Freitag, 31. Juli 2015

Der Stich in ein Wespennest

Ihre seid doch jetzt schon über 2 Monate zurück in Ecuador nach Eurem Deutschlandbesuch. Ständig verkündigt Ihr, dass der Bau des Hospitales losgeht. Ihr habt am 19. Juni feierlich die Grundsteinlegung mit den Provinzautoritäten gefeiert. Wo geht es denn endlich los? Das sind berechtigte Fragen unserer Freunde. Was ist denn da los?

Nun, wir haben wirklich die symbolische Grundsteinlegung gefeiert. Dabei haben wir den Menschen erstmals erzählt, wo wir bauen wollen. Dann ging es los. Die Wespen schwirrten aus und begannen wild um sich zu stechen:
So nach nach kommt erst die ganze Wahrheit ans Licht des Tages.
Das Gelände ist Teil einer ehemaligen Teeplantage mit Besitzern in den USA und einem Geschäftsführer, der die Arbeit macht und von seinen Rechtsanwälten nicht immer gut beraten wird, die aber ordentlich dafür kassieren. Denn mit der Zeit haben viele "Mäuse" versucht, sich an dem Kuchen von über 900 ha Land gütlich zu tun, legal oder illegal, denn der Geschäftsführer kann sich hier kaum noch vor Ort blicken lassen, so sehr sind die Menschen der Region hinter ihm her.
Teile des Landes sind bereits verkauft worden. Teile unseres Landes sind darunter. Ca. 100 Siedlerparteien haben offiziell alle Rechte zurückzugeben und wir wären rechtlich ohne Probleme. Aber dann fühlten wir Widerstand ohne die Gründe zu kennen. Schließlich haben wir das Ganze aufgedeckt und uns außergerichtlich geeinigt, geben ihnen von unserem Land ab, regeln alles neu und haben jetzt 100 "Freunde" gewonnen. (und hoffentlich Patienten für unser Hospital in der Nachbarschaft).
Aber jetzt kommt raus, dass politische Kräfte versucht haben, das Land der Teeplantage zu enteignen. Da treffen sich mehrere politische Gruppierungen, die Korruption der Vergangenheit vertuschen wollen, die ihr eigenes Schäfchen ins Trockene bringen wollen und solche die einfach mitschwimmen.
Da hat jemand auf dem Gelände der Teeplantage ein Hotel gebaut und alle Papiere sind legal gezeichnet, andere haben sich ganz offiziell einige Hektar unter den Nagel gerissen mit offiziellen Papieren. Jetzt sind einige Politikerposten am Wackeln, denn jetzt wird Vergangenheit aufgerollt, darunter einige der Präsidentenpartei. Das alles kommt jetzt Stück für Stück ans Licht der Öffentlichkeit. Viele neue Prozesse stehen an. Da werden vermutlich auch politische Köpfe rollen.
Dabei hatte die Regierung versucht, nach der Wahlniederlage in der Provinz Pastaza Land gut zu machen. Deswegen war das neue Hospital des Gesundheitsministeriums in der Provinzhauptstadt Puyo DAS Vorzeigeprojekt des Landes. Nur dass es immer noch nicht komplett eröffnet wurde. Es fehlt an Personal und Geld jetzt in der zunehmenden Wirtschaftskrise des Landes. Und 7 km weiter soll in Shell ein neues Hospital gebaut werden? Wie viele Sitzungen im Gesundheitsministerium gab es wegen uns? Zusetzt kamen 13 Ölgesellschaften dort zusammen und unterschrieben ihren Entschluss für das Hospital in Shell. Andere Firmen wollen sich ebenfalls beteiligen. Für uns ist das ein überwältigendes Ereignis.
Das neue Hospital in Shell hat jetzt breite Unterstützung. Unsere Gruppe von Unterstützern hat jetzt die Hand am Hebel: Denn nur sie können die alte Finanzschuld der Teeplantage bei der Zentralbank begleichen. Die Verträge sind unterschrieben und notariell beglaubigt. Auch die Indianerorganisationen kauften einen guten Teil der Plantage. Auch diese Verträge sind rechtgültig. Auch die Indianer sind von Ölgesellschaften finanziell unterstützt. Somit kann die Regierung keinen legalen Schritt zur Enteignung einleiten.
Was sonst noch alles legal und illegal läuft, kann ich nicht schreiben. Das wird die Zukunft zeigen, wird uns aber nicht tangieren.
Hätten wir gewusst, was in diesen zwei Monaten auf uns zukommt, hätten wir einen anderen Bauplatz gewählt. Aber Gott war immer mit uns. Wir haben in das Wespennest gestochen ohne es zu wissen. Deswegen musste einige Zeit vergehen und wird es noch. Unser Hospital wird ungewollt für Klarheit sorgen.
Aber auf unserem Gelände wird der Teebaumurwald bereits gerodet. Wir warten auf die Unterschrift der Gesundheitsministerin ohne Groll. Denn Gott wird es machen. Und heute wurde beschlossen, dass wir im September mit der Sprechstunde von Ärzten begonnen wird, in einem gemietet Haus in der Nähe des neuen Krankenhauses als Grundlage für ein Team der Zukunft.
Wird die Gesundheitsministerin die Genehmigung für unser Hospital unterschreiben?

