Freitag, 25. März 2016

Was passiert in Shell?

Seit unserem letzten Rundbrief vor wenigen Wochen hat sich in Shell einiges getan. Der Februar war unser Tiefpunkt. Wir hatten mit den Ölgesellschaften gebrochen, bzw. wurden von ihnen im Stich gelassen. Geld war weg. Die Klinik lief zwar, aber nicht die Einnahmen, wie wir sie gebraucht hätten, um den Mitarbeitern gerechte Löhne zu zahlen. Außerdem können wir noch keine offiziellen Arbeitsverträge abschließen. Dazu fehlen noch Genehmigungen und weiterer Unterlagen. Das braucht alles sehr viel Zeit.
Dazu bestand im alten Krankenhaus noch die Konkurrenzsprechstunde. Unsere vorherige Mission hat das Haus an eine Gemeinde vermietet, die dort ein mit 21 Ärzten und viel Propaganda einen Monat nach uns 150 m von unserer Sprechstunde entfernt die Konkurrenz eröffnete. Und so mancher Patient ist dort gelandet statt bei uns und musste viel bezahlen.
Doch mit dem Tiefpunkt ging auch ein Ruck durch die Mitarbeiter und unser Service wurde deutlich besser. Die Patientenzahlen stiegen, wir haben die Preise leicht erhöht von 5 auf 7 Dollar die Sprechstunde. Wir haben zwar keine Apothekenerlaubnis, dürfen aber die Medikamente, die wir verschreiben, an Patienten verkaufen. Es kommen mehr Patienten zum Ultraschall und die Patientenzahlen insgesamt sind gestiegen.
Vor gut einer Woche hat dann die Konkurrenzsprechstunde mangels Patienten geschlossen. Wir es da mit dem alten Krankenhaus weiter geht, warten wir ab. Jetzt besteht wieder eine kleine Chance, doch wieder zurück zu gehen, aber wir haben erst einmal keine Eile.
Was uns aber am meisten überrascht hat, war die Hilfe von außen, aus Deutschland und den USA. Wir sind derzeit dabei, unser Labor auszurüsten. Dadurch werden unsere Einnahmen stabiler.
Auch die Augenärztin wird in Kürze anfangen. Ein Sprechzimmer ist schon eingerichtet.

Wie soll es weiter gehen auf dem Weg zu einem Krankenhaus?
Unser geplantes Gelände ist besetzt. Aus politischen Gründen wird das Land an Indianer verteilt und es gibt nicht nur Freude. Immer wieder hören wir von Streit und Besitzansprüchen der alten Eigentümer. Da halten wir uns erst einmal raus. Wir sehen zwei Wege: Der eine wäre beim jetzigen, gemieteten Gebäude das zweite Stockwerk auszubauen, damit Labor, mehr Platz für die Augenklinik und ein kleiner OP eingerichtet werden können.  Das wäre aber nur sinnvoll, wenn wir das Ziel für ein Krankenhaus erst einmal für Jahre zurückstellen müssen.
Viel besser wäre, das alte Krankenhaus zu erwerben und Stück für Stück umzubauen und zu erweitern.  Aber dazu müsste unsere vorherige Mission bereit sein, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen nach der schroffen Ablehnung vor einem halben Jahr.

Wir sind wieder guten Mutes, dass nach dem Reinfall mit der Gruppe von Ölfirmen jetzt wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist. Dank an alle, die uns auf dem Weg unterstützen. Wir wissen uns getragen. Das Wichtigste dabei ist, dass wir in kurzer Zeit die Mitarbeiter aus eigenen Einnahmen bezahlen können und Spenden von außen dann ausschließlich für den Ausbau verwendet werden können. Und es ist wieder einmal bezeichnend, dass Zeiten der Krise auch Zeiten für Chancen sind. In einer Zeit der leeren Kassen des Staates ist es wichtiger denn je, einen privaten medizinischen Dienst zu fairen Preisen anzubieten. Und dazu sind wir da!

Samstag, 19. März 2016

Warum sind unsere Pläne des Hospitalneubaus gescheitert?

