Sonntag, 29. November 2009

Ein Sonntag bei den Pygmäen



Es tut gut, mal ein wenig raus zu kommen. Seit fast 2 Monaten haben wir Dauerdienst und die Wochenenden sind besonders arbeitsreich. Mit max. 45 Patienten war in der letzten Wochen das Hospital belegt. So haben wir heute zeitig unsere Visite gemacht und ab ging es zu einem Gottesdienst einer Pygmäengemeinde nördlich von Impfondo.
Schon auf dem Hinweg stiegen viele Mütter mit kleinen Kindern ein sowie ein alter, gehbehinderter Mann. Das ganze Dorf hieß uns willkommen. Dass die Kirche kein Dach hatte und auch sonst eine Seitenwand teilweise fehlte, machte nichts aus. Als wir da waren, füllten sich die letzten leeren Plätze auf den Holzpritschen schnell. Die Mädchen und jungen Frauen der Gemeinde bildeten den Chor. Die Gebete waren lang, aber nie ohne einen Hintergrundgesang oder ein Summen. Und alle Lieder auswendig. Ein Liederbuch gab es nicht. Und natürlich durften die Trommeln nicht fehlen. Was wäre Afrika ohne sie?
Heute wurde die Missionarin Sarah S. in den Heimatdienst verabschiedet. Sie hielt die Predigt und erzählte für die Zuhörer fesselnd eine biblische Geschichte. Da waren selbst die Kinder ruhig. Nach dem Gottesdienst fuhr die Gemeinde uns einzeln mit kleinen Pirogen auf einem Fluss in den Urwald. Man taucht da in eine ganz andere und stille Welt ein; welch ein Gegensatz zu dem lauten Treiben der Gemeinde. Anschließend dann ein Urwaldspaziergang. Wir lernten Heilpflanzen kennen. Sie zeigten uns einen Gummibaum, von dem sie "Kleber" zum Fahrradschlauch Flicken gewinnen. Kakao wird angebaut, aber meist schon grün gegessen. Sie spielten Tarzan an Lianen von 40 m hohen Bäumen, bauten eine Hütte aus Zweigen und Blättern und hatten eine Menge Spaß, wohl mehr als wir. Tiere sahen wir nicht, wie sollten wir auch? Wir betraten den Urwald mit so viel Singen, Erzählen und sich gegenseitig Scherze zurufend, dass wir schon Kilometer weit zu hören gewesen waren.
Die Bantu Afrikaner leben in einer anderen Welt und die Pygmäen noch einmal mehr. Wir haben nicht viel verstanden, aber sind herzlich aufgenommen worden.

Sonntag, 22. November 2009

Geburten in Afrika

Kinder sind der Reichtum Afrikas, aber das ist auch mit Gefahren verbunden. Diese Woche kamen zwei Frauen viel zu spät. Die Geburtswehen hatten bei beiden schon fast 2 Tage vorher begonnen. Dann ging es nicht weiter. Schließlich machten sie sich auf den Weg per Boot und kamen nach über einem Tag Bootsfahrt hier an. Die Kinder waren längst tot. Infektionen hatten schon eingesetzt. Da galt es, wenigstens das Leben der Mütter zu retten.
Es ist sicherer, bei unserem Krankenhaus sein Kind auf die Welt zu bringen, aber das können nur ganz wenige. Doch auch hier kämpfen wir mit der Qualität unserer Arbeit. Unsere Hebammen haben eine afrikanische Arbeitshaltung. Eine Hebamme macht sich nicht unnötig schmutzig bei ihrer Arbeit. Sicher, sie bringt das Kind auf die Welt und versorgt auch einen eventuellen Dammriss, aber weiter berührt sie die Frau nicht. Sie gibt Anweisungen. Nach der Geburt machen die Angehörigen sauber. Die Kontrolle am nächsten Tag geschieht aus der Ferne. Da geht es zu wie auf dem Kasernenhof mit lauten Anweisungen, bei denen klar ist, wer hier das Sagen hat und wer zu Kuschen hat. Statt dessen würden wir uns wünschen, dass eine Hebamme sich hinsetzt und einer Pygmäenfrau geduldig zeigt, wie sie stillen kann. Diese hat eingezogene Brustwarzen, genügend Milch, aber das Kind saugt nicht ausreichend. Dafür hat eine Hebamme keine Geduld und schnauzt die Mutter nur an.
Auch für Hygiene ist da wenig Verständnis. Der Mülleimer läuft nach dem Verbandswechsel über; ist voller Fliegen. Doch das gehört nicht in den Zuständigkeitsbereich der Hebammen, also sehen sie das nicht. Auch stört sie nicht der volle Urinbeutel, der seit 30 Std. am Bett hängt und entsorgt werden müsste.
Herumzuschimpfen nützt hier wenig. Es bedarf einer anderen Arbeitseinstellung und die kann man nicht verordnen. Wir beten und versuchen, mit der Missionsleitung da eine Änderung einzuüben. Und wie immer das gleiche Problem. Pfleger und Schwestern aus Impfondo selbst haben ein Herz für ihre Leute und behandeln sie anders als "eingeflogene Spezialisten“ aus der Hauptstadt Brazzaville, die hier nur eine bestimmte Zeit ihren Job tun.
Und noch eine ganz andere Beobachtung: Wenn das Kind geboren ist, scheint die Mutter völlig gefühlskalt. Die Angehörigen kümmern sich um den neuen Erdenbürger. Die Mutter schaut es oft gar nicht an. Die Verbindung kommt erst später. Vielleicht ist das ein Schutz der Mutter bei so hoher Geburtensterblichkeit hierzulande, nicht in ein all zu tiefes gefühlsmäßiges Loch zu fallen, falls etwas schief geht..

