Montag, 30. Mai 2016

Der große Tag

Heute war Einweihung und die Behandlung der ersten Patienten im Hospital, obwohl wir noch keine offizielle Erlaubnis haben. Die kommt hoffentlich morgen. Alle Mitarbeiter waren anwesend. Der Pastor, der damals die Abschiedspredigt hielt, als wir im Dezember 2013 schlossen, hatte uns damals schon die Rückkehr prophezeit. Heute hat er wieder die Ansprache gehalten. Viele alte Freunde, die uns seit Jahren begleiten, haben mit Kuchen und Getränken ihren Beitrag zum Fest eingebracht. Wir haben gesungen, gebetet und Gott für den Neuanfang gedankt. Und danach fanden sich viele Patienten ein.
Aber wir haben auch gemerkt, was uns da noch alles fehlt. So haben wir den Rest des Tages gebraucht, Schilder anzubringen und die Einzelheiten für die morgige Kontrolle des Gesundheitsministeriums vorzubereiten.
Andererseits laufen im Radio und lokalen Fernsehen unsere Werbespots einen Monat lang, geben wir Interviews in anderen Sendungen. Aber das Wichtigste sind unsere zufriedenen Patienten selbst.
Als Leiter des Team merken wir mehr und mehr, wieviel Arbeit frühere Hospitalleiter in die Organisation gesteckt haben, bis so ein Laden läuft, denn auch Mitarbeiter können sich in die Wolle kriegen, besonders in dieser Stresssituation. Und wieviel Genehmigungen es braucht, bis alle staatlichen Stellen zufrieden sind. Nun es gilt auch, die medizinischen Standards festzulegen. Was bieten wir an, was nicht. Wir kommen aus so verschiedenen medizinischen Schulen, dass wir nun zusammen eine Einheit bilden müssen, was nicht immer leicht ist. All das muss jetzt in internen Normen schriftlich fixiert werden.
So ist der große Tag eine Tag des Innehaltens und Dankens, aber es ist auch der Beginn einer neuen Dimension der Arbeit, wenn wir besser sein wollen als andere. Und Einheit im Team ist oft viel schwerer zu erreichen als hochgesteckte äußere Ziele. Wir wollen weiter wachsen, nach innen wie nach außen.

Freitag, 27. Mai 2016

Wir sind umgezogen

bei Regen. Als wir damit fertig waren kam die Sonne raus - so ist ShellÜberall wurde gebohrt, geputzt und geordnet.Es waren so viele Helfer vor Ort, dass die Umzug in 1 1/2 Std vonstatten ging. Und weil es so schnell ging, hatte mancher hinterher Not seine Sachen wieder zu finden. Aber es war ein Umzugsfest. Andere versorgten und mit Essen und Getränken. Jetzt ist nur noch der Techniker am Werk, der die Computer anschließt und einstellt. Jetzt kann es weiter gehen und ein erweitertes Team muss wieder neu zusammen wachsen.
Andacht mit vielleicht der halben Mannschaft vor dem Umzug
Beide Zahnärztinnen müssen mit festhalten, während die Einrichtung im Boden verankert wird.
Draußen werden noch mehr Blumen gepflanzt. Das Auto steht nicht im Weg. Es liefert den Disco-sound

