Samstag, 28. Oktober 2017

Wie sieht es derzeit politisch in Ecuador aus?

   Die jetzige Regierung wurde im Mai 2017 nach Protesten der Opposition und dem Vorwurf des Wahlbetruges eingesetzt. Sie hat ein schweres Erbe vom Vorgänger Rafael Correa übernommen, nämlich einen total verschuldeten Staatshaushalt. Es war von vorneherein klar, dass das Thema SPAREN heißt. Präsident Lenin Moreno, der im Rollstuhl sitzt, hat von Anfang an klar gemacht, dass der Haushalt in Ordnung gebracht werden muss. Dazu hatte er die Mehrheit im Parlament - wenn es dann nicht gekracht hätte. Zwischen Moreno und dem Vizepräsidenten Jorge Glas, enger Vertrauter des alten Präsidenten, klappte es nicht. Gegen Glas wurden Vorwürfe der Korruption laut, die zunächst abgeblockt wurden. Doch dann kritisierte der Vize den Präsidenten offen und es kam zum Bruch.
   Viele große Bauprojekte der vorigen Regierung wurden nun untersucht. Alle hatten klein begonnen und sich um mindestens die Hälfte bis zur Fertigstellung aufgebläht. Jetzt wird bekannt, dass bei der Vergabe besonders einer brasilianische Großfirma Millionen Schmiergelder geflossen sind. Einige Millionen gingen an Glas. Inzwischen sitzen er und andere hohe ehemalige Staatsbeamte wie der leitende Staatsanwalt hinter Gittern. Täglich werden neue Einzelheiten der alten Regierung öffentlich.
   Die Regierung hatte seinerzeit die Presse kontrolliert. Es gab eine eigene Regierungszeitung, Fernseh - und Radiostationen für die Propaganda. Andere Medien kamen gar nicht an wirkliche Informationen heran. Jetzt zeigt sich, wie schlampig damals bei öffentlichen Medien abgerechnet wurde. Da hat so Mancher sich persönlich bereichert. Diese Medienkanäle werden jetzt neu gestaltet, vielleicht sogar wieder abgeschafft.
   Der Staatsapparat hatte sich langsam aber sicher aufgebläht, der Präsident benutzte ein eigenes Flugzeug. Im Zuge der Sparmaßnahmen werden der Flieger und viele Luxuskarossen jetzt abgeschafft. Lenin Moreno fliegt wieder mit Linienmaschinen.
Rafael Correa hat sich bei Amtsende eine persönliche Eskorte für ein Jahr genehmigen lassen. 35 Sicherheitsleute bewachen ihn und seine Familie nun Tag und Nacht in ihrem neuen Zuhause in Belgien und das auf Staatskosten.
   Der Clou aber war, als Monate nach Amtsantritt eine versteckte Kamera im Amtssitz des neuen Präsidenten entdeckt wurde. Die ganze Zeit wurden also Treffen des Präsidenten mitgeschnitten - von wem wohl?
   Vizepräsident Glas war wohl als wirklicher Nachfolger Correas geplant, denn Lenin Moreno sitzt im Rollstuhl nach einem Anschlag auf ihn vor vielen Jahren. Er ist zwar sehr beliebt, aber es heißt auch, dass er nur bedingt belastbar ist. So hatte wohl so Mancher auf einen Wechsel so zwischendurch gehofft. Diesen Machtkampf hat vorerst Moreno für sich entschieden und ist in den Umfragen bleibt, wie nie einer zuvor. Aber die Regierungspartei ist tief gespalten in Sierraanhänger aus dem Hochland und Costagefolgsleuten für Glas von der Küste. Das macht das Regieren auch nicht leichter.
   So ist Ecuador derzeit mit seiner Vergangenheit beschäftigt. Ständig neue Enthüllungen des Sumpfes der Korruption der vorigen Regierung Correa nützen zwar der Popularität Morenos und helfen, die Sparmaßnahmen zu verstehen, aber wirklich planvolle Politik für die Zukunft ist das auch nicht und so geht die international umstrittene Ölförderung im Yasuni-Nationalpark weiter und nimmt der Staat neue Schulden bei privaten Banken in den USA auf wie von Goldman-Sachs. Bis zu einem neuen auch politischem Aufbruch ist es noch ein weiter Weg. Die Regierung hat dazu noch gut 3 Jahre Zeit.

