Mittwoch, 25. März 2015

Die Entscheidung ist gefallen

Es sind fast 2 Jahre vergangen, seit wir wissen, dass das Hospital Vozandes del Oriente in Shell geschlossen wurde Fast 2 Jahre haben wir gewartet und die Menschen vertröstet. Jetzt ist das Gegenteil geschehen. Es drängt die Zeit.
Die Ölgesellschaft, die uns im Oktober im Stich gelassen hat, ist nach eigenen Aussagen 4 1/2 Monate mit Straßen - und Wegebau im Yasunipark beschäftigt gewesen. Auf Präsidentenerlass wurden alle anderen Arbeiten erst Mal verschoben und dort die Erdölförderung vorbereitet. Jetzt haben sie nach getaner Arbeit wohl ihr Geld bekommen mit der Weisung, das in ein Hospital ihrer Wahl zu investieren. Derzeit sind es wohl eine knappe Million Dollar.
Heute war Sitzung im Gesundheitsministerium und man gab ihnen 30 Tage Zeit, um mit einem Neubau zu beginnen.  Und wir als zukünftig Trägerorganisation müssen unseren Arbeitsplan vorlegen. Geplant ist ein 50 Betten Hospital mit 8 Facharztrichtungen.
Die Baupläne sind bereits gemacht und staatlich akzeptiert. Darum müssen wir uns nicht kümmern. Manches wird anders sein als wir es gedacht haben, aber sicher sinnvoll. An Einzelheiten müssen wir noch feilen. Sicher sind Änderungen nötig, aber dazu brauchen wir erst die genauen Blaupausen.
Das staatliche Krankenhaussystem will uns nun seinen Stempel aufdrücken, in denen Fachärzte das Geschehen bestimmen. Das wollen wir ändern. Allgemeinmedizin soll im Mittelpunkt stehen, weil sie einfach kostengünstiger ist und den Patienten ganzheitlich sieht. Die Fachärzte sollen dazukommen wenn immer nötig. Außer bei wirklichen Notfällen werden sie konsiliarisch dazu gebeten werden.
Beispiel: Eine Geburt: Der Gynäkologe will natürlich Geld verdienen und ein Kaiserschnitt bringt mehr Geld als stundenlang auf eine natürliche Geburt zu warten. So steigt die Rate der Kaiserschnitte in privaten Hospitälern in den großen Städten auf über 80%. Die anderen 20% sind Frauen, die einen Kaiserschnitt ablehnen oder das Kind kommt, bevor der Arzt erscheint.
Ähnliches erleben wir in der Unfallchirurgie, wo Unterarmfrakturen bei Kindern und Jugendlichen oft operiert werden, was gar nicht notwendig ist.

Und noch etwas enthält der Plan nicht: eine Kapelle.
Für uns ist klar, dass sie integriert werden und der erste Teil der Bauarbeiten sein muss. Wir wollen Gott in den Mittelpunkt stellen und ein missionarisches Hospital sein.
Jetzt geht alles ganz schnell. Wir beginnen diese Zeit mit einem Tag des Fastens und Betens, damit wir uns nicht durch die Ereignisse überrollen lassen. Dank für alle Begleitung!

Donnerstag, 12. März 2015

Kulturmischung in Quito

Seit kurz vor der Jahrtausendwende erleben wir starke Verschiebungen in der ecuatorianischen Bevölkerung, vor allem abzulesen in den großen Städten. Damals befand sich der Flughafen Quitos noch mitten in der Stadt und es hingen Trauben von Menschen am Flughafenzaun, um ihren Familienmitgliedern "Auf Wiedersehen" zuzurufen auf dem Weg nach Spanien und Italien, denn dort gab es Arbeit. Es waren häufig Menschen aus dem trockenen südlichen Hochland. Die Landwirtschaft dort lohnte sich nicht mehr. Menschen suchten ihr Heil anderswo, lebten dort unter primitivsten Bedingungen, schufteten hart. Viele Ehen und Familien zerbrachen, aber es wurde Geld in die Heimat geschickt und dort für die Zukunft schicke Häuser auf der grünen Wiese gebaut. Dieser Traum zumindest in Spanien ist längst zu ende geträumt und viele kamen und kommen wieder zurück.
Inzwischen boomt die hiesige Wirtschaft, vor allem auf dem Baumarkt. Also gibt es Arbeit. Überall in Quito und anderswo schießen Hochhäuser in die Höhe. Experten sagen, dass diese Blase bald platzen wird.
Und immer noch aktuell sind die Auswanderungen von Ecuatorianer in illegaler Weise mit Schlepperbanden Richtung Mexiko und den USA. Immer wieder hören wir von Ermordungen auf dem Weg, Ausrauben und schließlich Deportierung nach Hause.