Donnerstag, 26. Mai 2016

Am Vorabend des Umzugs

Es ist soweit. Die letzten Tage waren randvoll mit Terminen und Vorbereitungen gefüllt. Der Umzug ist vorbereitet. Es sind zwar nur knapp 200 m aber es ist ein historischer Umzug, weil wir dahin zurückkehren, wo wir vor fast 2 1/2 Jahren gegangen sind, ins alte HCJB-Krankenhaus. Vorerst werden wir nur den ambulanten Teil bewirtschaften. Alles andere muss von Grund auf erneuert werden. Aber die Sprechstundenräume können wir benutzen. Unser Angebot wird jetzt um das Labor erweitert. Und es kommt unsere Kardiologin zurück, die wegen fehlender Bezahlung anderweitig ihr Auskommen suchte.
Es ist in diesen Tagen ein Ruck durch Shell gegangen. Überall sind die Menschen froh, dass wir wieder in den alten Mauern arbeiten. Wir haben viel Ermutigung erfahren. Geplant war, nicht nur das Gras um das Hospital zu mähen. Nein, auch der Gärtchen darum herum wurde von Unkraut gesäubert. 8  m3 Kompost haben wir für wenig Geld erhalten und verteilt. Der Eingangsbereich ist mit Palmen und Zierpflanzen aus der Region geschmückt. Die Helfer, die seit 3 Tagen daran arbeiten wurden von anderen mit Essen und Getränken versorgt. Jetzt bewachen wir nachts diesen Bereich? Warum? Weil schon die ersten Pflanzen geklaut wurden, einfach aus dem weichen Erdreich gerissen. Auch das gibt es. Einige nehmen mit, was nicht niet- und nagelfest ist. Also brauchen wir für den Anfang einen Wachdienst für den Pflanzenschmuck, den heute Nacht eine Ärztin aus Kuba mit ihrer Familie übernommen hat.
Für den morgigen Tag haben sich viele Freiwillige gemeldet, die Schreibtische und sonstige Einrichtung umziehen. Unser Team muss dann im Hospital sein, damit die Dinge an die richtige Stelle kommen. Über eine Woche lang haben Frauen dort alles unter Wasser gesetzt und geputzt. Dann bekommt jeder Arzt sein eigenes Sprechzimmer, das er sich selbst einrichten kann. Am Montag des 30. Mai weihen wir unsere Ambulanz dann mit einer Feier ein, zu der wir alle Mitarbeiter und Helfer der letzten Wochen einladen. Einige werden Kuchen mitbringen, wir werden Lieder singen, beten und eine Predigt hören. Aber wir dürfen leider noch nicht offiziell anfangen. Es fehlt noch die Genehmigung des Gesundheitsministeriums. Die letzten Papiere sind in Nachtschichten fertig geworden, aber das Ministerium hat keine Eile. Aber wir fangen trotzdem an. Wir müssen nämlich den Inspekteur selbst mit dem Auto abholen. Also wissen wir, wann er kommt und dann wird kein Patient vor Ort sein, sondern zur alten Sprechstunde geschickt, wo nur zwei Tische und das Nötigste stehen werden. Die Patienten verstehen das.
Was läuft sonst noch ab? Ganz in der Nähe auf dem Gelände, das wir als Land für unseren Neubau versprochen bekamen, haben sich ganze Indianergruppen niedergelassen, Zäune gezogen und Hütten errichtet. Sie streiten sich untereinander. Diese Landbesetzung ist illegal, wird aber von politischen Indianerführern geleitet. "Wenn hier jemand rein kommt, fließt Blut..." hört man in Radiointerviews. Inzwischen werden weitere Teile der Teeplantage besetzt. Und mehr und mehr richtet sich die Wut gegen die Regierung. Was als Wahlversprechen geplant war, ufert aus. Es wird gefährlich militant. Wir sind froh, dass wir da nicht mitten drin bauen müssen.
So sind wir am Vorabend des Umzugs finanziell an einem Tiefpunkt. Die Reserven sind verbraucht, aber es wird auch wieder bergauf gehen. Wir müssen lernen, dass es auf Gottes Wegen keinen Überfluss gibt aber Segen!

