Montag, 26. Oktober 2015

Ecuador von der schwarzen Liste gestrichen

1989 wurde von einflussreichen Industriestaaten die Financial Action Task Force gegründet. Ihr gehören mittlerweile 36 als Mitglieder Staaten. Im Spanischen nennt sie sich GAFI: Grupo de Action Financiera Internacional. Ziel dieser Gruppe ist die Kontrolle internationaler Geldströme, um Geldwäsche und Terrorismus zu bekämpfen. Diese GAFI kontrolliert Banken und ganze Staaten auf ihre Glaubwürdigkeit.
Und so gibt es eine Liste von Staaten, die nach Weiß - Grau bis hin zu Schwarz markiert werden. Schwarz meint verwickelt in Drogen - und Terrorismusgeldwäsche und der Staat tut zu wenig zu deren Aufklärung. Die Mafiastrukturen können mit wenig Risiko weiter ihren Geschäften nachgehen.
2010 wurde Ecuador auf diese schwarze Liste gesetzt. Seitdem hat das Land reagiert, 8 Staatsanwälte auf die Mafia und Geldwäsche angesetzt. Zwischen 2001 und 2015 wurden fast 300 Fälle von Geldwäsche aufgedeckt.
35% der aufgedeckten Fälle waren Drogengelder, 31 % Geldwäsche und nur 8% Gelder aus Korruptionsfällen. Der Rest sind sonstige Ungereimtheiten der Firmen, die selbst dem Fiskus entgangen waren. Zum Beispiel: In einer Fabrik an der Küste für Fischverarbeitung fand die Polizei eine merkwürdige Diskrepanz zwischen Ausgaben und Einnahmen. Jetzt wurde der Besitzer, ein früherer enger Vertrauter vom ehemaligen Drogenchef Medellins, Pablo Escobar festgenommen. Zu den beschlagnahmten Gütern gehört eine Jacht im Werte von 80 Mio. Dollar. Andere Drogenbarone steigen als Geldgeber in normale Firmengeschäfte ein. Da ist es nicht immer einfach, die Geldwäsche herauszufinden. Aber es gab deutliche Fortschritte. In einer Firma waren es 1 Mrd. Dollar versteckt, eingezahlt in Raten über 10 Jahre. Es sind derzeit die großen Haciendas und Plantagen im Visier der Fahnder.

Und so wurde Ecuador jetzt im Juni 2015 von der schwarzen auf die graue Liste gesetzt. Seit Oktober ist das Land auf der weißen Liste zu finden. Was bedeutet das? Jetzt kann das Land dringend benötigte Kredite beantragen etwa von der Weltbank oder anderen internationalen Geldgebern. Es ist eines der wenigen Länder Lateinamerikas mit diesem Zertifikat und stolz auf seine Fortschritte hin zu mehr Transparenz, auch wenn das „Weiß“ noch nicht eine komplett weiße Weste bedeutet. Der Kampf gegen Geldwäsche und Drogen geht weiter.

Mittwoch, 14. Oktober 2015

Warum brauchen wir ein anderes Krankenhaus in Shell?

