelrecht hingerichtet. Diese Verbrechen werden sehr selten aufgeklärt.
Und damit wird deutlich, dass auch irgendwo die Mafia längst in der Polizei, den Militärs und sonst wo in der Verwaltung Fuß gefasst haben muss. Manche sagen, dass Ecuador den Kampf gegen die Drogenkartelle längst verloren hat.
Davon merkt der ahnungslose Tourist natürlich nichts, denn das Land hat nach wie vor viel zu bieten. Doch die Oberfläche trübt.

Sonntag, 13. Mai 2012

Politisches Asyl in Ecuador


    Ecuador ist Touristenland und so ist es nicht verwunderlich, dass jedermann mit einem gültigen Rückflugticket am Flughafen ein Touristenvisum erhält. Doch bekanntermaßen kehrt nicht jeder sogenannte Tourist auch fristgerecht wieder zurück. Hierzulande gibt es keine behördliche Registrierung, also kann man sich, einmal eingereist, auch ungestört im Land bewegen. Unter den Menschen, die hier bleiben, ist eine große Gruppe Wirtschaftsflüchtlinge. Vor einiger Zeit waren es vor allem Chinesen, die hier blieben und auf einen günstigen Zeitpunkt zur Immigration nach Nordamerika abwarteten. Bei den starken wirtschaftlichen Verflechtungen Ecuadors mit China fallen ein paar Chinesen mehr oder weniger nicht besonders auf.
Dann gab und gibt es eine größer werdende Gruppe aus verschiedenen Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Unter ihnen sind in der letzten Zeit einige Verhaftungen und Abschiebungen wegen Verbindung zu Rauschgiftmafia erfolgt. Zunehmend arbeiten hiesige Kokaproduzenten mit asiatischen und russischen Drogenkartellen zusammen.
    Die wirklichen politischen Asylanten in Ecuador kommen zum Großteil aus Kolumbien und sind vertriebene Bauern, die zwischen die Räder der Untergrundbewegungen und der Paramilitärs geraten sind. Von den über 55 000 anerkannten Asylanten Ecuadors stammen 54 500 aus Kolumbien. Aus Kuba kamen bisher 240 positiv bescheinigte Asylsuchenden. Dann erst folgen Afghanistan mit 114, Pakistan, Nigeria, Eritrea, Somalia, Nepal, Äthiopien und Bangladesch mit Einzelpersonen.
Ecuador ist sicher nicht der Magnet für Asylsuchende, aber mit zunehmendem Reichtum natürlich attraktiver als zuvor. Es ist bezeichnend, dass bislang keine Iranis hier politische Zuflucht suchen. Dazu sind die politischen Bande zwischen Ecuador und Teheran zu eng.
    Ecuador hat seine Grenzen weit offen. Der Tourismus ist eine wichtige Einnahmequelle. Aber die Kontrollen sind schärfer geworden. So wird Ausländern jetzt nicht mehr das automatische 3 - Monatsvisum um weitere 3 Monate verlängert. Wer länger hier bleiben will, muss die Gründe offenlegen und von vorne herein ein anderes Visum beantragen. Das geht dann den langen Behördenweg. Wir sind in der gleichen Situation wie viele Länder dieser Erde. Der Tourismus und das Reisen nehmen zu, aber auch die illegalen Geschäfte, die organisierte Kriminalität. Dazwischen gibt es einige wenige aus fernen Ländern und viele aus unserem Nachbarstaat, die hier Unterschlupf suchen müssen. Und dafür ist unser Land offen, auch wenn schon der eine oder andere über die vielen Kolumbianer stöhnt, die ihm den Job wegnehmen.

Samstag, 12. Mai 2012

Wie sicher ist die Wahrheit

    Sie laufen durch die Stadt Quito von Botschaft zu Botschaft. Nach der Botschaft von Costa Rica mit abschlägigem Bescheid der Versuch bei Panama, Chile und schließlich Großbritannien. Sie suchen Sicherheit und die Möglichkeit des politischen Asyls. 4 Menschen fühlen sich bedroht. Es handelt sich um die Mitglieder einer Wahrheitskommission, die einen Sachverhalt aufhellen sollten. Jetzt fühlen sie ein Damoklesschwert über sich. Sie könnten im Gefängnis enden. Schon haben Stimmen  der Staatsanwaltschaft die sofortige Sicherheitsverwahrung gefordert.
    Der Hintergrund ist eine Anschuldigung gegen den Präsidenten der Republik. Sein Bruder besitzt mehrere Bauunternehmen und hat staatliche Aufträge im Straßenbau für mittlerweile über eine halbe Mrd. Dollar erhalten. Das seien öffentliche Ausschreibungen gewesen und der Präsident habe davon nichts gewusst. Vetterleswirtschaft in Familie sagen die anderen. Darüber gab es bereits vor 3 Jahren nach Bekanntwerden der Vorgänge eine lange öffentliche Diskussion. Zwei Journalisten schrieben darüber ein Buch: "Der große Bruder" und wurden deswegen vor einigen Monaten zu je einer Mio. Dollar Geldstrafe wegen Rufschädigung gerichtlich verdonnert, dann aber in einer großzügigen Geste des Präsidenten begnadigt.
    Um Klarheit in die Sache zu bringen, bat der Präsident 2009 die Einsetzung einer Wahrheitskommission, die die Hintergründe untersuchen sollte. Die Mitglieder wurden nach hiesigen Kriterien ausgesucht, waren alle begeisterte Parteigänger und Wahlkampfhelfer des ersten Mannes im Staat. Sie wurden wie gesetzlich vorgeschrieben unter vielen Bewerbern per Losverfahren ausgesucht. Für ihre Arbeit erhielten sie bisher keine Aufwandsentschädigung und zahlen alles aus eigener Tasche. Wie in dem eben erwähnten Buch kamen sie zum Schluss, dass es drei Möglichkeiten für die Verträge gab.
1) Dass der Präsident entgegen seiner Äußerungen von den Verträgen gewusst hatte, was auch sein älterer Bruder, der Inhaber der Baufirmen bestätigt.
2) Dass es illegale Aktionen und Begünstigung gab.
3) Dass die Bauvorhaben zum Nachteil des Staates später viel zu hoch abgerechnet worden waren.
    Alles das klingt schon nach Vetterleswirtschaft. Seit Juli 2009 im Amt der Wahrheitsfindung ermittelt die Staatsanwaltschaft auf Wunsch des Präsidenten nun gegen die Mitglieder der Wahrheitskommission. Demnächst sollen sie vorgeladen werden. Dann fürchten sie einen Prozess. Ihre Begeisterung für die staatstragende Partei und den ersten Mann im Staat hat spürbar nachgelassen. Jetzt kommt Panik bei ihnen auf und sie sorgen sich vor allem um ihre Familien.
    Auch diese Begebenheit wirft ein Licht auf die zunehmend schwierige innenpolitische Situation im Lande. Kritik an der offiziellen Politik und besonders an Personen ist nicht nur nicht erwünscht, sondern auch gefährlich.