Seit vielen Jahren sind es die Kolumbianer, die hier Geschäfte betreiben. Grund ist, dass viele Kolumbianer geschäftstüchtiger sind. Dazu kommt die Guerilla in der Heimat, die viele in ruhigere Gegenden vertrieben hat.
Die nächste Welle waren und sind die Kubaner. Sie dürfen seit einiger Zeit legal ausreisen und kommen in Scharen. Da sind die Ärzte, die der Staat eingestellt aus Mangel an eigenen Medizinern und bezahlt dafür viel Geld an Kuba. Aber auch Ärzte und andere Akademiker verlassen die Insel Richtung Ecuador, da sie hier wesentlich mehr verdienen und weniger Beschränkungen zu beachten haben.
Seit kurzem sind es die Venezolaner, die nach Ecuador reisen, manche unter dem Vorwand als Touristen und bleiben dann hier. Allein in Quito sind ca. 10.000 Menschen von dort sesshaft geworden. Neben kolumbianischen Restaurants und kubanischen kommt jetzt die venezolanische Küche in Quito in Mode. Es entstehen Kulturinseln, wo sich die jeweiligen Landsleute treffen und austauschen. Es sind zumeist gut ausgebildete Kräfte, die hier eine eigene Firma aufbauen.
Von den Touristen, die nach Ecuador kommen, steht Kolumbien an erster Stelle mit rund einem Viertel, gefolgt von den USA mit 17%, Peru mit 11 % und Venezuela mit knapp 8%. Aber Venezolaner bleiben derzeit am häufigsten hier.
Grund sind die wirtschaftlichen Verhältnisse dort. Manchen sind Ölarbeiter, die jahrelange Erfahrung besitzen und hier neue Möglichkeiten suchen, besonders nach 2003, als in der staatlichen Ölgesellschaft Venezuelas gestreikt wurde und danach 19.000 Techniker und Ingenieuren gekündigt wurde.
Aber auch die hiesigen Universitäten verzeichnen einen leichten Anstieg von Studenten aus dieser Karibikregion.
Es ist nicht in erster Linie das Geld, das Venezolaner vertreibt. Es ist in erster Linie die Unsicherheit zu hause, die einem Geschäft schadet. Was sind die nächsten Beschränkungen des Marktes? Wo schlägt die dortige Regierung jetzt wieder mit Restriktionen zu? Und dann ist es die Kriminalität, die derzeit besonders in den Städten Venezuelas schlimm sein muss.
Ecuador ist ein sozialistischer Bruderstaat mit guten Beziehungen zu Kuba und Venezuela. Also kommen sie und viele bleiben, was in manchen Stadtteilen schon zu Konflikten mit der dortigen Bevölkerung führt. Auch Ecuatorianer werden dann neidisch. Doch zu wirklich kritischen Konzentrationen der "Ausländer" ist es noch nicht gekommen. Aber es könnte in Zukunft geschehen. Denn auch wenn wir sie alle angeblich die gleiche Sprache sprechen, die Unterschiede in der Kultur und Sprache sind größer als man es von Europa aus meinen könnte.