Unsere Pläne sind seit Ende Januar endgültig gescheitert und auch wir fragen andauernd nach dem Warum. So nach und nach bekommen wir mit, was da so alles gelaufen ist.
    Die alte Teeplantage in Shell, genannt TeZulay, hat eine lange Geschichte. Als 1941/42 der Krieg mit Peru lief und Ecuador mehr als ein Drittel seines Staatsgebietes verlor, wurde mitten im 2. Weltkrieg ein Friede diktiert, der "Frieden von Rio de Janeiro in Brasilien". Letztlich war es ein von den USA diktiertes Ende des Krieges um Öl. In Ecuador agierte damals die niederländische Shell-Öl-Company, in Peru die US-amerikanische Caltex. Zu ihren Gunsten bekam Peru die riesigen Urwaldgebiete zugesprochen. Einer der wenigen, der seine Stimme gegen dieses Diktat erhob, war der damalige brasilianische Botschafter in Ecuador. Er verlor daraufhin seinen Posten, kehrte der Politik den Rücken und blieb in Ecuador. Zum Dank gab die damalige Regierung in Quito ihm die ca. 850 ha Land für eine Teeplantage.
Dieses Land ging durch mehrere Besitzer. Letztlich teilten sich 2 Amerikaner, ein Afrikaner und ein Schweizer das Land, bis der Teeanbau im Jahre 2000 zum Erliegen kam. Ein Kredit in der damaligen Bankenpleite brachte den Staat mit ins Spiel. Diese Schulden waren über die Jahre auf gut 1 Mio. Dollar angelaufen. Wer diese Schulden bezahlte, war Herr des Geländes. Unsere Ölgesellschaft wollte das Land kaufen, tat es aber letztlich doch nicht. Warum, darüber können wir nur spekulieren zur Zeit des drastischen Verfalls des internationalen Ölpreises.
Dann gab es Streit der Eigentümer. Einzelheiten kennen wir nicht. Der Schweizer, mit dem wir es als Geschäftsführer zu tun hatten, wurde abgesetzt. Ein neuer Geschäftsführer stellte sich vor, hatte aber auch nur kurze Zeit das Sagen. Seit September 2015 kam zusehends die Politik ins Spiel, allen voran Antonio Vargas ein Indianervertreter, der schon einmal in der Politik das Sagen hatte, als Präsident Mahuad gestürzt wurde und ein Triumvirat mit ihm als Teilnehmer für wenige Stunden ecuatorianischer Präsident war, bevor das Militär umschwenkte und denen das Vertrauen entzog.
Dieser Indianervertreter war Teil der Menschen, die mit uns den Beginn der Sprechstunde feierten. Damals kam der Erlaubnis gegen den Willen der Provinzbehörden im Gesundheitsministerium von oben. Wir erhielten die Erlaubnis als "Befehl des Staatspräsidenten Correa" und plötzlich spurten alle in der Provinz. Eine Woche später war alles unter Dach und Fach.
Dann wurde unser Hospitalbau vorbereitet. Viele Hektar Land wurden gerodet. Das weckte Begehrlichkeiten, denn eine Gruppe Menschen hatten bereits unter der Hand Baugrundstücke gekauft. Mit dieser Gruppe einigten wir uns, ihnen ca. 8 Ha Land abzugeben. Damit waren die zufrieden und ihr Widerstand gegen den Bau und die Pläne des Hospitales endeten in Güte. Die Grundstücke wurden eingeteilt und untereinander verlost. Als dann immer klarer wurde, dass die Ölgesellschafft offenbar doch nicht das Geld hatte, um die gute Million Dollar beider Zentralbank zu bezahlen, ging das Gerangel los.
Seit mehreren Wahlen hat die Partei des Staatspräsidenten Correas einen schweren Stand in der Provinz Pastaza. Das soll sich ändern. Wenn man Wahlgeschenke macht, werden solche Menschen seiner Partei dankbar sein. Also wird derzeit das gesamte Gelände der Teeplantage an Indianer verteilt. Auf "unserem" Gelände tummeln sich derzeit viele Indianer unterschiedlicher Stämme und bauen Hütten und mit Planen Unterkünfte auf "ihrem" Bauland, wobei bisher noch keiner offizielle Papiere in der Hand hat. Und schon beginnt der Streit untereinander, hier und da schon der Nachbarschaftskampf um die Grenzen, meist der verschiedenen Stämme untereinander. Wie das Ganze ausgeht, weiß derzeit keiner aber die Gerüchteküche blüht. Verständlich, dass wir uns da raus halten, zumal wir keine politische Macht noch genügend Geld besitzen, um da mitzumischen. Unsere Klinik wächst in aller Stille im gemieteten Haus langsam aber stetig.
Das ist ein kurzer Bericht der Hintergründe über die wir auch nicht Herr sind. Unsere Ankündigung des Neubaus und unser Pläne haben, ohne dass wir es wussten, Begehrlichkeiten geweckt, die keiner steuern konnte. Jetzt gilt es abzuwarten, bis sich der Sturm gelegt hat.