Mittwoch, 18. Mai 2016

Der nächste Präsident Ecuadors

Während die Präsidentschaftskandidaturen von Ronald Trump und Hillary Clinton weltweit für Schlagzeilen sorgen, geht das Ganze in Ecuador deutlich ruhiger zu. Hier wird erst im Herbst nächsten Jahres gewählt und die Kandidaten setzen sich so langsam in Pose. Zwei Oppositionsgruppen machen immer wieder durch Angriffe auf den Präsidenten Correa auf sich aufmerksam. Zwar hat die Regierungspartei die absolute Mehrheit und kann selbst die Verfassung ändern, was sie auch schon an einigen Punkten getan hat. Aber der Hauptstreitpunkt ist die unbegrenzte Widerwahl, die gesetzlich möglich ist, aber Präsident Correa hat sich bisher entschlossen, nicht mehr zu kandidieren. Und da ist er sicher gut beraten. Nach bis Ende 2017 ist er dann 10 Jahre im Amt - die längste Amtszeit in der Geschichte des Staates Ecuador. Das hing mit der Verfassungsänderung zu Anfang seiner Regierungszeit und anschließend zwei 4-jähren Amtszeiten zusammen. Jetzt könnte das ausgeweitet werden, Aber Correa ist schlau. Er merkt, dass sein Einfluss mehr und mehr schwindet. Da ist zum einen die allgemeine  Großwetterlage in Lateinamerika. In Argentinien, jetzt in Brasilien haben linke Regierungen abgewirtschaftet und werden ersetzt. In Venezuela droht ein Bürgerkrieg. Viele Oppositionelle warten in den Gefängnissen auf den Wechsel. Auch in Ecuador schwindet das Vertrauen in linke Parolen.
Als zweites kommt die wirtschaftliche Lage des Landes hinzu. Der Schuldenberg ist immens, die Renten- und andere Sozialkassen sind vom Staat geplündert. Vielen öffentlichen Bediensteten wird der Lohn erst Monate später ausgezahlt . Vor allem die Mitarbeiter der Städten und Gemeinden trifft es derzeit hart, weil das zentrale Finanzamt die Gelder sehr viel später überweist. Correa wird dafür verantwortlich gemacht.
So bereiten sie derzeit zwei Nachfolger aus der eigenen Partei vor. Jorge Glass ist der derzeitige Vice, ist ganz auf Correas Line und wurde von ihm in der letzten Zeit vorgeschoben. Er hat das große neue Kraftwerk am Río Coca eingeweiht und steht auch sonst bei offiziellen Anlässen sehr weit vorne.
In der Partei selbst aber ist der letzte Vicepräsident beliebter, Lenin Moreno. Er ist seit seinem 2. Lebensjahr wegen Polio an den Rollstuhl gefesselt und hat sich in Correas erster Amtszeit einen Namen gemacht durch ein Programm für Behinderte. Ein spezielles Programm hat diese vergessenen und oft versteckten Menschen in mühsamer Kleinarbeit aufgespürt und ihnen systematische Hilfe zukommen lassen wie Medikamente, krankheitsgerechte Betten, Rollstühle, Prothesen etc. Er ist derzeit Botschafter Ecuadors bei der UNESCO in Genf, kam aber nach dem Erdbeben vor einem Monat sofort zurück, um zu organisieren. Parteiintern hat er die besseren Karten, da er ein Mann des Ausgleichs ist. Wenn jemand der Präsidentenpartei auch mit Opposition verhandeln kann, dann ist er es. Vice Glass wird da oft mit Correa und seiner schroffen Art im Umgang mit politischen Gegners in einen Topf geworfen. Und die Regierungspartei tut gut daran, einen populären Kandidaten zu präsentieren, der auch nur indirekt mit der jetzigen Misere zu tun hat.
Demgegenüber haben andere mögliche Kandidaten wie etwa die Parlamentspräsidentin Gabriela Rivadeira geringe Chance.
Aber bei allem bleibt dann Rafael Correa eine Verschnaufpause, um neue Kräfte zu sammeln, denn nach einer Auszeit darf er ganz legal als für weitere 8 Jahre kandidieren und sich als Retter des Landes am Ende der wirtschaftlichen Krise präsentieren, wenn andere den Preis seiner bisherigen Politik bezahlt haben und es wieder bergauf geht. Dann wird er die Ernte anderer einfahren.