Mittwoch, 11. März 2015

Die Preise steigen

Dass der ecuatorianische Staat Geld braucht, ist kein Geheimnis, ist doch der internationale Ölpreis erst einmal im Keller mit wenig Aussicht auf kurzfristige Besserung. Also sucht man nach Auswegen. In typisch sozialistischer Manier werden deswegen jetzt die Einfuhrzölle teilweise drastisch erhöht. Ab jetzt gelten Zusatzzölle für fast 3000 Artikel von bis zu 45 %. Manche Artikel werden dadurch mit bis zu 90 % insgesamt belastet.
Das sind in erster Linie Fleisch, Früchte, Wein, Bier und Schnäpse, dann Werkzeuge, Herde, Kühlschränke und Teppiche aber auch Baumaterialien wie Kacheln und Keramikartikeln.
Die offizielle Begründung ist der Schutz der eigenen Wirtschaft, denn das meiste stellt das Land selbst her, also soll das geschützt werden. Der wahre Grund ist aber, dass der Staat höhere Einnahmen für seine ehrgeizigen Projekte benötigt. Denn noch mehr Schulden sind schwierig zu erhalten. Mit China sind wir bereits bis an der Schmerzgrenze verschuldet. Das andere Ausland, besonders Nordamerika und Europa hat aufgrund der politischen Differenzen, den Geldhahn schon lange zugedreht.
Was wir jetzt erleben ist eine typische neue Etappe in sozialistischen Regimen:
2007 kam es zu einem enthusiastischen Neuanfang. Der gesamte Staat einschließlich der Verfassung wurde geändert. Große Projekte wie Straßenbau und Kraftwerke zeigten Erfolge.  Der Staat regelte und kontrollierte nach und nach alle Bereiche des Lebens. Vieles davon war notwendig und begrüßenswert. Dann aber merkten wir, wie mit zweierlei Maß gemessen wurde. Für staatliche Behörden und Dienstleistungen wurden die strengen Regeln mit vielen internen Ausnahmen geduldet.
Jetzt soll angeblich die einheimische Wirtschaft in vielen Bereichen geschützt werden. Also werden Importe teurer. Das wird aber mehrere negative Effekte auslösen, denn nun werden auch die einheimischen Produkte teurer werden. Die nutzen den Effekt sicher aus. Also wird sich das Leben insgesamt verteuern. Im Gegenzug muss der Staat jetzt einzelne Geschäfte kontrollieren, warum die Preise wirklich steigen. Solche Kontrollen wurden von Anfang an angekündigt.
Und die Praxis solcher Schutzzölle zeigt in aller Welt, dass sie der einheimischen Wirtschaft nur in Ausnahmen helfen. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Nur wer gute Qualität produziert und das zu einem konkurrenzfähigen Preis, kann auf Dauer bestehen. Die jetzigen Schutzzölle werden also auf Dauer eher ein Schuss nach hinten sein.
Und schon jetzt protestieren unsere Nachbarn. Peru wird sein Fleisch und sein Gemüse nicht mehr bei uns los, Chile wird weniger Äpfel und Trauben liefern. Das führt zu Spannungen.
Dass diese Maßnahmen, wie beschlossen auf 15 Monate begrenzt sein sollen, ist ebenfalls fraglich. Denn wenn erst einmal mehr Geld in die Staatskasse gespült wird, man spricht von bis zu 8,5 Mrd. Dollar, wird wohl den Durst des Finanzamtes eher erhöhen als stillen.

