Dienstag, 29. September 2015

Ein Traum scheint wahr zu werden

Wie oft haben wir von unserem Traum des neuen Hospitales gesprochen und geschrieben. Und wir trauen uns kaum noch, darüber zu berichten. Zu viele Hindernisse taten sich auf dem Weg auf. Nun scheint das Eis gebrochen zu sein. Heute waren der Probinzgoverneur und Vertreter des Gesundheitsministerium bei uns, um uns grünes Licht erstens für den Anfang der ambulanten Behandlung zu geben und zweitens uns die mündliche Zusage für den Hospitalbau zu überbringen.
Es hat lange gedauert. Die Widerstände zwischendurch waren schier unüberwindlich. Wir haben Feindschaft von Christen aus den hiesigen Gemeinden erlebt. Neid ist ein wichtiges Problem der hiesigen Gesellschaft, wie man es sich in in anderen Ländern schlecht vorstellen kann. Jetzt kam der "Befehl" für die Genehmigung von ganz oben, vom Staatspräsidenten persönlich. Und auf einmal ging alles ganz schnell und unbürokratisch, natürlich unter Wahrung all der nötigen Formalitäten.
Seit vielen Wochen bereiten wir unser gemietetes Haus vor: Neuer Innen- und Außenanstrich, Leitungen für ein Computersytem, Telephon - und Internetanschluss, Möbel und andere Einrichtung. Wir haben ein Ultraschallgerät geschenkt bekommen und es für wenig Geld mobil machen können. Für die Laboreinrichtung fehlt uns noch das Geld.
Wer ist im Team? Bis auf eine kubanische Kardiologin sind alle engagierte Christen, ein weiterer kubanischer Allgemeinmediziner, ein hollländischer Allgemeinarzt, zwei Zahnärztinnen, ein ecuatorianischer Arzt und Klaudia und ich. 8 Mediziner bis jetzt, eine weitere kubanische Ärztin, sie hat Gemeinden aufgebaut und ist Chirurgin mit viel Erfahrung möchte in Kürze zu uns stoßen. Es ist schon seltsam: In dem Moment, in dem US-Amerikaner das Feld verlassen, kommen engagierte Kubaner zu uns. Unser Startteam steht. Sobald wir die schriftliche Genehmigung haben, wollen wir loslegen. Die Menschen warten dringend darauf.
In der Organisation gab es ein großes Durcheinander aus vielen Gründen. Unsere Stiftung hat mit großteils ausländischer Hilfe die Praxis bisher eingerichtet. Die Genehmigung bekam aber nicht die Stiftung, sondern die Ölfirma durch Dekret von höchster Stelle. Auf einmal bewegten sich Steuerbehörde, Provinzverwaltung und auch das Gesundheitsministerium. Jetzt müssen wir wieder einmal neue Nebenverträge zwischen der Ölfirma, dem Leiter der Klinik/Hospital und der Stiftung schließen. Daran arbeiten wir gerade, denn in finanziellen Dingen darf es keine Vermischung geben. Dazu gehört auch besonders das Geld für das Labor. Das ist noch zu wenig. Die Sprechstunde fängt erst einmal ohne Labor an. 

Wie kam es jetzt zu einer so schnellen Einigung?
Der Widerstand kam von lokalen Kräften der Provinz, Kirchen und auch Organisationen in Quito, die uns schaden wollten. Die Ölfirmen haben jetzt den Staatspräsidenten gewonnen. Damit sind wir über Nacht auf der Überholspur und Nutznießer eines zentralistische geführten Staates. Und obwohl es inerhalb des Team auch starke Spannungen gab, haben wir uns immer wieder zusammen gerauft.
Wir können schon jetzt die große Linie des Segens Gottes sehen. Die Zeit des Wartens scheint vorbei zu sein. In zwei Tagen kommt das Gesundheitsministerium zur hoffentlich letzten Abnahme. Dann werden Papiere wie Rezeptblöcke etc. gedruckt. Wir müssen der Bevölkerung per Radio unsere Eröffnung mitteilen - und dann auf Patienten warten. Ein Traum scheint wahr zu werden.

