Dienstag, 26. April 2016

Naturkatastrophen in Ecuador

Unser Land Ecuador liegt am Pazifik und hat damit vieles gemeinsam mit Indonesien oder Japan, nämlich Erdbeben und Gefahren durch das Meer. Zum Glück liegen wir südlich genug, so dass uns die Hurricans nicht mehr erreichen, die in Asien Zyklone heißen und eine Spur der Verwüstung auch im Binnenland anrichten. Aber Erdbeben kommen immer wieder und das nicht nur an die Küste, wo die tiefer gelegene Nascaplatte sich unter die Anden schiebt und Südamerika Richtung Asien driften lässt. Am 16. April hat es die Zentralküste mit dem Städten Manta und Portoviejo am meisten getroffen. Ganze Straßenzüge sind unpassierbar. Die Zahl der Toten liegt jetzt bei 640. Der Schaden wird jetzt vorläufig auf 3 Mrd. Dollar geschätzt.
1987 hatte es im Ostteil Ecuadors am Reventador ein Erdbeben gegeben mit ca. 1000 Toten. Damals war die für Ecuador lebensnotwendig Ölpipeline auf 70 Kilometern für 5 Monate unterbrochen. Viele Menschen kamen damals nicht durch Häusereinsturz ums Leben, sondern durch Erdrutsche der gesamten Nordostregion des Landes bis hinein nach Quito.
1979 ereignete sich ein Seebeben vor der Pazifikküste Kolumbiens, das auf ecutorianischem Gebiet 235 Menschenleben kostete.
Nie vergessen werden die Menschen das Erdbeben 1949, das Ambato und die Zentralsierra fast völlig zerstörte. 5050 offizielle Tote werden angegeben, es dürften aber wohl an die 6000 gewesen sein. Dabei war dieses Beben "nur" der Stärke 6,8 auf der Richterskala. Es traf eine Region, die selten von Beben erfasst wird und die Häuser waren baufällig gebaut. Damals war als Reaktion der Medizinische Dienst der Radiomission HCJB entstanden. Das Radio sendete weltweit die Nachrichten und koordinierte Hilfe, die dann kanalisiert werden musste.
Vorher gab es viel stärkere Beben an der Küste, etwa 1942 in Manabí mit 7.8 und 1906 in Esmeraldas mit 8,8 das wohl schwerste jemals gemessene Beben hierzulande. Angaben über Schäden fehlen gänzlich.
Daneben wurden mehrere Beben um 6,5 im Osten Ecuadors gemessen mit geringeren Schäden. Unser altes Hospital in Shell hat so ein 6,8-er Beben ohne Schäden überstanden.

Aber die ecuatorianische Küste leidet hin und wieder durch den starken Regen, wenn das Klimaphänomen "El Niño" über es hereinbricht. 1982 wurden an der Küste 2000 km Straßen unpassierbar gemacht und 1997 waren es gar 4000 km und 31 große Brücken. Damals standen 300 000 ha. Land über Monate unter Wasser und die immer wieder eingebrachte Saat verfaulte. Es war eine Zeit, in der viele Menschen ihre Heimat verließen und etwa in Quito neue Stadtteile entstanden, zunächst Zelte, dann Plastikhütten, heute Betonhäuser.

Was ist 2016 so besonders? Wir haben es mit großen Schäden in einer der am dichtesten besiedelten Küstenregion zu tun, die Großteils von Tourismus leben. Die meisten Hotels sind unbewohnbar. Da braucht eine wirtschaftliche Erholung viel Zeit. Zum anderen ist das Land pleite durch Verschuldung vorher jetzt einem extrem niedrigen Ölpreis. Und dieses Jahr schlug gleichzeitig El Niño wieder zu. Zur Erdbebenzeit waren fast alle Straßen von der Sierra zur Küste verschüttet, was die Verbindungen deutlich erschwerte.

Aber eine Katastrophe schweißt auch zusammen. Die Hilfsbereitschaft ist groß und viele LKW-Ladungen Hilfsgüter sind auf dem Weg zur Küste, wo die Regierung sie in Empfang nimmt, umpackt und sie als Regierungsspenden deklariert, um sich ins richtige Licht zu rücken, ein Wehrmutstropfen für die Geber, die in Kirchengemeinden, Firmen und auch privat gesammelt haben. Auf allen Tüten klebt jetzt das Emblem der Präsidentenpartei. Eine sozialistische Regierung gibt das Heft auch bei einem Erdbeben nicht aus der Hand. Irgendwie wird Ecuador auch die Verluste dieser Katastrophe wieder wegstecken. Das Leben geht weiter denn, wohin wir auch ziehen in unserem Land: Erdbeben, Wasser oder abrutschende Hänge können uns jederzeit erwischen. Damit leben die Menschen hier.

