Donnerstag, 13. Oktober 2011

Der Weg zur multikulturellen Gesellschaft

Kein Volk der Erde lebt mehr für sich allein. Wer kann heute schon den Einflüssen aus aller Welt entgehen? Die moderne Technik sprengt Grenzen. Was früher Jahrzehnte an Entwicklung und Einfluss in anderen Ländern brauchte, ist heute in wenigen Tagen in Ecuador genauso Mode wie in China. Und so wird die Welt immer ähnlicher und man reist überall hin. Auf der anderen Seite schotten wir uns aber auch vor den anderen ab, kaufen diese oder jene Produkte nicht mehr, werden Mauern und Zäune gegen Flüchtlinge gebaut, entstehen neue Feindbilder und neuer Nationalismus. Es wird uns gefühlsmäßig zu viel.
Ecuador hat in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung durchgemacht. Die verschiedenen Ethnien sind als Völker mit ihrer Kultur und Sprache nicht nur anerkannt. Diese haben ein neues Selbstbewusstsein entwickelt. Das wird am besten deutlich beim Thema Gesundheit. Als sozialistischer Staat übernimmt das Gesundheitsministerium Ecuadors nun die Hauptverantwortung. So sind die staatlichen Gesundheitszentren ausgebaut und mit modernen Geräten ausgestattet worden, egal, ob geeignetes Personal vorhanden war oder nicht. Die Behandlung ist meist kostenfrei. Jetzt aber drängen die verschiedenen Ethnien mit ihrer Kultur in eben diese Gesundheitszentren. Und als toleranter Staat trägt man den verschiedenen Formen ihrer Lebensweise Rechnung. So stehen in ländlichen Gebieten jetzt Behandlungszimmer zur Verfügung mit traditioneller Medizin. Da sitzt der staatliche bezahlte Medizinmann oder Wunderheiler und führt seine rituelle "Limpia = spirituelle Reinigung" mit einem lebenden Meerschweinchen oder rohem Ei durch. Da gibt es wieder strenge Speisevorschriften zur Beseitigung von Gebrechen neben Pflanzenextrakten und Kräuterauflegung. Aber auch Irisdiagnostik, Homöopathie und Magnetbehandlungen blühen auf. Und da befinden wir uns in bester Gesellschaft überall auf der Welt - dem Trend zur multikulturellen Gesellschaft mit einer Fülle von Angeboten. Für mich stellen sich zwei Fragen und zugleich Chancen einer Arbeit in einem christlichen Krankenhaus:

1) Wer soll das letztendlich alles bezahlen. Die klassische Medizin ist schon teuer genug. Doch wer kann das Nebeneinander einer kostenfreien Medizin auf Dauer bezahlen? Und wie sieht es mit der Verantwortlichkeit aus? Was, wenn der Medizinmann seine Grenzen nicht kennt und einen Patienten "zu Tode kuriert". Wer sagt da HALT. Schon jetzt sterben sehr häufig Patienten an nach unserer Kriterien "Kunstfehlern" in den staatlichen Gesundheitszentren ohne dass das eine praktische Konsequenz hätte.

2) Wir wissen heute alle, dass Krankheit sehr, sehr häufig mit Fehlern im Leben, Problemen mit den Mitmenschen und Schuld zu tun hat. Da setzen viele Heilmethoden an. Doch entbehren manche Methoden jeder wissenschaftlich nachprüfbaren Grundlage. Das ist unsere Chance als Christen. Wir müssen uns mehr den je klar werden, welchen Hintergrund alternative Heilmethoden haben. Pflanzen haben sehr häufig eine gute Wirkung, stammen doch die meisten unserer heutigen Medikamente zumindest ursprünglich aus der Pflanzenwelt. Aber es gibt auch viele Kräfte, die nichts mit Gott zu tun haben. Auch der Teufel kann heilen - eine biblisch fundierte Aussage. Und da müssen wir Menschen warnen, nicht in neue Abhängigkeiten zu geraten. Das ist unsere Chance als Christen, nicht nur in einem Missionshospital in Ecuador. Wir müssen aber auch unser Personal schulen, geistliche Kräfte besser zu unterscheiden. Denn der Trend aller Welt geht dahin, dass jeder nach seiner "Fasson selig werden kann". Und das stimmt eben in der wirklichen Welt nicht. Hier ist geistliche Klarheit gefragt und das ist unsere Zukunft.

