Dienstag, 28. Juni 2016

Wie teuer ist das Leben bei Dir?

Wer nach Ecuador kommt, freut sich als Tourist, dass hier Vieles billiger ist als zuhause. Er wird bedient. Eine Haushaltshilfe haben die meisten Familien, an der Tankstelle muss man nicht aus dem Fahrzeug steigen. Man wird bedient. Und auf dem Markt gibt es das ganze Jahr über frische Früchte zu erschwinglichen Preisen. Doch wer hier lebt, erzählt eine andere Geschichte. Vergleiche ich meine Wocheneinkäufe in einem Supermarkt mit Aldi oder Lidl in Deutschland, kostet das Leben hier sicher das Doppelte. Und dabei geht es gar noch nicht um Luxusartikel. Eine Wohnung zu mieten ist hier in der Regel günstig, aber wer auf Sicherheit großen Wert legt, zahlt hier die gleichen Preise wie etwa in Deutschland. Der Sprit ist sehr günstig, aber ein Neuwagen kostet hier mehr als in Europa. Waren sind im Durchschnitt hier teurer, Dienstleistungen günstiger. Und der Unterschied zwischen den einzelnen Bevölkerungsschichten ist viel größer hier in Lateinamerika.
Wenn eine Firma einen Mitarbeiter irgendwohin in die Welt schickt, dann informiert sie sich über die Lebenshaltungskosten der einzelnen Regionen und demensprechend wird das Gehalt angepasst. Das gilt auch für Missionare. Und so wird jährlich eine Liste der teuersten Städten der Welt veröffentlich bzw. korrigiert. So auch jetzt wieder.
Spitzenreiter dieser Liste ist nach wie vor Hong Kong. Schon vor 10 Jahren erfuhren wir von einem Lehrer der Deutschen Schule dort, dass seine kleine 3 - Zimmer Wohnung stolze 3.500 Dollar monatlich kostete. Nummer drei und viel sind Zürich und Singapur, das Finanzzentrum der Schweiz und der zentral gelegene Stadtstaat mit schnellen Verbindungen zu den Zentren Asiens. Beide Städte bieten einen hohen Freizeitwert gleich um die Ecke. Es folgen Tokio und Shanghai, beides Ballungs- und Industriezentren.
Lateinamerikanische Städte können da nicht mithalten, Buenos Aires ist als Nr. 41 noch die teuerste, teurer als die Nummer 45 - Miami.  Lima Nummer 141 und Bogotá an 190. Stelle. Da irgendwo reiht sich auch Quito ein. Bei dieser Beurteilung geht es einzig und allein um die Bewertung für reichere Familie, die sich dort ein Haus oder eine Wohnung mieten müssen, ein Fahrzeug brauchen und das in einem sicheren Stadtteil. Die Kinder brauchen eine international ausgerichtete Schule. Das alles ist natürlich viel teurer als ein einfacher Arbeiter dieser Stadt bezahlen kann, weil die Ansprüche höher sind.
Der aufmerksame Leser oder Hörer hat jetzt sicher bemerkt dass die Stadt Nummer 2 bisher nicht erwähnt wurde. Die zweitteuerste Stadt der Erde ist derzeit Luanda, die Hauptstadt Angolas. Nicht viel weniger kostet das Leben im Kongo in Kinshasa oder in N´Djámena, Hauptstad des Tschad, beide teurer als beispielsweise Peking. Angola hat es geschafft und bietet Ausländern bestimmt Teile der Stadt an mit Sicherheit, Luxus und großer Service. Demensprechend lässt sich der Staat das aber auch bezahlen. Die Importsteuern sind hoch. So kostet etwa ein Liter importiertes Vanilleeis 31 Dollar. Dafür leben die Reichen aber auch sicher unter ihresgleichen mit Strand ganz in der Nähe. Der eingeborene Afrikaner verdient dafür einen Hungerlohn. 50% der Menschen dort leben an der Armutsgrenze. Regierungen wie die in Angola schaffen diese Gegensätze bewusst, sind die Ausländer doch eine wichtige Einnahmequelle für das Land. Diese Gegensätze sind bei uns in Ecuador nicht so krass, aber es gibt natürlich hier auch Wohngebiete, abgegrenzt mit elektrischem Zaun und stark bewacht, wo man zu Besuch erst anmelden und dann seinen Personalausweis hinterlegen muss. Die Reichen dieser Welt sind auf Sicherheit aus und schotten sich gerne ab. Wer da arbeitsmäßig zuzieht, muss sich an diese Regeln halten. Und da der Trend immer mehr die Großstadt und dort vor allem die riesigen Ballungszentren geht, werden dort auch die Preise weiter steigen. Dabeisein ist alles. Das hat seinen Preis.

Montag, 27. Juni 2016

Frieden in Kolumbien?