Donnerstag, 17. März 2016

Verkehrsprobleme in Quito - und eine weitere Lösung

Quito ist nicht die einzige Großstadt der Welt, die mit Verkehrsproblemen zu kämpfen hat. Kamen in den 60-er und 70-er Jahren des letzten Jahrhunderts tausende Menschen, um hier zu wohnen, wächst die Stadt seit dem Jahrtausendwechsel weniger durch Zuzug aus ländlichen Gebieten als durch eigenes Wachstum. Doch mit zunehmendem Wohlstand brauchen die Menschen mehr Wohnraum, also wächst die Stadt weiter an den Rändern. Und wer weit weg vom Arbeitsplatz wohnt, möchte auch sein Auto benutzen. Also bricht der Verkehr regelmäßig zu den Stoßzeiten zusammen. Die Stadt hat große Anstrengungen unternommen, die Staus zu entschärfen. Überall  werden Unter- und Überführungen gebaut und es hat sich vieles gebessert. Aber für die Berufspendler ist das nicht genug.
So ist seit langem ein umstrittenes Unternehmen in Gang, eine U-Bahn. Dadurch, dass Quito eine lange Stadt in einer Wanne des Pichincha ist, braucht es eigentlich nur eine lange  Bahn. Doch das ist nicht ungefährlich, verzeichnet die Stadt am Fuße des Vulkans Pichincha häufige Erdstöße. Wer garantiert, dass es bei einem wirklichen Erdbeben nicht zu Verwerfungen des Schachts oder gar zum Wassereinbruch kommt? Auf der anderen Seite wird die Metro dann aber auch viele Menschen schnell durch die Stadt bringen. Damit bleiben für die Busse nur noch die Ost-Westrouten, auf beiden Seiten der langestreckten Wanne in die Vororte hoch als Zubringer.
Ein weiteres Problem ist, dass es zu diesen Siedlungen oft sehr steil hoch geht. Busse haben da ihre Probleme. Sie verpesten die Luft in diesen Gebieten über 3000 m Meereshöhe. Deshalb hat der neue Oberbürgermeister von Quito schon zu seinem Amtsantritt ein weiteres Projekt angestoßen, das jetzt an einer Stelle im Norden Quitos erprobte werden soll: Eine Seilbahn.  An Gondeln sollen Menschen transportiert werden. Das verbessert die Luftqualität und kostet weniger Straßenbau. Das erste Teilstück wird nächsten Monat gebaut und geht über 4 km. Sollte es erfolgreich sein, werden weitere Strecken folgen. Zwei dieser Pläne sollen Quito mit den Vorstädten weiter unten im Tal verbinden, wo 400 m tiefer mehr und mehr Menschen wohnen. Die wenigen Straßen hoch zur Stadt sind an der Grenze der Kapazität und viel mehr lässt sich da nicht bauen. Eine Seilbahn mit Anschluss an die Metro würde den Berufspendlern bis zu einer Stunde Zeit ersparen.
Angefangen haben all die Pläne mit der Verlegung des Flughafens aus dem Zentrum Quitos 43 km weiter unten im Tal. Da kam das erste Mal der Plan auf, eine Seilbahn einzurichten, scheiterte aber an fehlenden Investoren. Wenn die Stadt das übernimmt, wäre die Chance größer, dass es läuft. Eine Seilbahn ist viel billiger als etwa ein U-Bahnbau, ist wesentlich weniger gefährdet etwa bei Erdbeben und weicht in eine Region der Stadt aus, die bisher nicht genutzt wurde - eine echte Alternative. Wir sind gespannt, ob es klappt, denn die Lobby der Automobilindustrie ist bei solchen Plänen am Ende doch oft stärker. Aber: Wenn die Not groß genug ist, haben auch neue Ideen eine Chance!