Freitag, 20. Oktober 2017

Unsere Patienten

   September und Oktober sind jahreszeitlich die Monate mit weniger Patienten, nicht so bei uns dieses Jahr. Es gibt Tage, da ist die Wartezone morgens voll und dann leert es sich schnell. An anderen Tagen fangen wir langsam an und dann ist keine Zeit zum Mittagessen. Insgesamt haben wir ständig Patienten bis in den Nachmittag hinein. Und fast täglich kommen Patienten, die zum ersten Mal gehört haben, dass wir wieder geöffnet haben. Nach wie vor sind wir das Hospital Vozandes für die Leute, auch wenn wir den Namen aus rechtlichen Gründen nicht führen dürfen. Wichtig ist uns: Die Patienten kommen wieder und alle wollen natürlich, dass wir auch Notfälle behandeln, was wir nur begrenzt anbieten können.
   Was für Patienten kommen denn? Es ist anzahlmäßig die meisten aus der Umgebung, aus der Provinzhauptstadt Puyo und Umgebung. Mehr und mehr kommen die Bauern wieder, besonders wenn sie wirklich krank sind. Es sind die Diabetiker und die Rheumapatienten und da besonders die Alten. Die Familien bringen sie vorbei, denn sie wollen eine schnelle und gründliche Diagnose und sofortige Behandlung. Es ist gut, dass wir Röntgen, Elektrokardiographie, Ultraschall und Labor unter einem Dach anbieten können. An einem Vormittag ist das alles gemacht und die Familie kann mit der Behandlung beginnen.
   Dann kommen die Unfälle, besonders nach dem Wochenende die Fußballer mit ihren Wehwehchen, aber auch Motorrad - oder sonstige Unfälle, sofern es ambulant zu behandeln ist.
Ein starker Anteil von Patienten kommt jetzt wieder, um sich für Richtigkeit etwa einer Operation zu erkundigen. Das sind die, die mit allen Unterlagen wir Röntgenbildern, Ultraschall und Laborbefunden in der Tasche erscheinen und nur sicher sein wollen, dass die Operation auch wirklich nötig ist. Das sind Patienten, die uns viel Zeit kosten, aber die nur unsere Meinung wissen wollen. Aber auch da bauen  wir wieder Vertrauen auf und so manche Therapie wird dann auch geändert.
   Und da sind besonders unsere chronisch Kranken. Viele von ihnen kommen einfach nur vorbei, um sich ihre weitere Medizin abzuholen und mal mit dem Arzt zu sprechen. Eine ältere Frau hat mir von ihrer Gotteserfahrung berichtet, wie Jesus ihr in drei Nächten hintereinander im Traum erschienen ist. Das hat ihr Leben von Grund auf verändert und hat ihr neue Lebenskraft gegeben bei den vielen Schmerzen nach mehreren mehr oder weniger spontanen Wirbelfrakturen beim Busfahren über schlechte Straßen.
   Viele Menschen aber wollen sich nicht helfen lassen, besonders bei familiären Fragen. Da kann man erklären, was man will, immer ist der andere Ehepartner schuld und der ändert sich nicht. Aber es gibt auch positive Erfahrungen. Manche von Klaudias Patienten brauchen medikamentöse Unterstützungen bei ihren Depressionen. Wirkt es dann, kommen sie oft freudig zurück und berichten, wie sich plötzlich der Ehepartner oder die Kinder geändert hätten und merken oft gar nicht, dass sie selbst es sind, die eine andere Sicht des Lebens haben.
   Ein Thema treibt derzeit Ecuador um und ist in der Presse auf den ersten Seiten. Es gibt eine Unzahl vergewaltigter Kinder und besonders Klaudia hat so manchen Patienten (nicht nur Frauen) mit einer oft jahrelangen Geschichte und den entsprechenden Konsequenzen eines verpfuschten Lebens. Meistens sind es wie so oft nahe und nächste Familienmitglieder als Täter. Derzeit sind besonders die Lehrer im öffentlichen Blickfeld. Einige sind schon suspendiert worden. Die rechtliche Konsequenz folgt. Aber bis so etwas im Urwald in den Schulen "aufräumt", wird es noch Jahre dauern. 
   Weniger Patienten kamen bisher aus dem Urwald. Es sind die Alten, die über andere Missionen oder Freunde zu uns kommen. Diese Menschen aus dem Urwald haben wir scheinbar komplett verloren. Aber nach und nach steigt die Zahl auch dieser Patienten, die sich als Menschen ausgeschlossen fühlen. Nicht alle sind arm, und bei uns sind sie herzlich willkommen. Vor allem die Quichuas kommen vermehrt, weil unser holländischer Kollege Quichua spricht. Das schafft Vertrauen.
   Es ist das Team, nicht der eine Arzt, der das Klima ausmacht. Besonders unsere Kubaner haben zum besseren Vertrauen beigetragen. In erster Linie sind es aber die Patienten, die in ihrer Nachbarschaft Werbung für uns machen. Das ist hier wichtiger als Facebook oder andere soziale Medien. Und so macht es bei aller Arbeit einfach Freude die deutlich gestiegene und solide Basis unserer Klinik zu erleben. Dank für alle Begleitung!!!

