Montag, 25. April 2011

Die Welt rückt zusammen

Amerika ist derzeit der Kontinent mit den wenigsten Problemen. Wir haben keine großen Flüchlingsströme zu bewältigen, keine nennenswerten Kriege zu verzeichnen. Die Wirtschaft der meisten Staaten wächst, der Tourismus blüht. Man könnte zufrieden sein. Doch der Schein trügt, wie vorletzte Woche deutlich wurde, als 66 Personen aus dem Nahen und Mittleren Osten in Quito festgenommen wurden. Auf einmal wird deutlich, dass der Frieden in Ecuador schamlos ausgenutzt wurde. Da ist zunächst die Drogenmafia - eigentlich nichts Neues. Wir wissen, dass der Großteil der Drogen nach Nordamerika gehen, der Löwenanteil über Zentralamerika und Mexiko in die USA und ein wenig auch nach Kanada. Ein kleinerer Teil nimmt den Weg über Florida. Doch der nordamerikanische Markt boomt nicht mehr so. Zunehmend ist Europa Abnehmer der Ware. Die geht per Schiff direkt nach Europa aber auch zunehmend über Westafrika, neuerdings auch über den Umweg Südafrika. Was viele Jahre vorher mit Drogenkurieren angefangen hat in verschluckten Kapseln im Darm oder im Koffer mit doppeltem Boden per Flugzeug transportiert, läuft heute in großen Mengen über Schiffe, was dann am Zielort auf kleine Fischerboote verladen wird. Sogar kleine U-Boote sind im Einsatz, die große Flüsse hinauffahren können, also Grenzlinien ungesehen durchfahren.
Seit einigen Jahren öffnet sich ein neuer Markt. Und der fängt genauso wie früher der Transport per Reisende an: Wiederholt wurden auf den Flughäfen Ecuadors oder den Ankunftshäfen im Mittlerer Osten Drogenkuriere, Mulas genannt, mit über 10 kg Kokain festgenommen. Neu dabei ist, dass diese manchmal mit militanten Gruppierungen wie der Hisbolla im Libanon in Verbindung stehen. Bei der letzten Gruppe Verhafteter waren angeblich sogar per Interpol gesuchte 6 El Kaida Mitarbeiter dabei, die sofort und stillschweigend an die USA ausgeliefert wurden. Aber darüber wird hier nicht so richtig klar berichtet. Die Regierung, in ihren derzeitigen Problemen mit der nordamerikanischen Regierung will hier kein großes Aufhebens machen.
Die neue Verfassung Ecuadors hat viele Gefangene vorzeitige Hafterleichterung gebracht. Die "Mulas", die Drogenkuriere, die oft relativ leichtsinnig auf solche gewinnbringenden Geschäfte reingefallen sind, wurden statt mit 8 Jahren Gefängnis oft schon nach 2 Jahren freigelassen. Von 2300 Freigelassenen sind 160 rückfällig geworden. Das sind aber nicht die internationalen Gefangenen, die vorzeitig abgeschoben wurden. Es ist der Markt, der sich verschiebt und es ist eine Frage der Zeit, wann U - Boot mit Kokain auch in der arabischen Welt landen. Die neue Freiheit in einigen dieser Länder macht es möglich, auch "modern" zu leben. Die Verbindung zu terroristischen Gruppierungen bereitet Ecuador allerdings Sorgen, denn auch die Produktion verlagert sich. Der Anteil Kolumbiens beim Kokain ging auf ca. 42 % zurück. Peru wird derzeit als Anbauungsstandort für Coca wichtiger (ca 38%). Bolivien ebenfalls (ca 20%). Ecuador ist als Anbauland unwichtig, aber Durchgangsstation, ob aus Süden, ob aus Norden. Wer wird demnächst Einfluss in Ecuador suchen? Lateinamerika kann sich der internationalen Einbindung nicht entziehen. Die Insel der Seeligen oder Unschuldigen gibt es schon lange nicht mehr auf unserem Planeten.