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Änderungen im Untergrund

Der Kampf gegen die Guerilla Kolumbien scheint erfolgreich zu sein. Die USA sind seit Jahren bemüht, den betroffenen Ländern mit Technik und Logistik zur Seite zu stehen. Und die Erfolge der letzten Jahre können sich sehen lassen. So ist nahezu die gesamte Spitze der FARC verschwunden und den Untergrundkämpfern fällt es immer schwerer, junge Leute zu rekrutieren und bei der Stange zu halten. Das kolumbianische Militär hat ganze Gebiete unter Kontrolle, die früher den Untergrundkämpfern "gehörte". Damit sich wichtige Einnahmen weggefallen. Gerade die modernen Techniken wir Mobiltelefone und Internetzugang per Satellit sind den Guerilleros zum Verhängnis geworden. Damit hat man sie auch im Dschungel zielgenau geortet und bekämpft. Der Krieg ist noch lange nicht gewonnen, da macht sich eine andere Gefahr breit: Kleine oder größere Verbrechersyndikate, die das Machtvakuum für ihre Zwecke ausnutzen.

In Ecuador merken wir eine Zunahme der Kriminalität. Es sind nicht mehr die kleinen Taschendiebe oder Gruppen, die sich auf den Diebstahl etwa von Laptops spezialisiert haben. Es werden zunehmend Geldtransporter in den Städten überfallen, auch Banken und die Zahl der Morde auf offener Strasse nehmen zu. Dabei wird deutlich, dass es sich um Racheakte oder Hinrichtungen handelt. Besonders deutlich ist dies in den Grenzgebieten zu Kolumbien zu merken. Dort kämpfen Banden um Einflusssphären. Die haben neue Namen wie Rastrajos oder Urabeños. Die wiederum trainieren jungen Menschen für ihre Zwecke. Und ist die Grenze der beiden Länder kein Hindernis. Die Banden leben von Drogenhandel und Geldwäsche. Sie sind aber im Gegensatz zu FARC und ELN, die "klassischen Untergrundorganisationen" nicht politische motiviert und wollen die Bevölkerung für ihre Ziele gewinnen. Diese ideologische Linie haben die ehemaligen Marxisten auch schon seit Jahren verlassen. Ihnen geht es nur noch ums Geld. Man schätzt die Rastrojos auf 3000 Mann, von denen ca. 750 in Ecuador leben. Sie haben eine dezentrale Struktur und deswegen tut sich die Polizei bei der Bekämpfung schwer. Es besteht die Gefahr, dass wir mexikanische Verhältnisse bekommen, einen Kampf der Banden untereinander, den keiner mehr begrenzen kann.
Was ist hier in der Geschichte passiert? Das alte Patriarchat aus der Kolonialzeit hatte sich längst überlebt. Vor über 60 Jahren begann der Marxismus den Menschen ein besseres Leben zu versprechen. Der Kampf wurde immer blutiger und zerstörte ganze Länder. Dieser Kampf hat Kulturen vernichtet, die der Indianer der Regenwälder und die der Städter ebenfalls. Geblieben ist ein Vakuum an Macht, moralischen Werten und wirtschaftliche Unsicherheit. Wer wenig Hoffnung hat, der ist zu Allem bereit. Deswegen sind auch derzeit die größten Feinde der neuen Mächte die Kirchen gleich weder Denomination. Sie sind eine der wenigen Gruppen, die noch für eine allgemeine Moral sorgen. Sie stehen den Banden im Wege. Der Krieg der letzten Jahrzehnte hat nicht nur Kulturen verändert. Er hat auch den Urwald größtenteils vernichtet. Und nach wie vor wird Coca angebaut, denn die Nachfrage regelt den Markt. Und da ist keine Änderung in Sicht.