Freitag, 22. April 2016

Erdbeben in Ecuador

Es ist fast eine Woche her, dass die Erde in Ecuador so stark bebte wie selten zuvor. Die Situation an der Küste ist nach wie vor kritisch, aber weniger für die Verletzten, als vielmehr für die Obdachlosen ohne Wasserversorgung in der Hitze und die fehlende Hilfe, weil der Zugang schwierig ist. Denn in der Küstenregion ist Regenzeit, dieses Jahr wegen des Klimaphänomens El Niño besonders heftig. Schon vorher waren Brücken weggeschwommen und fast alle Zugangsstraßen zwischen Hochland und Küste wegen Verschüttungen unpassierbar.
Jetzt nach einer Wochen liegen offizielle Zahlen vor: Etwas über 7500 Verletzte, bisher 587 Tote aber immer noch 155 Vermisste. Unter den Toten sind auch 20 Ausländer, ein Deutscher.
Was ist anders als bei sonstigen Erdbeben? Unser Land ist besser organisiert und die Hilfe kam schnell. Polizei und Militär waren sofort zur Stelle, um Plünderungen in Grenzen zu halten. Und medizinische Hilfe wurde in der Sierra und weniger betroffenen Küstenstädten geleistet. Schwerkranke wurden in andere Landesteile ausgeflogen. Noch immer leben über 25.000 Menschen im Freien, an den Stränden oder in sicheren Parks.
Das ist der Grund, warum ich, Eckehart, bei einem Erdbeben im eigenen Land nicht mithelfen konnte. Ärzte wurden zwar aufgerufen zu helfen, aber sie mussten erst ihre Papiere einreichen und registriert und akzeptiert werden. Ausländische Helfer wie ein Team von Humedica aus Deutschland hatten nicht viel zu tun und wurden herumgeschickt.
In all dem ist aber ein anderes Erdbeben geschehen, für uns nicht weniger bewegend: Wir sind in der Lage, das alte Krankenhaus in Shell zu mieten. Die Konkurrenzambulanz hatte ja Ende März geschlossen. Die Mission suchte neue Verwendung für das Gebäude und wir kamen mündlich überein den Ambulanztrakt zu mieten. Der Preis ist viel günstiger als vor einem Jahr angeboten. Und wir haben viel mehr Platz und brauchen nicht zu bauen. Aber das Ganze bedeutet auch höhere Kosten an Strom, für die Reinigung der Korridore und Behandlungszimmer und der Umzug mit Einrichtung unseres Computersystems etc. etc. Wir erhoffen uns aber auch mehr Einnahmen. Diese Woche haben die Mitarbeiter die Arbeitsverträge unterschrieben, gültig ab 01. April. Jetzt werden diese im Arbeitsministerium und bei der Steuer sowie der Sozialversicherung angemeldet. Besonders Klaudia macht derzeit mehrere Kurse in Verwaltung auf einmal durch. Aber wir haben einen Steuerberater und seine Frau als Rechtsanwältin, die sich rührend um uns kümmern und in all den Fragen helfen.
Und noch ein Höhepunkt: Unsere Laboreinrichtung ist angekommen, das Personal eingearbeitet. Heute haben alle Mitarbeiter Blut gelassen für die Eingangsuntersuchung. Die ersten Patienten fürs Labor waren auch schon da. Die ehemalige Küche des gemieteten Hauses, in dem wir jetzt sind, ist angefüllt mit Automaten. Wir sind „Hilfe für Brüder“ in Stuttgart sehr dankbar für eine sehr kräftige Unterstützung dieses Projektes. Mit dem Umzug in das alte Hospital besteht jetzt die Möglichkeit für mehr Ultraschalluntersuchungen. Vielleicht können wir auch das Röntgengerät wieder in Betrieb nehmen und auf digital umrüsten. Und der OP braucht auch eine grundlegende Renovierung - alles keine kleinen Projekte in der Zukunft.

Fast 2 1/2 Jahre ist das Hospital geschlossen. Es brauchte viele Versuche, mit unserer alten Mission wieder zu einem guten Miteinander zu kommen. Da sind Verletzungen auf beiden Seiten geschehen, die wir nun beigelegt haben. Das bringt beide Seiten weiter. Nun merken wir auf einmal, dass Ecuatorianer offen werden und uns gelegentlich kleine Spenden zukommen lassen.  Was an der Küste vor einer Woche geschehen ist, ist eine große Herausforderung für den Staat, der nunmehr die Mehrwertsteuer von 12 auf 14% angehoben hat. Wir hoffen auf eine solidere Finanzierung durch unsere Patienten. Für uns hat sich in einer Woche ebenfalls ein Erdbeben ereignet, hin zu einem neuen Miteinander und Chancen für unser Projekt.