Seit erst wenigen Tagen ist unsere Sprechstunde in Shell eröffnet und die Patienten kommen, weil sie Vertrauen haben oder von anderen über uns gehört haben. Heute möchte ich die Geschichte einer Indianerin erzählen, die verzweifelt um Hilfe ersucht hat:
Die 30-jährige Frau leidet seit 2 Jahren an einer Entzündung des Oberschenkels. Immer wieder fließt Eiter aus zwei Wunden einige Zentimeter über dem Knie. Das Knie ist fast komplett steif, aber sie kann gut laufen. Manchmal sind die Schmerzen groß, wenn Eiter ausläuft weniger. Die Mutter von 4 Kindern kommt aus dem Urwald, lebt aber mittlerweile in der Provinzhauptstadt Puyo, weil, sie da Hilfe erwartet.
Ihr Mann sucht Arbeit, schlägt sich derzeit mit Gelegenheitsjobs durch, um die Familie zu versorgen. Seit Monaten geht sie von einem staatlichen Gesundheitszentrum zum anderen. Sie wird vertröstet und nach vielen Besuchen nach Quito weiter geschickt.
Die Untersuchungen haben eine Osteomyelitis ergeben, eine Vereiterung des Knochens.
Wenn es dazu kommt, dann bilden sich oft mitten im Knochen abgestorbene Knochenteil, die selten von alleine heilen. Denn der abgestorbene Teil ist wie ein Fremdkörper. Wenn der einmal entzündet ist, dann muss es raus: Er eitern raus oder er bleibt für immer ein Entzündungsherd. Das ist ähnlich wie eine entzündete Metallplatte oder sonst ein Fremdkörper. Erst wenn er entfernt ist, kommt der Entzündungsprozess zur Ruhe. Antibiotika führen zur Resistenzen, aber nicht zur Heilung.
Unser staatliches Regionalkrankenhaus, das eigentlich für die Region zuständig ist, wagt sich trotz viele "Spezialisten" nicht an die Operation und schickt die Frau nach Quito, wo sie sich nicht auskennt und keine Bleibe hat. Dort schickt man sie von hier nach da, fordert viele Untersuchungen, die sie teilweise selbst bezahlen muss. Doch sie hat weder das Geld für eine Übernachtung noch für die Untersuchungen, also scheitern die Besuche dort. Sie wird sicherlich vom dortigen System als wenig hilfreich abgestempelt. Also kommt sie zu uns und klammert sich an den Strohhalm, der ihr noch bleibt.
Es tut in der Seele weh. Solche Patienten haben wir so oft behandelt. Der Knochen muss eröffnet werden, der infizierte Teil herausgeholt werden. Anschließend gibt es Spülungen mit Antibiotika oder entsprechende Ketten, die danach entfernt werden müssen etc.  Die Chancen für eine Heilung sind groß, auch wenn das Knie schon so gut wie steift ist, ist es doch noch nicht infiziert.
Was hier passiert, ist typisch für unser System. Offiziell erhalten Indianer alle Hilfe ohne Kosten, aber die Wirklichkeit mit Reisen in die Hauptstadt etc. sieht anders aus. Und sie werden oft genug enttäuscht und wenden sich ab. "Es hat doch keinen Zweck".
Das ist der Grund, warum wir keine Massenabfertigung brauchen, bei der schwache Glieder durchfallen und keiner fühlt sich schuldig dabei, denn immer der andere ist schuld, wenn es nicht funktioniert.
Das ist der Grund, warum wir ein Hospital brauchen, an dem wir anders handeln können und den Einzelnen sehen, auch wenn es rein finanziell ein Verlustgeschäft ist. Heute ein Beispiel von vielen anderen.......

Wie lange darf ein Präsident in Lateinamerika regieren,

ist derzeit eine der vielen Fragen dieser Region. Und wie meistens ist Lateinamerika zerrissen zwischen guten und schlechten Beispielen. In Ecuador hat vor kurzem das Parlament beschlossen, dass ein Staatspräsident mehr als zwei Amtsperioden von jeweils 4 Jahren regieren darf. In Bolivien wir im Februar 2016 ein Volksentscheid zum gleichen Thema laufen. Auch Evo Morales hat dort gute Chancen, das Grundgesetz zu ändern. In Honduras hatte es Präsident Manuel Zelaya vor 6 Jahren versucht und war gestürzt worden. Jetzt machte auch dort das Parlament den Weg zur Wiederwahl frei. Gleiches geschah im Nachbarland Nicaragua.
Aber es gibt auch die gegenteilige Entwicklung. 1994 scheiterte der  damalige Präsident Carlos Menem mit diesem Vorschlag in Argentinien. In Chile begrenzte das Parlament im Mai 2015 ebenfalls die Wiederwahl. Gleiches tat Kolumbien. Paradebeispiel war aber Peru. Alberto Fujimori, der äußerst populäre Präsident seiner Epoche setzte eine dritte Amtszeit durch, in der er aber kläglich scheiterte. Da flogen Korruption und Geheimnisdienstmachenschaften auf, die ihn letztendlich ins Gefängnis brachten.