Montag, 3. Oktober 2011

Ein besonderes Gemeindefest

Seit 22 1/2 Jahren gibt es unsere Kirchengemeinde San Marcos in Quito, seit 22 Jahren sind wir dabei und seitdem Teil dieser Gemeinschaft, die einige Jahre brauchte bis zu einem eigenen Kirchengebäude, das immer noch nicht fertig gestellt ist. Die Gemeinde hat viele Höhen und Tiefen erlebt und besitzt zwei große Türen: Eine durch die man gerne eintritt und eine liebevolle Gemeinschaft finden. Aber die andere Tür des Austrittes ist ebenfalls breit. Durch die tritt man wieder aus und sucht sich eine andere Kirchengemeinde. Und so kommt es, dass nach 22 Jahren kaum noch einer die Geschichte und Hintergründe kennt. Unsere Zeit ist schnelllebig geworden. Geschichte und seien es nur 22 Jahre ist unwichtig geworden. Man lebt im Heute. Amerikanische Kultur geht da in die gleiche Richtung. Was kümmert es eine Firma, was vorher war? Wenn die Umsätze nicht stimmen, wird Neues ausprobiert, alte Zöpfe abgeschnitten, das Ruder herumgerissen. Dieses moderne Denken hat längst auch Europa, ja de ganze Welt erreicht. Aber neben vielen glanzvollen Beispielen aus der Wirtschaftsgeschichte gibt es mindestens ebenso viele negative Exempel. Mit einem neuen Firmenchef beginnt nicht das Jahr Null der Menschheitsgeschichte, sondern wird aufgebaut und verändert auf einem bestehenden Fundament. Und wir müssen auch in der Wirtschaft lernen, Menschen wieder einzubinden, dass sie sich mit ihrer Firma und mit dem, was sie tun, identifizieren können und möchten.

Und dieses Fundament zu beleuchten, haben Klaudia und ich heute ein Gemeindefest der besonderen Art gefeiert. Geschichte sollte leuchten. Wir feierten dieses Jahr einen runden Geburtstag und dazu haben wir alle Gemeindemitglieder eingeladen. Sie sollten uns ein Geschenk machen in Form eines kurzen Berichtes, wie sie zum Glauben kamen, wie sie in die Gemeinde fanden und was die Gemeinde ihnen bedeutet.
Zunächst gab es eine Zeit der Erklärung der Geschichte und der Gründungspersonen. Wir haben alte Fotos ausgegraben, Diapositive gezeigt und darüber gelacht, wie jung und hübsch wir mal waren. Dann haben aber ca. 90 Gemeindemitglieder erzählt, wie sie in die Gemeinschaft kamen, was sie verstanden haben und welche Menschen für sie in diesen Umbruchzeiten wichtig wurden. Und immer wieder das eine Schema. "Ich war in einer persönlichen Krise und suchte. Da nahm mich ein Freund/Arbeitskollege/Mitstudent in die Gemeinde mit“. Oft waren es besonders die Jugendlichen, die sich von der Gemeinschaft angezogen fühlten, bei Aktivitäten wie der Gemeindeneugründung am Rande des Urwaldes mitmachten. Sie waren begeistert. Die Eltern wollten wissen, wo ihre Kinder gelandet waren und besuchten Kleingruppen der Gemeinde oder den Gottesdienst. Aber es ist nicht bei der Gemeinschaft geblieben. Sie haben Jesus Christus kennen gelernt.

Und noch ein Ergebnis war interessant:
Es gab viel Streit und man hat die Gemeinde verlassen. Doch dadurch sind drei neue Gemeinden entstanden, die ebenfalls lebendig sind. Und die Missionsarbeit der Gemeinde hat wenig Erfolg gezeigt. Die beiden geplanten Gemeindegründungen sind noch alles andere als selbständig und stabil. Diese Projekte haben jedoch engagierte und wichtige Mitarbeiter geschult. Der Segen, den wir an andere weiter geben wollten, ist zunächst einmal auf uns selbst zurück gefallen.

22 1/2 Jahre sind keine lange Zeit. Beim Rückblick wurde das Wirken Gottes deutlich. Und da haben wir dann doch alle gestaunt, gerade bei den Berichten von Mitgliedern, die sonst nicht erzählen.