Samstag, 16. April 2011

Der Mais

Derzeit ist in den meisten Teilen Ecuadors de Maisernte in vollem Gang, pünktlich zur Karwoche, wo es traditionsgemäß die FANESCA zu essen gibt, eine dickflüssige Suppe aus 12 Körnern; die mit gesalzenem Trockenfisch serviert wird. Um diese Fanesca zu kochen braucht man so viele Zutaten, dass es sich nicht lohnt, für eine einzelne Familie zu kochen. Diese Suppe wird in großen Töpfen zubereitet und man lädt dazu eine große Schar ein. Fanesca ist ein Gemeinschaftserlebnis. Der Mais ist darin das Zentrum, weil wir für die Fanesca verschiedenen Maissorten brauchen.
Amerika ist die Heimat des Mais, den es natürlich mittlerweile in aller Welt gibt. In Ecuador kennen wir derzeit mehrere Maissorten. Da ist der MIZHCA in relativ unangeordnete Kornfolge. Dieser Mais wächst im Hochland von über 2000 m Höhe. Er wird heutzutage, wenn er reif ist, zu Mehl und Tierfutter verarbeitet. Was früher geerntet wird, geht als CHOCLO auf den Markt, Maiskolben, die gekocht mit Salz und Käse gegessen werden, aber auch geröstet am Straßenrand angeboten werden.
Der ZHIMA wächst mehr im Süden des Hochlandes,. wo es trockener, aber wärmer ist. Man lässt ihn selten ganz reif werden. Diesen fast weißen Mais isst man wie in Deutschland Nudeln oder Kartoffeln zu den typischen Speisen. Dann gibt es den GUAGAL, der nur in feuchten Gebieten um den Chimborazo herum wächst, ein weißer Mais mit besonders großen Körnern. Er ist gut für die Herstellung von Maismehl. Die Sorte BLANCO BANDITO ist etwas kleiner, wächst aber mehr in höheren Regionen des Hochlandes. CHAUCHO ist die Maissorte, die mehr im Norden an der kalten kolumbianischen Grenze gedeiht. Diese Maissorte hat rötliche mit weißen Körnern gemischt, die aber streng in Reihen angeordnet sind.
Dann geht es über zum farbigen Mais. Iniap 555i ist ein Hybrid mit rötlichen und kleinen Körnern. Er eignet sich als Tierfutter, weil er nicht geschrotet werden muss. Und da ist der viel seltenere RACIMO DE UVA, zu Deutsch "Weintraube", eine blaue Maissorte, die selten gegessen wird. Sie wird fast ausschließlich exportiert und dient zur Färbung von Textilien. Dieser Mais wird an manchen Orten des Landes zur Herstellung der Colada Morada benutzt, einem leckeren süßen, dickflüssigen Getränk in der Zeit um Anfang November an Allerheiligen. In den Märkten ist er ansonsten fast nie anzutreffen.
Diese Auswahl ist nur ein Teil der Maissorten Ecuadors. Da wäre der MOROCHO und die vielen anderen Maissorten des Tieflandes zu erwähnen. Aber bei allem Mais im Essen in Ecuador: 80% der Ernte von reifem Mais landen im Vogelfutter zu allermeist für die Hühnerfarmen. 15% dient den Krabben als Nahrung, denn Ecuador ist der Welt zweitgrößter Krabben Exporteur. Und die letzten 5% sind Rinder-Kraft-Futter bestimmt.
Und es bewahrheitet sich wieder einmal die moderne Tendenz für landwirtschaftliche Produkte. Die meisten Pflanzenprodukte landen letztlich in unserem Fleisch, manchmal auch im Sprit fürs Autos. Direkt essen wir meist nur noch die Leckerbissen der Landwirtschaft.