Mittwoch, 16. März 2016

Internationales Katz- und Mausspiel

Ecuador ist mit Deutschland seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden. Die Bundesrepublik engagiert sich in vielen Projekten, hauptsächlich in technischer Hilfe. In den letzten 8 Jahren sind an direkten Geldern fast eine Viertelmiliarde Euro nach Ecuador geflossen, von den Gehältern der GIZ einmal abgesehen. Die Unterstützung kommt zu 78% den Provinzen zugute, 22% gehen an die Zentralregierung. Über dreiviertel des Geldes fließt in den Umweltschutz und landwirtschaftliche Projekte mit dem Ziel der Nachhaltigkeit. Und die Projekte werden von Zeit zu Zeit überprüft. So stieg die Hilfe für Ecuador bis zum Jahr 2011. Seitdem geht sie drastisch zurück auf ganze 58 Mio. Euro im Jahre 2015. Denn es gibt einen wunden Punkt der hiesigen Regierung, auf den die Deutschen den Finger legen und dort reagiert Ecuador ganz besonders gereizt: Der Yasuninationalpark.
Im Dezember 2007 trat Präsident Correa auf die Welt zu mit dem Plan, gegen Zahlung internationaler Geldgeber die Ölreserven des Yasuniparks nicht anzuzapfen. Viele Staaten wollten sich beteiligen und auch Deutschland zahlte damals erst Gelder an Ecuador. Doch dann bröckelte das Vertrauen in die Regierung Ecuadors. Die Garantien waren zu schwach. Mehr und mehr Staaten zogen sich aus dem UNO-Projekt zurück, unter ihnen Deutschland. Dafür sollte eine Abordnung des Bundestages sich vor Ort über die Einzelheiten ein Bild machen. Sie kamen ins Land, durften aber den Yasunipark nicht besuchen. Das führt im Dezember 2014 zu massiven Verstimmungen beider Staaten. Doch der Dialog ging weiter, Deutschland zahlte weiter für angefangene Projekte, aber die Spannungen wuchsen. Teil davon war die Schließung der Büros der Adenauerstiftung, denen Ecuador das Vertrauen und damit die Anwesenheitsberechtigung entzog.
Nach dem Besuch Präsident Correas bei Kanzlerin Merkel in Berlin im April 2013 sprach man wieder miteinander. Deutschland zahlte weiter für die laufenden Projekte und wieder machte sich eine Delegation des Dt. Bundestages auf den Weg, um Projekte in Guatemala und Kolumbien zu besuchen. Diese Reise sollte auch Ecuador gelten. Berlin gab den Reiseplan am 11. Januar 2016 bekannt und die Delegation flog los. Am 29 Februar, 4 Tage vor der Ankunft in Quito gab die hiesige Regierung den Reiseplan bekannt, den Yasunipark ausgeschlossen. Die Argumente Ecuadors sind immer die gleichen: Ein unabhängiger Staat braucht keine Supervision zu dulden! und "Keiner darf den anderen in innenpolitischen Angelegenheiten kontrollieren!" Von deutscher Seite kam natürlich die Anfrage: "Was verbirgt Ecuador im Yasunipark?"  "Wovor hat das Land denn Angst?"
Jetzt ist das gegenseitige Vertrauen am Tiefpunkt. Dennoch ist der Gesprächsfaden nicht zerrissen, aber bis Vertrauen wieder aufgebaut ist, bedarf es mehr als eines neuen Außenministers Ecuadors. Unser Land ist wie jeder autoritär geführte Staat sehr empfindlich. Was im Yasunipark wirklich gemacht wird, und ob die Zusagen, nur 1% der Fläche des Parks für die Ölförderung zu nutzen, eingehalten werden, kann keiner sagen. Selbst für die einheimische Presse gibt es keinen Zugang. So bleiben weiter große Zweifel am heilen Bild der unberührten Natur.