Während in Europa der Grexit schon vergessen ist, sich aber nun Griechenland lautstark wieder meldet und der Streit über einen schnellen oder langsamen Brexit entbrannt ist, feiert Lateinamerika das Ende eines langen Konfliktes. In Kuba wurde dieser Tage ein Waffenstillstand zwischen der FARC, den revolutionären Guerillakämpfern und der Regierung geschlossen. Nach 52 Jahren blutigster Auseinandersetzung und Millionen Toter ist es jetzt zu einem Friedensvertrag gekommen. Juan Manuel Santos, der kolumbianische Präsident und der Rebellenführer Rodrigo Lodoño, genannt Timochenko, haben in Kuba feierlich die Vereinbarung unterschrieben. Noch ist es noch ein weiter Weg hin zu einem wirklichen Frieden, aber beide Seiten haben vereinbart, die Waffen schweigen zu lassen. Jetzt geht es um weitere Einzelheiten und zum Unabhängigkeitstag Kolumbiens am 20 Juni soll der Vertrag dann in allen Einzelheiten fertig sein und umgesetzt werden.
Seit 1948 gab es in Kolumbien Auseinandersetzungen wegen Landbesitz. Großgrundbesitzer machten sich breit und der Großteil der armen Bevölkerung wurde mehr und mehr zurückgedrängt in das Daseins eines Tagelöhners. Das führte zu sozialen Unruhen hier und da. Die Familie eines Unzufriedenen, Manuel Marulandas, war dann der der Katalysator für eine Bewegung, die schnell straff geführt, den Widerstand leitete und starken Zuwachs von Seiten der entrechteten Bauern erfuhr. Nicht nur eine Armee entstand im Staat Kolumbien, sondern auch der Aufbau einer sozialistischen Infrastruktur, die sich um Gesundheits- und andere soziale Probleme der ländlichen Bevölkerung kümmerte. Seit 1964 formte sich so ein Staat im Staat. Kolumbien war zerrissen und ganze Teile des tropischen Regenwaldes waren abgeschnitten von der Zentralregierung in Bogotá. Es gab Zeiten, in denen man als Ausländer nicht durch das Land reisen konnte, ohne gekidnappt zu werden und erst gegen hohe Lösegeldzahlungen frei zu kommen. Und der Terror wurde zunehmend in die Städte getragen. Bomben explodierten und der Konflikt schaukelte sich auf, den keiner konnte schließlich gewinnen. Auch das Ausland wie Ecuador wurde in die Auseinandersetzung mit einbezogen.  Operierten die Spitzen der FARC doch längst auch von Quito aus und errichteten Lager auf ecuatorianischem Gebiet, das von kolumbianischem Militär ausgelöscht wurde.
Finanziert wurde dieser Krieg durch Drogen, denn die Mafia der Drogenhändler und die Rebellen arbeiteten Hand in Hand. Solange reiche Länder Drogen konsumieren, solange werden sie auch hergestellt und kommen an den Mann oder die Frau.
Die USA gaben Kolumbien Schützenhilfe und die Guerilla musste schmerzhaft merken, dass sie über elektronischen Kontakt mit der Außenwelt zu lokalisieren und angreifbar war. Der Drogenanbau wurde aus der Luft mit einem speziellen Pilz besprüht und so zerstört, was auch andere landwirtschaftliche Produkte in Mitleidenschaft zog und den Kleinbauern die Lebensgrundlage nahm. Als Reaktion darauf bildeten sich rechte Milizen, die nicht weniger schonungslos mit der Bevölkerung umgingen. Wer einmal mit den Guerilleros kooperiert hatte, war ein Feind und wurde liquidiert. Dieses Hin und Her führte zu einer Massenflucht der Landbevölkerung in die Städte und ins Ausland. Ca. 60.000 Menschen sind derzeit entwurzelt.
Die Rebellen wurden letztlich deutlich reduziert. Der Druck auf sie wuchs. Sie hatten weniger Zulauf und deutliche Rekrutierungsprobleme. es ist die Weisheit der Regierung Santos, jetzt in einen langjährigen Prozess der Gespräche eingetreten zu sein. Kuba hat sich da angeboten zu helfen. Auf diesem neutralen Boden wurden die Gespräche geführt und jetzt die Vereinbarung unterschrieben. Kolumbien feiert die Einigung. Noch braucht es noch viele weitere Details. Wann werden die Waffen abgegeben und wie? Und noch ist die Unsicherheit im Land nicht behoben, denn da ist noch eine weitere Rebellengruppe, die ELN und es existieren noch die rechten "Paramilitares", die Reaktion einiger Großgrundbesitzer die weiterhin tätig sind.
Der Frieden mit der FARC ist ein Grund zum Feiern und Kolumbien tut es, aber es ist erst der Grundstein für weitere Maßnahmen, die zu einem wirklichen Frieden führen können. Und was sagt dazu die Drogenmafia?

