Montag, 9. Mai 2011

Wahlkrimi in Ecuador

Bis diese Nachrichten Sie erreichen, dürften wir in Ecuador schon etwas schlauer sein. Aber die offizielle Zählung läuft noch. Der Volksentscheid steht auf des Messers Schneide. Präsident Rafael Correa hat wieder einmal das Volk an die Urnen beordert, denn in Ecuador herrscht Wahlpflicht. Was er im Parlamente nicht durchbekam, sollte nun das Volk absegnen. 10 wichtige Fragen zur Justizreform, Pressefreiheit, Verbot von Spielkasinos sowie Stier - und Hahnenkampf... ein bunt gewürfeltes Programm. Dabei hatte Correa schon im Vorfeld viele Verbündete verloren. Verschiedene wichtige Mitglieder seiner eigenen Partei sind auf die Seite der Gegner übergegangen. Sein eigener Bruder lief mit einem T-Shirt mit der Aufschrift: "Diesmal NEIN, lieber Bruder!" vor laufende Kameras. Seit ca. 6 Wochen ruhte jegliche politische Aktivität, war Wahlkampf angesagt. Rein "zufällig" wurden die Gehälter der Militärs und Polizei 2 Tage vor der Wahl um 10% angehoben. Beide Gruppen dürfen seit der neuen Verfassung nun auch wählen. Correa war in den Tagen vor der Wahl täglich eine Stunde über Radio zu hören.
Und dann kam der Wahltag. Die Regierung hatte für $ 350 000,- "exit poll" engagiert, eine Meinungsforschungsinstitut, das ihnen eine Stunde nach der Wahl das endgültige Ergebnis auf 3% Genauigkeit versprach. Und so kamen die ersten Ergebnisse. Die Regierungspartei hatte demzufolge mit ihrem JA zwischen 61 und 64% gewonnen. Der Präsident sonnte sich im Erfolg und ließ sich kleine Seitenhiebe auf die Gegner nicht nehmen. Es wurde gefeiert. Wieder ein Sieg für den überaus erfolgreichen Rafael Correa!

Doch bei 10 verschieden Fragen dauert das Gesamtergebnis einige Zeit. Die staatliche Wahlkommission zählt weiter jeden einzelnen Stimmbezirk nach und das Ergebnis kann man im Internet nachlesen. Es ändert sich stündlich. Ecuador hat 24 Provinzen. Die Hälfte davon hat mehrheitlich NEIN gestimmt, bei der anderen Hälfte scheint das JA zu siegen, doch in kaum einer Frage wird die 50 % Zustimmung auf Landesebene erreicht. Dazu muss man das hiesige Wahlrecht ein wenig näher erläutern. Normalerweise werden Personen gewählt. Daneben gibt es aber die Möglichkeit, seinen Stimmzettel ohne Ankreuzen abzugeben, sogenannte weiße Stimmen. Sie werden normalerweise nachträglich dem Sieger zugeschrieben. Dieses Mal aber nicht. Und dann noch die ungültigen Stimmen. Bei der jetzigen Abstimmung machen weiße und ungültige Stimmen zusammen bis zu 15% aus, so dass zwischen den JA - und NEIN - Stimmen oft eine große Lücke klafft.
Nach Auszählung von über 40% der gesamten Stimmen zeigt sich folgendes Bild: Die Küste und Quito sowie der Norden der Sierra, also die bevölkerungsreichsten Provinzen stimmen für die Regierung. Der Großteil der Indios des Hochlandes und der geschlossene Oriente, das östliche Tiefland, sind dagegen. Das JA wird gewinnen, darüber sind sich alle im Klaren, aber es wird ein JA mit viel weniger als der Hälfte der Stimmen der Bevölkerung sein.
Für Präsident Correa ist das ein Wahlschlappe. Das wird sich auch das Parlament stärken. Die befürchtete Alleinherrschaft mit großen Mehrheiten und die befürchtete Diktatur durch die neue Machtbefugnis sind nicht zu erwarten. Über die Konsequenzen können wir nur spekulieren, aber die Zeit der großen Töne und verbale Verhöhnung der Gegner dürfte dem Populisten jetzt schwerer fallen.

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