Lateinamerika ist zerrissen zwischen guten Regierungen, die das Land weiter brachten und damit den Präsidenten berühmt machten und auf der anderen Seite dem Amtsmissbrauch und der Korruption. In dieser Gesellschaft muss der Gewinner einer Wahl anschließend seine Gefolgsleute an der Regierung und Verwaltung beteiligen. Die holen sich dann ihre Vorschüsse zurück. Jede Regierung in unserer Region tritt mit dem festen Willen gegen die Korruption an. Aber es ist Gang und Gäbe, dass bei öffentlichen Aufträgen 10% an die Behörden fließen. Je länger eine Regierung aber im Amt ist, umso höher steigen diese sogenannten Anfangsbeiträge. Deswegen ist es wichtig, dass die Verwaltungsleute nach einer Zeit ausgewechselt werden. Das geht aber eigentlich nur über den Wechsel des Staatspräsidenten. Fujiomori in Peru stolperte in seiner 3. Amtszeit am Geheimdienst, der mit kriminellen Methoden die Gegner einschüchterte. Im Kampf gegen die Guerrilla im Osten Perus hatte dieser Geheimdienst Sonderrechte erhalten, die er ausbaute und auch gegen politische Gegner nutzte.
Derzeit haben wir viele linksgerichtete Regierungen wie in Ecuador und Bolivien mit wirtschaftlichem Fortschritt. Das andere Extrem ist aber Venezuela. Dort hatte Hugo Chavez den Sozialismus eingeführt, die 2/3 Mehrheit im Parlament errungen und damit die Verfassung geändert. Nach seinem Tod regiert jetzt sein Schwiegersohn Maduro. Doch der Sozialismus hat abgewirtschaftet. Jetzt ist das Land in einer schweren Wirtschaftskrise mit hoher Inflation und Warenmangel. Fragt sich, wann es zum politischen Umsturz kommt. Dann wird auch die unbegrenzte Wiederwahl abgeschafft werden.
Lateinamerika kommt noch lange nicht zur Ruhe. Das Auf und Ab bleibt bestehen und damit der Wunsch nach Begrenzung der Macht einerseits und weitest gehender Freiheit andererseits.

Dienstag, 13. Oktober 2015

Klinikeröffnung

Die neue Zeit ist angebrochen. Wir behandeln die ersten ambulanten Patienten. Die großen Worte sind vorbei. Jetzt folgen die Taten.
Am ersten Tag kamen fast 60 Patienten uns alle beglückwünschten, dass wir wieder den Service anbieten und sie nicht stundenlang in staatlichen Institutionen warten müsse. Und es macht Freude im Team zu arbeiten, bei dem alle ein gemeinsames Ziel haben.
Jetzt merken wir, was alles noch fehlt und ständig ist jemand dabei Kleinigkeiten einzukaufen.
Wir haben einen sehr erfindungsreichen Handwerker, der uns derzeit kleine Wagen bastelt, auf denen Verbandmaterial und Instrumente für kleine Operationen bereit liegen. Wir äußern einen Wunsch und er hat die Lösung, die er solgleich umsetzt.
Schon jetzt ist der Platz mit 4 Behandlungsräumen schon eng. Wir überlegen, ob wir nicht einen großen überdachten Garagenplatz noch ausbauen sollten. Im Januar möchte eine Augenärztin kommen und ein Gastroenterologe möchte hier Magen - und Darmspiegelungen durchführen.
Derzeit sind wir froh, dass das Labor in der Küche des Hauses nicht funktioniert. Die Küche ist derzeit Stauraum und Vorbereitung zur Sterilisation von Instrumenten.
Und auch für unser Wohl ist gesorgt. Da wir am Rand von Shell arbeiten, bereitet ein Teil unseres Teams täglich ein Mittagessen vor. Dort essen wir zusammen und tauschen uns aus am Rande des Schwimmbades, das zu benutzen wir allerdings noch keine Zeit hatten. Doch es kommen Besucher. Unser Kochteam verdient sich mit dem Schwimmbad etwas Geld. Der Rest der Einnahmen ist für die Klinik.
Dann läuft die ganze Zeit über der Fernseher, aber mit einem Programm, das wir in der Gemeinde in Quito geschenkt bekommen haben. Es sind Anbetungslieder mit dem Text auf wunderschönen Bildern unterlegt. Das Ganze dauert über 2 Std. so dass es sich für die Patienten praktisch nicht wiederholt. Später sollen Filme und anderes dazu kommen.
Interessant sind auch die Fragen von Patienten. Wir können nicht operieren, haben noch nicht mal ein Labor oder Röntgenmöglichkeiten. Aber viele kommen, um sich einfach nur Rat zu holen oder nach Komplikationen nach Eingriffen den weiteren Fahrplan ihrer Behandlung festzulegen. Wir sind nach kurzer Zeit als Vertrauensinstitution gefragt.
Diese Zeit erscheint allen wie ein Wunder. Die Mitarbeiter haben wieder Arbeit und verdienen. Das Team funktioniert hochmotiviert. Da macht es wenig aus, dass wir immer noch kein Internet haben und noch kein Computersystem, das uns unsere alte Mission zur Verfügung stellen wollte. Jetzt sind wir auf der Suche nach Alternativprogrammen. So schreiben wir halt die Patientendaten auf Zettel und hoffen auf baldige Besserung.
Wir fühlen uns getragen durch die Hilfe Vieler aus aller Welt und erleben immer wieder die Wunder der Hilfe von vielen Seiten.