Mittwoch, 2. Mai 2012

Geschichte des Flughafens von Quito

   52 Jahre besteht der Flughafen Mariscal Sucre in Quito und er hat viele Änderungen gesehen. Gebaut wurde er weit außerhalb der Stadt im Grünen, umgeben von Wiesen. Wer damals ankam, erzählte von einer 20 minütigen Taxifahrt in die Stadt. Heute dauert die Fahrt noch viel länger. Das liegt aber am Verkehr, denn die Stadt ist um den Flughafen herum und Kilometer weit nach Norden gewachsen. Eine Landebahn und eine Zubringerstraße zur Runway, das ist der Grünstreifen mitten in der Stadt. Keine 10 Meter Abstand donnern ankommenden Fliegern über die Autoschlange, denn die Start - und Landebahn weist einen Knick auf, bei dem man besser vorher aufsetzt oder danach sehr scharf bremsen muss. Die Bahn ist nur gut 3 km lang und das auch erst nach Verlängerung in den letzten Jahren. Und so ist auf diesem Flugplatz auch genug passiert.
    In Betrieb genommen wurde der Internationale Flughafen Quito am 05. August 1960. Einen Monat später zerschellte eine Maschine beim Landanflug an einem der umgebenden Berge - 37 Tote. Im September 1984 stürzte  eine Maschine bei Start in das benachbarte Wohngebiet - 49 Tote. Der schlimmste Unfall am 20. August 1998 als eine Tupulev aus Kuba wegen Triebwerkschaden nicht hoch kam, bremste, gegen eine Mauer prallte, Feuer fing und ausbrannte 76 de 90 Passagiere fanden den Tod. Alle weiteren der insgesamt 11 Unfälle forderten einige Verletzte und bescherten Flugzeugfracks, die oft erst nach Monaten abgebaut wurden. Die teuerste dürfte wohl ein Airbus 320 der spanischen Iberia gewesen sein.
    Der Flughafen hat aber auch das Leben der Stadt darum herum geprägt. Dort sind die Lager für internationalen Handel. So manches Wohnhaus ist Stück um Stück umgebaut worden. Besonders die Blumenindustrie Ecuadors hat dort ihre Kühlhäuser, in den tagsüber die Blumen angeliefert und gelagert wurden. Nachts wurde der Flieger dann beladen. Doch in letzter Zeit wurde umgestellt. Mehr und mehr kommen die Kühllaster nachts an und laden direkt ein.
    Ist das nicht ein unbeschreiblicher Lärm? Nun, wer in der Einflug oder gar Ausflugschneise wohnt, dem klirren die Fensterscheiben und jedes Gespräch verstummt erst einmal für eine Minute. In einer Kirche dieses Stadtviertels legt man eine Schweigeminute ein. Wer aber an der Seite wohnt, gewöhnt sich an den Lärm. Er gehört zum Leben, das hier in Lateinamerika sowieso einen höheren Geräuschpegel aufweist als etwa in Europa. Wir wohnen 15 min Fußweg vom Hauptgebäude entfernt etwas über dem Rollfeld. Wenn Besuch kommt, warten wir das Flugzeug ab. Wenn wir es sehen, machen wir uns gemütlich auf den Weg und kommen noch rechtzeitig an. Das ist sehr angenehm.
    Jetzt soll der Flughafen endgültig ins Tal verlegt werden. Ich kenne kaum keinen, der sich darüber freut, denn dann werden wir mindestens eine Std. Anfahrtszeit haben und das auch nur, wenn die Straßen halbwegs frei sind. Wir sind gespannt, wie sich die Stadtviertel um den Flughafen verändern werden. Eine Ära geht zu Ende und ein persönlicher Flugplatz mit eigenem Flair wird zu einem der modernen Städte außerhalb der Stadt, die alle gleich aussehen, gleich funktionell und langweilig sind wie überall in der Welt. Schon jetzt weinen viele Quiteñer ihrem Grünstreifen mitten in der Stadt eine Träne nach.