Dienstag, 22. September 2015

Grenzstreitigkeiten in Südamerika

Immer wenn ein großes Preisniveau unter Nachbarstaaten besteht, setzt ein reger Grenzverkehr ein und der billigere Nachbar verdient am Grenzzaun - zum Leidwesen der anderen, die dann nach Gegenmaßnahmen rufen und ihr Geschäft schützen wollen. Dazu kommen noch ideologische Differenzen, von denen es im Norden Südamerikas genügend gibt.
Da sind die Unruhen an der Grenze zwischen Kolumbien und Venezuela. Es prallen die Welten eines Handelsvolkes Kolumbien mit der zentralen, sozialistischen Staatswirtschaft Venezuelas aufeinander. Tausende Kolumbianer waren über die Grenze gezogen, um dort Waren zu liefern, die der Staat nicht garantieren konnte. Und sicher ist auch Benzin zurück nach Kolumbien geflossen, das in Venezuela billiger als in Flaschen abgefülltes Trinkwasser ist. Jetzt hat die Regierung Venezuelas die Kolumbianer vertrieben. Zu Tausenden sind sie über den Grenzfluss mit Hab und Gut in ihr Land zurückgekehrt. Derzeit versuchen Uruguay und Ecuador zu vermitteln. Es soll nicht zu militärischen Maßnahmen kommen.
Aber auch Ecuador hat so seine Probleme mit den Nachbarn. An den Grenzen zu Peru und Kolumbien gibt es seit Jahren illegalen Handel mit Gasflaschen und Benzin, das hierzulande stark subventioniert ist. Die Bevölkerung Ecuadors ist nicht gewillt, diese seit Jahren gewohnten Subventionen so ohne weiteres aufzugeben. Die Nachbarregionen Perus und Kolumbiens profitieren davon. Bei Grenzkontrollen werden hier und da Schmuggler erwischt, aber immer, wenn das Preisgefälle eklatant ist, funktioniert der Schwarzmarkt.
Aber Ecuador hat noch einen anderen Grund für weitere Grenzkontrollen: Es braucht höhere Steuereinnahmen, spätestens seit der Ölpreis im Keller gelandet ist.
Beispiel: An der Grenze zum nördlichen Nachbarn Kolumbien besteht seit langem ein reger Grenzverkehr von Ecuatorianern, die bei Tagesausflügen im kolumbianischen Ipiales  ordentlich einkaufen. Das Geschäft dort blüht, während auf der hiesigen Seite, wenige Kilometer vor der Grenze in Tulcan Geschäfte schließen. Früher war das einmal umgekehrt. Da kauften die Kolumbianer massenweise hier ein. Also klagen die hiesigen Händler und die Regierung sieht sich gezwungen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Also werden jetzt Schutzzölle erhoben. Insgesamt sind es 2961 verschieden Artikel, die ab sofort an allen Grenzen des Landes zollpflichtig sind. Das gilt aber natürlich für alle Grenzen, besonders auch an den Flughäfen bei der Einreise. Dort dauert jetzt die Kontrolle zwischen 10 und 30 Minuten länger. An den Außengrenzen bilden sich jetzt längere Autoschlangen.
Es sind besonders Kleidung, Spirituosen, Fernseher und Handys, an denen der Staat verdienen will. In der Presse laufen derzeit Kampagnen über Höchstgrenzen, Kosten und Formalitäten bei der Einreise.
Die Zeiten sind vorbei, in denen Ecuatorianer über die Grenze fahren und mit 4 neuen Reifen ihres Autos und einem großen Flachbildschirm zurückkehren. Aber immer, wo ein großes Preisniveau besteht, wird der Handel nicht aufhören. Menschen sind erfinderisch.
Wer die wirkliche Ursache bekämpfen will muss zweierlei beachten:
1) Überall, wo Subventionen gegeben werden, profitieren die Nachbarn. Der Schwarzhandel blüht. Da müssen die Subventionen abgebaut werden, was bei Benzin und Gas hierzulande aber politisch nur langsam durchzusetzen ist.
 2) Zum anderen ist im sozialistischen System hierzulande die wirkliche Inflation wesentlich höher als die offiziellen Angaben. Selbst Lebensmittel sind in Ecuador oft teurer als in Deutschland. Da profitieren vom Preisgefälle die Nachbarn. Also versucht unsere Regierung die Regelung über Schutzzölle, die dem Staat Mehreinnahmen versprechen.
Wir müssen zurückkehren zu einem friedlichen Handel der Nachbarn. Das geht aber derzeit nicht aus ideologischen Gründen. Also ist derzeit Kolumbien der Buhmann zwischen zwei sozialistischen Nachbarn. Das lässt sich nicht in Verhandlungen der Staatspräsidenten ändern. Also bleibt der Streit bestehen, allen amtlichen Beschwörungen zum Trotz.