Donnerstag, 5. Mai 2016

Fortschritte in Shell

2 Jahre 4 Monate ist es jetzt her, seit das Hospital Vozandes del Oriente in Shell die Türen geschlossen hat, die stationäre Behandlung und die Operationen endete sogar 3 Monate früher. In dieser Zeit haben wir geplant, gebetet und gewartet. Es geschah wenig und dann die Hoffnung auf einen Neubau, der sich ebenfalls zerschlug. Dieses Gelände hat sich mittlerweile zu einem Politikum aufgeschaukelt. Indianerorganisationen haben die alte Teeplantage besetzt. Was als Wahlgeschenk für die Regierungspartei gedacht war, richtet sich jetzt gegen sie. Einzelne Interessensgruppen bekämpfen sich gegenseitig. Es ist eher ein Schlachtfeld geworden, bei dem wir froh sind, uns rechtzeitig zurückgezogen zu haben.
Unsere Ärztepraxis funktioniert und auf einmal nehmen die Dinge einen neuen Weg mit so viel Schwung, dass uns dabei fast schwindelig wird.
Seit fast 2 Wochen haben wir das Labor, das funktioniert und immer besser genutzt werden kann trotz aller technischen Anfangsprobleme. Die meisten Mitarbeiter haben ihre Arbeitsverträge und Anbindung an die Sozialversicherung. Seit 2 Tagen ist die Augenärztin zu  uns gestoßen. Darauf warten Menschen der gesamten Region. Und unsere Kardiologin, die uns wegen fehlender Bezahlung verlassen hatte, kommt auch wieder zurück.
Dann kam die Bereitschaft unserer alten Mission Reach Beyond (früher HCJB), uns das Hospital doch zu vermieten. Am 02. Mai der Mietvertrag unterschrieben, haben wir am 04. Mai schon die Schlüssel bekommen und die erste Besichtigung gemacht. Es ist besser als gedacht. Die Kirche, die vorher das Gebäude mietete, hat einiges neu gestrichen. Das kommt uns jetzt zugute.  Wir werden in absehbarer Zeit 9 Ärzte sein. Da reichen die jetzigen 5 Behandlungsräume nicht mehr aus. Im alten Krankenhaus ist viel mehr Platz. Der Umzug kommt zum besten Zeitpunkt.
Was steht jetzt an? Zunächst eine Entrümpelungsaktion. Welche alten Schreibtische und Patientenliegen wollen wir noch nutzen? Das Computersystem muss umgezogen und erweitert werden und wir brauchen einen Server als Zentrale. Das alte Telefonsystem taugt nicht mehr und muss komplett ersetzt werden. Dann wollen wir die jetzigen Telefonnummern und das Internet behalten und mit umziehen. Fehlt noch, das Labor an unser Computersystem anzuschließen. Noch müssen wir bisher die Ergebnisse von Hand übertragen. Mit Freunden haben wir festgestellt, dass die Putzgeräte des alten Hospitals noch fast vollständig vorhanden sind. Das spart enorme Anschaffungskosten.
Jetzt haben wir den Zeitplan des Umzugs festgelegt. Wir nutzen einen Freitag als Feiertag und das ganze Wochenende zum Umzug. Am 30. Mai wird unsere ambulante Behandlung am alten Ort mit alter und neuer Besatzung eröffnet. Dazu machen wir einen Monat lang Werbung in Radio und Lokalfernsehen. Unsere Hinweisschilder im Ort werden geändert und das leere Kreuz vor dem Hospital muss wenige Tage vorher unser Emblem erhalten. Vorher aber muss der Rasen vor dem Eingang gemäht werden. Ein großer Rasenmäher ist anzuschaffen und wir wollen den Eingang mit Blumen und Pflanzen verschönern. Wir wollen einladen.
Das ist unser erster Schritt: Viele neue kleine und große Anschaffungen. Neue Arbeitsverträge. Werden auch genügend Patienten für 9 Ärzte kommen?
Der zweite Schritt ist das Röntgen, das es in Shell nirgends gibt. Die Umrüstung auf digital ist teuer, wir brauchen einen Röntgenfacharzt, der uns die offizielle Erlaubnis ermöglicht, auch wenn er nicht ständig präsent sein muss. Und das Labor braucht weitere Geräte für die Mikrobiologie. 
Der dritte und viel größere Schritt ist, dass wir die beiden Ops mitgemietet haben. Sie können noch nicht benutzt werden, sollen aber einen kompletten Umbau und Modernisierung nach den nötigen Standards erfahren. Nur so können wir sie in Zukunft nutzen. Das sind die Aufgaben für die nächsten wohl 1 1/2 Jahre, so wir es bezahlen können.

Gut zwei Jahre haben wir gewartet und kleine Brötchen gebacken. Jetzt hat Gott die Türen aufgetan, Vertrauen ist auch bei unserer alten Mission gewachsen. Viele, viele Menschen, darunter alle unsere früheren Mitmissionare haben uns beglückwünscht. Menschen von hier haben uns ihre kostenlose Mithilfe angeboten. Wir wissen uns auf dem richtigen Weg, nehmen das Hospital im Namen unserer Gottes wieder stückweise in Betrieb und wollen die Verkündigungsarbeit weiter fortführen. Wir wissen, dass wir es schaffen werden, auch wenn wir bei diesem Tempo aufpassen müssen, uns vor Begeisterung nicht zu übernehmen. Bei so einem Projekt finanziell von der Hand in den Mund zu leben ist ein hohes Risiko.