Dienstag, 29. November 2011

Ein seltsamer Zwitter

Am 6. Dezember wird in Quito nicht Nikolaus gefeiert sondern der Gründungstag Quitos. Die Wochen davor ist die Stadt schon in festlicher Stimmung. Der 6. Dezember ist oft Ausschlaftag, um dann nahtlos in die Weihnachtsvorbereitungen über zu gehen.
Als die Stadt 1634 auf den Ruinen der ehemaligen zweiten Inkahauptstadt gegründet wurde, haben die Spanier ihren Kulturstempel aufgedrückt und der ist eben typisch spanisch. Also kleidet sich um diese Zeit Quito spanisch, härt man überall das "Olé" und dazu gehört auch der Stierkampf, zu dem Spaniens berühmteste Toreros anreisen, die Winterpause in ihrem Lande ausnutzend.
Doch dieses Jahr ist alles anders. In Spanien ist der Stierkampf mehr und mehr umstritten. In Barcelona ist er verboten und die Arena geschlossen worden. Also ab nach Südamerika. Doch da fand dieses Jahr eine Volksabstimmung statt, bei der aus welchen politischen Gründen auch immer, Tierkämpfe mit tödlichem Ausgang in einigen Provinzen verboten wurden. Das gilt für Hahnenkämpfe genauso wie für Stierkämpfe. 1,6% Mehrheit in der Provinz Pichincha waren bei dieser Volksabstimmung das Zünglein an der Waage. Wie dieses Dilemma zu lösen?
Der Stierkampf findet trotzdem statt. Die Saison hat begonnen, aber der Stier darf nicht mehr in der Arena getötet werden. Also wird gekämpft bis "fast ans Ende". Dann schleift man den Stier nach draußen, um ihn dort abseits des Publikums zu töten. Wo ist da der Unterschied zu früher?
Was da abläuft ist ein seltsamer Zwitter. Man will in diesen Tagen das spanische Erbe feiern, obwohl sich auch Spanien längst geändert hat und der Stierkampf auch dort an Bedeutung verliert. Gesetze hierzulande verbieten das Töten dieser Tiere vor aller Augen, also der faule Kompromiss. In der Presse werden die Toreros nicht müde, die Würde der Stiere zu preisen, in einem Kampf zu sterben. Sie müssen ihr Berufsethos verteidigen. Aber die Arena Quitos in der Einflugschneise des Flughafens, sonst das ganze Jahr über leer, ist für 2 Wochen Pilgerort für täglich 13.000 Besucher. Die Straßen eines ganzen Stadtviertels dienen als Parkplätze. Aber klar ist, dass der Höhepunkt dieser spanischen Kultur auch hier ihrem Ende zugeht. Nur die meisten haben es noch nicht gemerkt.

Der gläserne Ecuatorianer

Elías B. ist heute 21 Jahre alt und fühlt sich wie ein Aussätziger. Vor 2 1/2 Jahren wurde er in einem Polizeibericht angeschuldigt. Seitdem geht seit Name in Quito durch die Presse. Es geht um ein angebliches Verbrechen gegen den Fan eines anderen Fußballclubs. Sein Name und einige Bilder gingen durchs Fernsehen und seitdem ist er ein Geächteter. Er wurde von der Universität ausgeschlossen und wenn er eine Arbeit fand, entließ man ihn nach kurzer Zeit. Seine Zukunft war verbaut. In dieser Zeit ging seine Familie durch eine schwierige Zeit und zweieinhalb Jahre des gerichtlichen Weges. Jetzt wurde er freigesprochen, aber der Makel klebt an ihm wie eine schwarze Farbe, die man schlecht wegwischen kann. Er ist ein Gemiedener. Vielleicht ist er doch schuldig?
Dieser Einzelfall wirft ein Licht auf die hiesige Gesellschaft. Da ist der junge Mann, sein Bruder und die Mutter der beiden. Einen Vater gibt es nicht. Einzelheiten wissen wir nicht, aber da ist ein zerbrochene Familie, die durch eine schwierige Zeit geht und zusammengeschweißt wird. Das Band zwischen Söhnen und Mutter ist sehr fest geworden. Wird es sich lösen lassen, dass diese Söhne eine Frau finden und Abstand zur Mutter gewinnen können?
In einem kleinen Land wie Ecuador gibt es keine Privatsphäre. Fast jeder hat Zugang zu Daten anderen. Überall soll man seine persönlichen Daten angeben und manche Verkäuferin an der Kasse hat Schwierigkeiten, wenn man sie nicht angibt und dennoch bezahlen will. Persönliche Krankheitsdaten gehen an den Arbeitgeber und die Mitarbeiter. Und wer da einmal im System als schwarzes Schaf gebrandmarkt ist, kommt von diesem Makel nur schwer weg.
Es hat die Familie sicher viel Geld gekostet, den Gang durch die Instanzen durchzuhalten. Dazu gibt wenig Hilfe, auch wenn jetzt der Freispruch erfolgte. Rechtanwälte wollen bezahlt werden. Und wer kann schon ohne Finanzen 2 1/2 Jahre durchstehen? Hier wird Gerechtigkeit zu einer Geldfrage.
Die Frage in der heutigen Welt ist mehr und mehr die des Schutzes der Privatsphäre und das nicht nur in Ecuador. Wir kennen Menschen, die sich in Facebook und anderen Medien "geoutet" haben und deswegen ihre Arbeit verloren. Wer glaubt denn heute noch, dass es "sichere Internetseiten" gibt. Wehe dem, der da einem negativ auffällt! Geheimdienste vor 50 Jahren hätten sich die Finger geleckt über die Einfachheit der Datensammlung heute. Die geschieht längst nicht mehr durch Detektive, die hinter einem herschleichen und jeden Schritt oder Fehltritt fotografieren. Wir sind zunehmend gläserne Menschen. Wo setzen wir persönlich die Grenze der Information, für alle zugänglich?