Dienstag, 10. Oktober 2017

Kleiner Breitrag aus dem Alltag unserer Klinik

Es gibt viele Wege, wie Gott in unserer Klinik in ein Leben eingreift. Da sind Gespräche. Wir können Menschen auf den Schöpfer, den Erlöser, den Hl Geist aufmerksam machen und haben oft den Eindruck, dass es nicht ankommt. Jeder Morgen fängt bei uns in der Klinik mit einer Andacht an. Jeder Mitarbeiter ist abwechselnd an der Reihe und die täglichen Beiträge werden besser. Eine Frau hilft uns ehrenamtlich spricht zu den Wartenden im Predigtstil aber auch oft ganz persönlich. So streuen wir die Gute Nachricht auf mancherlei Weise aus. Und dann erfahren wir immer wieder eine andere Art, wie Gott Menschen erreicht.
Heute Morgen kam wieder einmal eine 77 - Jährige. Sie braucht weiter Schmerzmittel. In einem Bus ganz hinten gesessen, ist dieser über eines der vielen Schwellen gebrettert, die meist an Ortsanfang und Ende den Verkehr beruhigen sollen. Da kommt mal schon mal hart auf den Sitz auf.  Das Ergebnis waren 3 gebrochene Lendenwirbel. Und so etwas ist lange schmerzhaft. OP-Möglichkeiten gibt es nicht mehr, schon gar nicht für eine alte, alleinstehende Frau, die sich komplett selbst versorgt. Sie hat zwei verheiratete Kinder, die mit ihren Familien in Spanien leben und arbeiten. Gelegentlich kommen diese mal zu Besuch vorbei. Einmal war auch sie einige Monate in Spanien, mochte aber das hektische Leben dort und den kalten Winter der Pyrenäen nicht.
Sie hat gelernt, alleine zu leben, ist aber auch oft einsam außerhalb der Stadt mit einem kleinen Garten. Sie hat angefangen in der Bibel zu lesen, aber Vieles nicht verstanden.
 In einer Woche hatte sie an drei Tagen hintereinander einen ähnlichen Traum. Ein Mann in glänzend weißer Kleidung hat sich ihr gezeigt und sie aufgefordert, zu ihm zu kommen. Sie hat sich ihm genähert und ihm die Hand gegeben. Das hat ihr Leben verändert. Einmal war sie mit anderen in einem tiefen Loch wie ein Brunnen, aus dem sie ans Licht gezogen wurde, einmal am Wasser mit vielen Steinen, einmal mitten im Dschungel. Sie weiß, dass sie Jesus Christus begegnet ist. Seitdem weiß sie sich geborgen und ist ruhig geworden. Auf einmal hatte sie wieder Kraft und Lebensmut. Seitdem liest sie ihre Bibel noch eifriger und hat nebenbei festgestellt, dass die katholische Bibel ja die gleiche wie die evangelische  ist. Jetzt fängt sie langsam an, anderen von ihrem Erlebnis zu erzählen und sucht sich eine Gemeinde. Vieles in der Bibel versteht sie (noch) nicht und sucht Hilfe.
Mich fasziniert die Art, wie Gott zu Menschen spricht. Solche Traumgeschichten hören wir immer wieder von Einzelpersonen, die wenig Chance auf persönliche Begegnungen mit Christen haben, etwa im Islam. Aber es gibt sie auch hier. Gott ruft, wen er will und wann er will. Es ist ein weiteres Zeugnis seiner Macht und seines Ideenreichtums, sich Menschen zu zeigen.