Samstag, 7. März 2015

Ein anderer Geist

Unsere Zeit der Operationen der behinderten Kinder, meist durch frühkindlichen Gehirnschaden, ist beendet. Wir haben wieder Mal 25 Kinder in zwei Wochen operiert, bei 70 anderen den nichtoperativen Therapieplan festgelegt. 6 Personen aus St. Paul, Minnessota, 4 aus Chile, 2 aus Brasilien und 4 aus Ecuador waren versammelt und haben wie ein Team zusammen gearbeitet. Es sind neue Freundschaften entstanden und neu gefestigt worden. Vor allem haben mehr Ecuatorianer das Behandlungskonzept verstanden. Der Plan ist, die Kinder in ihrer Entwicklung so wenig wie möglich zu operieren, sondern wegen der Spastik die Fehlentwicklung des Skelettes vorauszusehen und entsprechend rechtzeitig in richtige Bahnen zu lenken. Es geht nicht um eine Op jedes Jahr, sondern so wenig wie möglich zur richtigen Zeit der körperlichen Reife.
Dieses Konzept, das weltweit Schule gemacht hat, wurde von Dr. James Gage entwickelt. Er hat es zu uns gebracht. Letztes Jahr konnten wir aus missionsinternen Gründen das Programm nicht abhalten. Jetzt wurde es mit der Genehmigung der Gesundheitsministerin wieder eröffnet. Die Ärzte aus dem Ausland kamen wieder und wir haben neue Wege beschritten. 
Dieses Jahr haben wir 3 neue ecuatorianische Ärzte in das Team integriert, die aus verschieden Städten des Landes mit dabei waren. Zwei Wege überzeugte. Der eine die Qualität der Operationen, die sie erstaunt hat. Aber genauso wichtig sind die Freundschaften, die entstanden sind.  Denn an den Abenden nach den Operationen saßen wir bei einer Flasche chilenischem Rotwein zusammen, um über die "wissenschaftlichen und menschlichen" Probleme dieser Patienten und Angehörigen zu sprechen. Einige unserer Mitarbeiter sind aus Chile. Auch sie haben das gleiche Problem, neue Mitarbeiter zu überzeugen. Also kommen die auch mit zu uns. Zwischendurch gab es einen Samstag beste wissenschaftlichen Vorträge und Fallbesprechungen, die wir nächstes Jahr in eine Universität verlegen werden.
Patienten kamen genug, wie immer auch aus dem Ausland, aus Chile und dem Norden Perus. Während die Behinderten aus Ecuador meist staatliche Versorgung haben, müssen Patienten aus dem Ausland selbst bezahlen.  Und da scheiden sich die Geister.
Das Personal im Hospital Vozandes ist begeistert und mit ganzem Herzen bei diesem Programm. Wir dürfen einen Operationssaal für diese Tage für uns belegen. Kurzfristige Änderungen im Programmablauf waren nie ein Problem. Die Anästhesie machte bereitwillig mit, andere Überstunden, wenn wir nicht rechtzeitig fertig wurden. Die Pastoren besuchten die Patienten und Angehörigen auf Station, um ihnen die richtige Begleitung zu geben, denn viele Elternehen solcher Kinder werden wegen die besonderen Belastung geschieden. Es ging ein Ruck durchs Krankenhaus. Es wuchs ein Team wieder zusammen.
Doch die Kehrseite der Medaille war die finanzielle Verwaltung. Seit einigen Monaten ist das Hospital unter nationaler Verwaltung. Ein Hilfsfond für arme Patienten wurde erst einmal bis auf Weiteres abgeschafft. Selbst eine junge Patienten, die sozial versichert ist, wurde abgelehnt, weil sie selbst mehr bezahlen kann als die Sozialversicherung dem Hospital bringen würde. Sie hat eine einseitige Beckenumstellung, die es sonst in diesem Land nicht gibt, aus eigener Tasche bezahlt. Für die armen Patienten bezahlen wir aus eigener Tasche, aber auch da gab es Ärger. Geld oder Entlassung! Selbst da müssen wir persönlich bürgen und in diesem Moment unterschreiben. Man ist mit uns als Exmissionaren noch "großzügig".
Im Gegensatz zu früher ist es erniedrigend. Das Vertrauen ist hin.
Der Geist der Hilfe und des sozialen Engagements ist unter einheimischer Leitung aus diesem Missionskrankenhaus verschwunden. Den vielen Mitarbeitern auf Station, den Pastoren, dem OP-Team etc. etc. geht es ähnlich. Auch sie wissen um diese Änderung. Es scheint nur noch das Geld zu zählen.  Die Vorbesprechungen waren anders. Zwischendurch wurden die Regeln geändert. Es tut einfach nur weh. Wir hoffen dennoch, dass wir nächstes Jahr wiederkommen dürfen.
20 Jahre ist dieses Programm nun alt. In dem Moment, in dem endlich nationale Ärzte anbeißen und begeistert sind, merken wir, das der Geist der Missionare von einst das Gebäude verlassen haben.