Mittwoch, 16. September 2015

Rauch in Quito und Umgebung

Der Sommer in Quito neigt sich dem Ende entgegen und es qualmt in und um Quito. Das Wetter ist herrlich. Seit fast 3 Monaten hat es nicht mehr richtig geregnet. Normalerweise haben wir im August oder September immer wieder Regenschauer, oft mit viel Hagel. In einem Jahr mussten diese Hagelkörner mit Baumaschinen zur Seite geräumt werden und schmolzen tagelang vor sich hin. Oder die Pässe auf beiden Seiten der Sierra waren von Eis belegt, mit dem weder die Straßenbehörden noch die Autofahrer umgehen konnten und der Verkehr für einige Tage zum Erliegen kam. Dieses Jahr ist es anders. Es ist staubtrocken. Unser Nachbar hat sein marodes Dach des Hauses im Juli abgebaut und setzt ein Stockwerk drauf. Nur sehr langsam geht es weiter. Nur am ersten Tag nach dem Abriss des Daches Anfang Juli gab es einen starken Regen und  sie hatten nicht genügend Gefäße, um das durchsickernde Wasser aufzufangen. Seitdem kann der Bau ohne Probleme weiter gehen.
Nein, dieses Jahr ist der Sommer trocken wie selten zuvor.
Was in Quito qualmt, ist weit weg im Süden der Vulkan Cotopaxi. Doch seine Asche weht der Wind meist nach Westen Richtung Küste. Die Menschen dort leiden schon mächtig, vor allem die mit Viehwirtschaft. Die gesamte Natur in diese Richtung ist aschgrau verfärbt und das Vieh leidet. Auch der Gemüseanbau dort kommt zu Erliegen und der Staat erwähnt finanzielle Hilfe für die Landwirtschaft. Aber Quito bekam von diesem Vulkan bisher wenig Asche mit, gelegentlich im Südteil der Stadt.
Was uns derzeit vermehrt zu schaffen macht sind die alljährlichen Waldbrände in und um die Stadt, über 25 mal in diesem Jahr. Dann hängen dichte Rauchschwaden über der Gegend.
Quito liegt in einem Hochtal am Rande des Pichinchavulkans, der derzeit ruhig ist. Und weiter unten im Hochtal ist längst eine neue Stadt gewachsen, die aber zu Quito gehört. Die Stadt erstreckt sich über ca. 800 m Höhenunterschied. Und zwischen den verschiedenen Stadtteilen gibt es viel Wald. Es ist aber nicht der deutsche, dichte Wald, sondern häufig der schnell wachsende Eukalyptuswald. Diese Baumart wurde vor über 150 Jahren hier in Ecuador eingeführt, als es kaum noch Holz gab, weil die wachsende Bevölkerung alles Brennbare abgeholzt hatte. Doch Eukalyptus ist keine einheimische Pflanze und verdrängte andere Baumarten durch einen wachstumshemmenden Stoff und machte sich im gesamten Hochland breit. Eukalyptus wächst immer gerade, ist also für Holzverarbeitung ideal, aber braucht viel Wasser und Abstand zwischen den Bäumen. Ein Eukalyptuswald ist nie ein Mischwald und nie besonders dicht. Und so trocknet er in der Äquatorsonne bei fehlendem Regen schnell aus. Er hält kein Wasser über längere Zeit. Und so wird dieser Wald schnell Raub der Flammen.
An den Rändern Quitos will die Stadt wachsen. In der Vergangenheit hat man dann oft nach einem Waldbrand Genehmigungen für neue Siedlungen gegeben. Also wurden Brände absichtlich gelegt. Die Zeit ist längst vorüber. Dennoch scheinen es einige immer noch zu versuchen. Andere legen Brände in den Höhenlagen des Pichincha, um das Paramogras abzubrennen. Denn neues Gras ist Viehfutter. So ein Brand ist dann eine Gefahr für den nahen Wald. Und der Rest der Brände ist wohl Folge einer weggeworfenen Zigarette ohne besonderen Vorsatz.
Die Feuerwehr Quitos und Umgebung ist derzeit im Dauereinsatz und gab bereits Tote unter den Feuerwehrmannschaften; junge Leute mit nur wenig Erfahrung, die das Feuer eingeschlossen hatte und denen man nicht mehr helfen konnte.

Im September hat die Schule wieder begonnen. Das Leben normalisiert sich wieder. Der Verkehr ist chaotisch wie immer. Jetzt warten wir auf den Regen Anfang Oktober bis Weihnachten, um die braune Stadt wieder in ein normales Grün zu verwandeln und damit die Rauchwolken über der Stadt zu vertreiben. Bleibt vorerst einmal der Vulkan Cotopaxi.