Sonntag, 10. April 2011

Eiszeit zwischen USA und Ecuador

Wikileaks hat wieder einmal zugeschlagen und seitdem sind die diplomatischen Beziehung Ecuadors zu den USA eingefroren. Die us-amerikanische Botschafterin in Quito, Heather Hodges wurde zu "persona non grata" erklärt und aufgefordert, das Land zu verlassen. Das war wie ein Paukenschlag. Die spanische Zeitung EL PAÍS hatte eine Meldung von Wikileaks veröffentlicht, in der eine Depesche der us-amerikanischen Botschaft an die Zentrale in Washington abgefangen wurde. Dort soll die Botschaft den ehemaligen Polizeigeneral in Quito als korrupt bezeichnet haben. Staatspräsident Correa wüsste davon, duldete aber einen korrupten Polizeichef, den er dann besser manipulieren könne. Nicht Ecuador hat die Meldung bei Wikileaks entdeckt, sondern eine ausländische Zeitung. Daraufhin wurde die Botschafterin zum ecuatorianischen Kanzel bestellt. Dort nahm sie kein Wort zurück, sondern sagte nur, dass sie sich zu gestohlenen Meldung nicht äußern würde. Das war der Regierung nicht genug und sie wurde aufgefordert, das Land zu verlassen.
Interessant waren die Einzelheiten der hohen Diplomatie: Ecuador reagierte auf einen Zeitungsmeldung und wartete auf eine Entschuldigung oder Berichtigung. Die kam nicht. Also ist die Depesche wohl richtig. Andererseits wird der Botschafterin Datum der Abreise vorgeschrieben und ausdrücklich erwähnt, dass es sich um eine persönliche Angelegenheit handelt, die die Beziehungen zu den USA nicht stören soll. Doch in Wirklichkeit sind die Beziehungen zu den USA schon lange nicht mehr gut und jetzt auf dem absoluten Nullpunkt.
Mit der Regierung Correa wurde die US-Militärbase zur Aufklärung der Drogentransporte geschlossen. Die USA arbeiten jetzt verstärkt in Kolumbien. Dann hat Kolumbien ein Lager der Untergrundorganisation FARC 3 km auf ecuatorianischem Boden angegriffen und die Rebellen samt ihrem Chef getötet. Die Ortung erfolgte mit Hilfe der USA. Es führte zu einen tiefen Verstimmung zwischen Kolumbien und Ecuador, die heute noch nicht überwunden sind. Die USA helfen Ecuador seit Jahren bei der Ausbildung der Militärs und Polizei. Deswegen haben sie auch interne Einblicke in deren Strukturen. Das ist der Regierung nicht recht. Da sind sicher auch Personalentscheidungen getroffen worden, die wiederum die USA stören.
Man fragt sich jetzt, warum Ecuador so hart auf eine nicht offizielle Meldung reagiert. Viele Stimmen auch aus der eigenen Partei des Präsidenten weisen auf vielen andere Meldungen von Wikileaks über Politiker aus Lateinamerika hin, die jedermann im Internet nachlesen kann und die solche Politiker noch ganz anders persönlich diffamieren und doch gab es keine diplomatischen Aktionen. Die einzige Erklärung ist, dass die Regierung übersensibel und diplomatisch unerfahren ist. Sie hat am nächsten Tag reagiert und ohne eine klare Taktik. Einen Streit gleich auf der höchsten Ebene auszufechten, gibt dann keine Möglichkeit für geeignete Maßnahmen. Der Streit ist längst keine Kleinigkeit zwischen Ecuador und einer Frau, die zufällig Botschafterin ist. Es ist ein Streit mit dem wichtigsten wirtschaftlichen Partner. Und da sollte man vorsichtig sein. Ich sehe bei Ecuadors Regierung eine ähnliche Haltung wie bei Hugo Chavez in Ecuador. Ist er persönlich beleidigt worden, lässt er Militär an der Grenze zu Kolumbien auffahren und droht mit einem Militärschlag. Der Verlierer ist er dann selbst. Ecuador ist mit solchen Maßnahmen auf dem besten Weg zur selbst gewählten Isolierung.