Sonntag, 15. November 2009

Endlich wieder Neuigkeiten

Eine Woche Sendepause. Unsere Patienten sind noch alle bei uns. Die Infektionen sind hier und da abgeklungen, andere kämpfen noch mit Restinfektionen. Neue Patienten sind nicht dazugekommen. Insgesamt haben wir 10 Verletzte der Auseinandersetzungen in der Demokratischen Republik Kongo plus einen hiesigen Mitfahrer, der sich schwer verletzte und ein Kind, das bei einer Schießerei in einem Krankenhaus dort mit seiner Mutter floh, sich aber erst mal 3 Tage versteckte und zu spät kam. Dieses Baby ist inzwischen leider verstorben.
Diese Woche war die Zeit hoher Besuche. Die Sozialministerin des Landes kam, um sich hier vor Ort zu erkundigen. Gestern kam ohne Anmeldung der Gesundheitsminister aus Kinshasa, Und jeder kommt mit großem Gefolge. Da erscheinen dann bis zu 10 große Geländewagen. Auch ein Repräsentant des amerikanischen Botschafters war hier. Überall Fotos. Wir sind in der Presse, auch international, wobei mit der Entfernung die Zahl der Verletzten sich erhöht. Vielleicht hat ein eifriger Mitschreiber da einfach alle Patienten zusammengezählt.
Ich habe davon nicht allzu viel mitbekommen. Seit dem 10. Nov. habe ich (Eckehart) mir eine hartnäckige Infektion am Fuß zugezogen. Absolute Bettruhe und Haxen hoch, jede Menge Antibiotika. Seit heute geht es halbwegs. Ich durfte erstmals wieder Visite machen. Das hatten bisher Dr.Juan-Carlos Panchi und Klaudia übernommen.
Diese Woche geht es nun an die ersten Nachoperationen. Wir müssen einige infizierte Patienten nochmals chirurgische "nachreinigen" und dürfen die ersten Sehnen nähen. Die 10 verblieben Patienten werden uns noch eine Weile beschäftigen.

Sonntag, 8. November 2009

Aktuelle Lage



Die Spannung steigt sichtlich hier in Impfondo. Überall am Ufer des Ubangui stehen Polizisten und Militärs zur Beobachtung. Die UN ist in hektischem Betrieb. Ihre Autos (alles große Toyota Land Criusers) beleben das Stadtbild. Im ehemaligen Flüchtlingslager, das vor drei Jahren aufgelöst wurde, wird wieder alles für die Neubelegung vorbereitet. Die Boote werden startklar gemacht.
Ansonsten ist es aber ruhig, Wir haben keine weiteren Flüchtlinge kommen sehen.
Dafür aber kommen weiter einige wenige Patienten. Ein Polizist aus der Demokratische Republik Congo erreichte uns gestern. Man hatte versucht, ihm beide Hände abzuschneiden. Tiefe, vereiterte Wunden und viele zerschnittene Sehnen. Das braucht wochenlange Behandlung, wenn es überhaupt wieder wird. Da fragt man sich, wie Menschen so grausam sein können, bis wir lasen, dass dies die Weise war, wie die belgische Kolonialmacht die Menschen hier dazu brachte, für sie Rohkautschuk zu sammeln. Man hielt Frauen und Kinder gefangen und wenn der Mann nicht täglich 4 kg Kautschuk brachte wurden den Gefangenen nach und nach Gliedmaße abgehakt. Die Weißen hier haben das System erfunden, auch ganze Dörfer zu bestrafen.
Daneben kommen auch immer mehr "ganz normale" Patienten von drüben, seit es selbst in einem Krankenhaus Schießereien gegeben hat. Wir haben derzeit 11 Schwerverletzte und 4 Kranke aus der Region + einen Motorradfahrer der einen Patienten hierher brachte und sich dabei eine fürchterliche Unterschenkelfraktur durch Unfall zuzog. Das einheimische Personal spricht bereits von den Kranken und den KRIEGSVERLETZEN. Ansonsten aber geht es uns gut, nur dass äußere Spanner zur operativen Knochenbehandlung und Gips so langsam hier zu Ende gehen. Wir haben schon der UN Bescheid gegeben.