Mittwoch, 2. September 2015

Der Cotopaxi raucht weiter


Den beginnenden Ausbruch eines Vulkans im Voraus zu bestimmen ist schwierig. Seit Jahren werden leicht verstärkte Aktivitäten des höchsten Vulkans der Erde, dem Cotopaxi, berichtet. Bergsteiger berichteten von verstärktem Schwefelgeruch auf dem Eisriesen. Dieser Berg wird seit Jahren verstärkt beobachtet. Seit Mai 2015 hat die Aktivität zugenommen. Im Juni und Juli diesen Jahres gab es vermehrte kleine lokale Erdbeben, die dann wieder abflauten, um dann Ende August zu den ersten Gas - und Staubausbrüchen zu führen. Bis zu 7 km hohe Staubwolken konnte man bei dem klaren Sommerwetter von der Hauptstadt Quito aus beobachten. Der Ascheregen erreichte Quito und in letzter Zeit vor allem die Regionen im Westen bis hin zur Küste. Die Landschaft in der Nähe des Vulkans ist in ein einheitliches Grau gehüllt. Nach einer Woche erhöhter Aktivität ist es derzeit ruhiger geworden. Aber die Zahl der lokalen Erschütterungen hat deutlich zugenommen. Und laut Geophysikalischem Institut Ecuadors werden vermehrt seismographische Aktivitäten mit Epizentrum von der Spitze des Vulkans bis in fast 9.000 m Tiefe gemessen. Viele Messstationen in unmittelbarer Nähe des Vulkans geben die Daten weiter. Diese Aktivitäten weisen auf ein Zerbröseln des Gesteinspfropfens im Schlund des Vulkans hin, Vorbereitung auf einen erneuten Ausbruch. Das Magma hat sich also bereits bis auf ca. km vor dem Krater vorgearbeitet, also schon fast auf 3000 m Meereshöhe. Der Druck auf den verbleibenden Pfropfen wächst. Was derzeit austritt sind Gase und kochendes Wasser.
Bild aus sicherer Entfernung von mindestens 60 km Luftlinie
Wie schon mehrfach berichtet, besteht die Gefahr des Cotopaxi bei einem Ausbruch nicht in erster Linie durch Lava und Gesteinsbrocken. Das nur in unmittelbarer Nähe. Aber der Vulkan hat einen bis weit über 50 m hohen Eispanzer, der dann schmelzen würde.
Drei Richtungen sind gefährdet:
1) Die nahegelegene Provinzhauptstad Latacunga: Spätestens 1 Std. nach Ausbruch würde eine Schlammlawine diese Stadt erreichen. Diese Stadt wurde in der Geschichte schon dreimal davon überrollt und zerstört. Die beiden wichtigsten Krankenhäuser liegen direkt am Fluss. Schon werden die ersten Patienten in andere Städte verlegt. Häuser in tiefer gelegenen Stadtteilen werden verlassen, die Mieten in höher gelegenen Stadtteilen steigen beträchtlich.
Erst viel später käme die Schlammlawine am Staudamm in Baños an und dann im Pastaza Richtung Amazonas. Da ist weniger Schaden zu fürchten.
2) Der Süden von Quito, wo in den tiefer gelegenen Vororten ganze Fabriken in Flussnähe liegen. Aber vor allem die Wasserversorgung des Südens der Stadt wäre gefährdet. Wie überall rund um den Vulkan laufen Übungen des Katastrophenschutzes. Notunterkünfte werden vorbereitet, Sirenen installiert, um die Menschen zu warnen, Fluchtwege sind markiert.
3) Der dritte Weg wäre Richtung Amazonastiefland. Der Napo, eines der großen Nebenflüsse des Amazonas entspringt direkt am Cotopaxi. Im Tiefland angekommen würde er Dörfer überschwemmen und Brücken mitnehmen. Auch dort werden Evakuationsübungen durchgeführt.
Aber ein Gutes hat das Warten auf den Ausbruch. Der Rauch tritt derzeit mit über 150 Grad Celsius aus. Rund um den Vulkankrater werden Temperaturen von bis zu plus 44 Grad gemessen und das auf fast 6.000 m Höhe. Nach der Überdeckung des Eises mit Staub, schmilzt derzeit das Eis. Erste kleine Schlammlawinen rutschten einige Meter zu Tal. Das ist ein gutes Zeichen. Der Berg zeigt aus der Ferne deutliche Flecken in seinem Eispanzer. Zusammen mit der globalen Erderwärmung und dem Rückgang der Gletschermassen sorgt jetzt der verzögerte Ausbruch zum langsamen und ungefährlichen Abschmelzen des Eises, was das Risiko für die Menschen der Region deutlich verringert.
Und so starren wir auch noch jeden Tag zu diesem Berg, der für viele, Menschen, Rinder, Lamas und Gemüseplantagen der Schicksalsberg ist.