Dienstag, 1. November 2011

Erhitzte Gemüter in Ecuador

Der ecuatorianische Staat entläßt derzeit tausende von Mitarbeitern. Das erregt die Gemüter, wäre aber nicht so schlimm, wenn für die Menschen dahinter ein einleuchtender Grund stünde. Den kann aber derzeit keiner sehen. Quer durch die Reihen der staatlichen Behörden und Institutionen wie Krankenhäuser fegt ein eisiger Wind und es kann jeden treffen. Die Entlassungen wurden in den Medien angekündigt, dann kommen plötzlich Beauftragte an die Arbeitsstelle und fordern den oder die Betroffene auf, eine sogenannte freiwillige Kündigung zu unterschreiben. Wer das nicht tut, wird wenig später hinauskatapultiert. Was ist der Unterschied? Die Abfindung. Wer außerplanmäßig gekündigt wird, erhält seinen Monatslohn und je nach Firmenzugehörigkeit eine gute Einmalzahlung. Dann aber verläßt der Mitarbeiter sofort seinen Arbeitsplatz und gibt alle Verantwortung in diesem Moment ab. Es ist die typisch amerikanische Art, Mitarbeiter zu entlassen und sie ist hierzulande legal. Dazu braucht es keinerlei Begründig von Seiten des Arbeitgebers. Man streitet sich nicht, man zahlt einmal und "der Fall" ist erledigt.
Hier und da gibt es das immer wieder, dass unbeliebte Mitarbeiter auf diese Weise gefeuert werden. Dass es aber nun so massiv kommt, hat das Land nocht nicht erlebt. Die Regierung hat in der Vergangenheit schon einmal Mitarbeiter in größerer Zahl entlassen, aber das nach einer Beurteilung durch die Vorgesetzten. Da hattes es Zielgespräche gegeben. Wenn jemand seine Aufgabe nicht gut erfüllte, wurden die Arbeitsverträge am Jahresende einfach nicht verlängert. Das hat jeder verstanden. Was aber jetzt kam, scheint reine Willkür zu sein. Doch dahinter steht sicher klare Politik der Regierung:
Da ist erstens das Geld. Der Staat steht unter Druck und hat viel zu viele Mitarbeiter. Jetzt werden oft Mitarbeiter entlassen, die lange dabei waren und deswegen teuer sind. Sie durch junge zu ersetzen lohnt sich schon nach kurzer Zeit. Die Neuen erhalten nämlich nur zeitlich sehr begrenzte Verträge, die sich billiger auflösen lassen. Und viele Stellen werden gar nicht mehr besetzt. Ecuador kann sich Geld ausgeben immer weniger leisten. Weiter wird deutlich, dass die Regierung auf die nächsten Wahlen zusteuert und wohl mehr regierungstreue Mitarbeiter haben will. Es wird gemunkelt, dass Aufpasser in den einzelnen Abteilungen sitzen, die Informationen über Mitarbeiter weiter geben. Das riecht stark nach Stasimanieren. Natürlich wird das von der Regierung zurückgewiesen. Beweisen lässt es sich nicht.
Jedenfalls sind die Gemüter derzeit erhitzt. Kommt ein Chirurg nach einer Operation aus den OP steht ein Vorgestzter mit Polizei an der Seite und zwingt in zur Unterschrift. Was für ein Licht wirft das auf die Institution? Es sind nicht nur die gefeuerten Mitarbeiter aufgebracht. Das sind auch die Eltern von Schülern, die plötzlich mitten im Schuljahr ihren Lehrer verlieren, denen aber versichert wird, dass es wie gewohnt weiter geht. Und auch bei der Verwaltung dürfte es zu einigen Fehlentscheidungen kommen.
Ob die Menschen das bis zur nächsten Wahl vergessen haben?