Donnerstag, 5. November 2009

Aktuelle Situation - ohne Bilder

Unsere 8 Patienten der Auseinandersetzung im Nachbarkongo sind außer Lebensgefahr, wenn auch noch lange nicht gesund. Die zwei, die zuerst ankamen, haben es am besten. Sie sind dabei, ohne Infektion zu heilen. Die anderen kämpfen noch mit stärksten Schmerzen und Fieber.
Um uns herum entwickelte sich hektische Aktivität. Heute kam eine Medikamentenlieferung aus Kinshasa, von der hauptsächlich das staatliche Krankenhaus am Ort profitiert, obwohl sie eigentlich nichts getan haben, als die Patienten so lange liegen zu lassen, bis sie septisch waren. Soldaten marschieren auf beiden Seiten auf und auch wir erfahren mehr und mehr, was da wirklich abläuft.
Hintergrund ist ein See, an dem ein großer Stamm fischte und ein anderer Stamm sich das jetzt verbat. Es kam zu einigen Auseinandersetzungen mit Toten. Das war die Stunde des selbsternannten Generals "Johnny", 26 Jahre alt, der viele Nachfolger hat, die ihn anhimmeln. In den Augen dieser meist Kinder ist er unverwundbar. Ein Messer prallt an seinem Körper wie an Holz ab. Menschen haben versucht ihn umzubringen, aber wenn das Gewehr auf ihn zeigt, schießt es nicht mehr. Wenn er zu seinen Anhängern spricht, schwebt er über dem Boden. Die Zentralregierung in Kinshasa hat bereits Polizisten und dann Soldaten hingeschickt. Sie wurden von "Johnny" umgebracht. Man spricht von fast hundert Gefallenen.
Dieser "General Johnny" hat den Hafen von Dongou ca 100 km von uns entfernt überfallen, um die Leute auszuplündern. Dabei gab es Tote und Verwundete, die jetzt bei uns sind.
In der Zwischenzeit hat die Regierung in Kinshasa zwei weitere Boote Soldaten geschickt. Ein Dorf in der Nähe wurde evakuiert und dient als Militärlager. Eine andere Einheit ist weiter im Landesinneren gelandet und beide sollen jetzt die Rebellengruppe in die Zange nehmen. Aus der Gegend sind mittlerweile über 15.000 Menschen auf der Flucht, sprich auf unserer Seite des Flusses. Und auch hierzulande ist die Armee in Alarmbereitschaft. Soweit der Stand der Dinge. Ich hoffe, dass wir nicht noch mehr Patienten bekommen und wenn, dann bitte eher als eine Woche nach Verletzung.

Dienstag, 3. November 2009

Konflikt im Nachbarland


Die beiden Patienten mit Schussverletzungen kamen nicht aus unserem Dongou 50 km nördlich, sondern aus einem Ort gleichen Namens weiter im Norden der Demokratischen Republik Congo, dem Nachbarstaat. Jetzt wurden Einzelheit bekannt, weil Polizei, Militär und die Vertreter des UN-Hochkomisariat für Flüchtlingsfragen eine hektische Betriebsamkeit entwickeln. Gestern kamen die Ärzte der Provinzregierung mit Röntgenbildern und fragten, ob wir 6 weitere Patienten mit Schussverletzungen behandeln könnten. Die kamen dann am gleichen Abend noch aus dem Regierungskrankenhaus, wo sie mit gut zugenähten, eine Woche offenen Schussbrüchen nur mit Brettern geschient lagen. Alle Wunden sind infiziert, überall läuft der Eiter raus und keiner hat es bemerkt, dabei stinkt es zum Himmel. Heute haben wir 4 davon notfallmäßig operiert, Für zwei der Patienten kam die Hilfe zu spät. Sie mussten amputiert werden. Den anderen hoffen wir die Gliedmasse erhalten zu können mit Antibiotika-Dauerspülung und äußeren Fixateuren. Aber es war wie Kriegschirurgie.
Dafür war dann heute Abend der Privinzgoverneur da, um die Patienten zu besuchen. Ein Konvoi von über 10 Autos - Kontrastprogramm zur sonstigen Armut des Landes.
Und die Kämpfe im Nachbarkongo sind wohl Auseinandersetzungen zwischen zwei Stämmen und gehen weiter. Es hat schon mehrere Tote gegeben und das Militär hat Truppen aus Kinshasa dorthin verlegt. Das heißt: die Schießereien gehen weiter.
Ich jedenfalls bin froh, dass ich so viel unfallchirurgisches Material mitgebracht habe. Es ist mal wieder der richtige Einsatz zur richtigen Zeit.