Freitag, 6. Oktober 2017

Ändeungen im Urwald

    Die Welt der Indianer im Urwald macht weiter große Änderungen durch. Der Staat hat die Kontrolle übernommen. Flüge in die Dörfer und wieder heraus werden staatlich finanziert und von lokalen Piloten und kleinen Organisationen übernommen. Shell ist nach wie vor das Zentrum, aber der Flugplatz verliert an Bedeutung. Erstens ist längst der Feind Peru nicht mehr da, muss nach dem Friedensvertrag mit dem südlichen Nachbarn nicht mehr mit Auseinandersetzungen geachtet werden und auch Kolumbien ist nicht mehr so gefürchtet nach dem Friedensschluss und der Entwaffnung der FARC und jetzt gar der Waffenstillstand und die Friedensverhandlungen mit der ELN, der letzten Widerstandgruppe. Bleiben noch die "Paramilitares", die rechten Kampfgruppen. Mit denen tut sich die jetzige kolumbianische Regierung noch schwer.
    Für Shell bleibt neben weniger Militärflug nur noch die Versorgung der Urwalddörfer und die Touristen, also deutlich weniger Flugaktivitäten.
Doch auch der Urwald wir Zug um Zug von Straßen durchzogen und längst bauen die Mobilfunkanbieter das Netz im Dschungel aus, denn auch die Indianer sind willige Abnehmer der Angebote. Und mit dem Telefon kommen Internet und soziale Medien in die hintersten Hütten und wachsen Bedürfnisse.

    Eine andere Art der Kulturänderung haben wir dieser Tage erlebt. Quimo kam mal wieder zur Behandlung nach Shell. Quimo ist ein alter Mann von über 80 Jahren, genaues Alter nur zu schätzen. Er gehörte als junger Mann 1956 zu den Mördern der 5 Missionare, die im Urwald Ecuadors beim ersten Besuch im Stamm der Huauranis dabei war. Diese traurige Geschichte und der spätere Durchbruch des Evangeliums dort im Stamm sind nach wie vor als Geschichte in unserer Gegend lebendig. Nicht umsonst ist das gelbe Flugzeug des damaligen Missionspiloten und Anführer der Gruppe der Fünf des Symbol Shells. Eine Nachbildung dieses Fliegers steht auf einem Denkmal im Zentrum unsres Ortes.
Quimo war einer der ersten Huauranis (Aucas), denen Gott das Herz öffnete und die mit Freude Boten dieser neuen Hoffnung im eigenen Stamm waren und sind.
    Aber jetzt sind sie alt und das ist etwas, was die Huauranis derzeit lernen müssen: Wie gehe ich mit alten Menschen im Urwald um? In manchen Gebieten bis heute ist die Blutrache in diesem Stamm noch lebendig. Man überfällt bei Nacht und bringt die Feinde um. Und die meisten Feinde sind die des eigenen Stammes. In der Vergangenheit wurden die wenigsten Huauranis alt. Kranke und missgebildete Kinder hatten ebenfalls keine Chance. So bestand ihre Gesellschaft aus gesunden Erwachsenen und gesunden Kindern.
    Jetzt leben Quimo und seine Frau abgeschieden alleine. Sie wollen nicht mit den anderen sein. Aber Quimos Frau ist zunehmend dement und bei ihm ist die Prostata so gewachsen, dass er einen Blasenkatheter braucht. Also muss er alle ca. 4 Wochen zum Katheterwechsel ausgeflogen werden, etwas, was keiner versteht. Operieren will er sich nicht lassen. Inzwischen sind die Nieren angegriffen. Sein Ende ist absehbar.
In genau dieser Entwicklung steht und wächst unsere Klinik. Wir sind nicht mehr das einzige und wichtigste Hospital in dieser Welt hier. Es gilt die alten Wurzeln nicht zu vergessen, für die alten Menschen unserer Region da zu sein, aber durch unsere Medizin auch die Neuen zu gewinnen. Nur ein kleines Beispiel am Schluss:
    Eine Frau aus der nahen Stadt Puyo leidet seit Jahren unter Nackenschmerzen bis hin in die Hand. Im staatlichen Gesundheitsdienst wurde sie von Spezialist zu Facharzt geschickt. Eine Messung der Muskeln der Hand zeigte die Diagnose: Karpaltunnelsydrom, also eine Einengung eines Nervens die Innenhandfläche und sie stand zur OP an. Die Untersuchung zeigte aber, dass ihr Problem die Halswirbelsäule ist. Eine OP der Hände würde gar nichts ändern. Jetzt erholt sie sich bei Physiotherapie und ohne OP und gibt diese Empfehlung an andere weiter.
    Deswegen sind wir nach wie vor gefragt, oft ein Stein des Anstoßes in dieser Welt, aber ein wichtiger Stein der Hoffnung.