Samstag, 18. Juni 2016

Nach dem Erdbeben

Über zwei Monaten nach dem verheerenden Erdbeben an der Küste Ecuadors ist es ruhig geworden. Jetzt sind bald Sommerferien in der Sierra und so langsam kehren einzelne Touristen an noch einsame Strände zurück. eine Region versucht aufzuholen. Die Häuser, die erhalten sind oder in aller Eile repariert werden konnten, öffnen wieder. Aber in den Innenstädten der größeren Städte wie Portoviejo oder Manta sind noch immer Teile gesperrt, werden weiter Häuser abgerissen. Dieser Prozess wird noch einige Monate dauern. Immer noch wohnen von den ursprünglich über 26.000 Menschen in Notunterkünften ein großer Teil dort. Jetzt sind die allermeisten Helfer gegangen. Das Leben beginnt wieder normal zu werden, aber kann es das überhaupt? Schule findet in Zelten oder anderen Behelfsunterkünften statt
Da ist der Verlust von Angehörigen. Und es geht den Nachbarn ja ebenso. Jetzt endlich ist Zeit zur Trauer. Bisher war man so beschäftigt mit dem Nötigsten.  Da versinkt mancher in seiner Trauer. Und jeder Mensch reagiert anders. Da trifft es den einen hart und er verzweifelt, findet nie wieder zu einem normal Leben zurück, während andere scheinbar unbeirrt das Gestern abschütteln, in die Zukunft schreiten und mit Optimismus aufbauen. Das erleben derzeit christliche Gemeinden dieser Region. Mancher braucht die Hilfe noch lange und lässt sich versorgen, andere schreiten längst zur Tat und bieten weiteren Menschen Hilfe an, obwohl sie selbst viel verloren haben. Und es kommen viel mehr Menschen in die Gottesdienste. Glaube wird erlebbar. Aber es gibt auch vermehrt Menschen, besonders Männer, die es nicht schaffen. Sie sehen keine Zukunft mehr und so steigt derzeit die Selbstmordrate. Und dieses Zurückgezogen Sein merken oft die anderen nicht, bis wieder einer Schluss gemacht hat.
Das sind Dinge, die der Staat nicht regeln kann. Der hilft beim Aufräumen und der Vorbereitung des Wiederaufbaus. Denn jetzt gilt es, erdbebensicherer zu bauen. Es waren vor allem die schnell errichteten Häuser von 3 oder mehr Stockwerken, die einstürzten. Jetzt möchte der Staat eine Baukontrollbehörde aufbauen, die Baupläne kontrollieren soll. Dagegen wehren sich die Stadtverwaltungen, die seit jeher dafür zuständig sind. "Noch eine weitere Behörde aufbauen, wo der Staat doch sowieso pleite ist..!" hört man klagen. Und regelt eine weitere Behörde wirklich weiteren Pfusch am Bau? Mehr Staat bringt nicht automatisch mehr Sicherheit.
Jetzt ist der Staat aber in erster Linie mit der Infrastruktur beschäftigt. Straßen und Brücken müssen wiederhergestellt werden. Glücklicherweise geht das Klimaphänomen El Niño seinem derzeitigen Ende entgegen. Auf weit über 3 Mio. Dollar beziffern Experten die derzeitigen staatlichen Aufgaben. Wie ist das zu finanzieren? Zum einen ist der Ölpreis wieder am Steigen, für hiesiges Rohöl bei derzeit 45 Dollar per Barrel. Zum andere versucht der Staat private Investoren zu finden, die Kraftwerke und Ölfelder gegen Kredite übernehmen. Klammheimlich und ohne es an die große Glocke zu hängen, nimmt der Staat Abschied vom Sozialismus hin zur Privatwirtschaft der Konzerne. Aber auch weitere Verschuldung laufen beim Ausland, allen voran den Chinesen. Das soll Arbeitskräfte für den Aufbau bringen und so die Wirtschaft ankurbeln.
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer soll Gelder in die Staatskasse spülen, was aber sehr zu bezweifeln ist, denn das führt schrittweise zu Teuerung die allen staatlichen Kontrollen zum Trotz keine wirklich überwachen kann. Andererseits müssen alle über 1000 Dollar Monatslohn zusätzliche Steuer bezahlen. Allen voran sollen die Staatsbedienstete der Präsidentenpartei eine freiwillige Abgabe von 10% ihres Einkommens für 2 Monate zahlen. Dieses "Freiwillig" sieht dann so aus, dass automatisch der Beitrag abgezogen wird, was zu Unmut führt. Denn alle Staatsbediensteten führen schon heute einen Teil ihres Lohnes an die Staatspartei ab. Wer sich wehrt wird entlassen. Dazu wird manchen Behördenmitarbeiter mehr Arbeit bei gleichem Lohn verordnet. Sie sollen für einige Monate auch samstags und sonntags bei Bedarf einsatzbereit sein. Was da für Unmut aufkommt, kann man nur ahnen.
Insgesamt ändert sich nach dem Erdbeben das ganze Land. Noch hält die Solidarität an, helfen Menschen sich gegenseitig, geht der Trend von Planwirtschaft hin zu mehr Eigeninitiative. Für die Regierung ist es eine Zerreißprobe im letzten Amtsjahr. Wie die Zukunft aussieht beurteilt jeder anders.