Freitag, 10. Juli 2015

Ein salomonischer Vergleich?

Vor fast einem Monat haben wir bei unserem Krankenhausprojekt die "Grundsteinlegung" symbolisch gefeiert. Wir hatten einen Vertrag über das Land geschlossen und die erste Zusicherung des Gesundheitsministeriums für den Bau. Alles schien glatt zu gehen. Aber da waren auch noch Schwierigkeiten zu überwinden. Nach der Feier regte sich Widerstand, nicht offen, aber wir bekamen immer wieder Hinweise, dass Menschen damit nicht einverstanden waren.
Das Bauland ist Teil einer ehemaligen Teeplantage, bei der der Staat die Hand drauf hält, weil alte Schulden nicht beglichen wurden. Mit der Zentralbank Ecuadors ist das besprochen und genehmigt worden. Unsere Geldgeber werden diese Schuld übernehmen. Dann ist das Land frei und kann in Teilen verkauft werden. Das klang alle sicher. Aber es gibt eine Gruppe Menschen, die sich sowohl beim Gesundheitsministerium als auch bei der Zentralbank gegen unsere Pläne einsetzten, aber warum? So langsam kam die Wahrheit ans Licht:
Die Besitzer der Teeplantage hatten schon seit Jahren Menschen in diesem Gebiet einen Bauplatz versprochen und die hatten über einen Mittelsmann Geld eingezahlt. Man sprach von 30 Mitgliedern dieser Gruppe. Inzwischen haben wir herausgefunden, dass es knapp 100 sind, von denen viele aber nur einen Teil angezahlt haben. Diese Menschen haben seit Wochen gegen uns gearbeitet und hinten herum gegen uns gearbeitet bei den verschieden politischen Parteien und Gremien.
Jetzt haben wir den Stier bei den Hörnern gepackt und uns mit einigen von ihnen getroffen und dabei kam heraus, dass es klare Baupläne für einen neuen Ortsteil in Shell gab, die auch die Ortsverwaltung unterstützt. In einem Plan sind die Grundstücke schon eingeteilt. Aber das Land war ja noch nicht frei. Das ist es erst, wenn die große fast 1 Mio. Schuld bei der Zentralbank beglichen wird.
Von den Plantagenbesitzern hörten wir nur, dass die "wenigen" Anwärter auf einen Bauplatz ausbezahlt werden und wir damit mit dem Bau anfangen könnten. Die aber wollten nicht aufgeben. Jetzt standen wir vor dem Dilemma:
Ca. 100 Personen wollen ein Bauplatz, haben einbezahlt aber andererseits auch unterschrieben, dass sie mit der Auszahlung ihres Geldes einverstanden sind und damit keine Rechte mehr haben. Es handelt sich um Grundstücke von jeweils 500 m². Diese Menschen arbeiten ohne rechtliche Grundlage gegen uns.
Hier kommt wieder lateinamerikanischen Denken zum Tragen. Menschen investieren in der Hoffnung auf eine Zukunft windigen Geschäften Geld. Seit 14 Jahren ist die Teeplantage pleite und der Staat hält wegen Steuerschulden seine Hand drauf. Nichts läuft mehr, aber Menschen investieren. Und weil es viele sind, fühlen sie sich im Recht, auch wenn sie es nicht sind. Dann wird die Sache politisch. Wie kommen wir aus diesem Teufelskreis raus? Wir sind offiziell im Recht, haben aber langen Widerstand zu erwarten. Der Baubeginn könnte sich um Jahre verzögern. Denn keine Verwaltung gibt grünes Licht, wenn viele Menschen dagegen opponieren.
Unser Plan ist folgender: Wir geben an alle, die voll für ihren Bauplatz eingezahlt haben, von unserem Gelände ab. Als Gegenleistung werden die Bauplätze neu verteilt, so dass wir ein zusammenhängendes Neubaugebiet haben und daneben das Hospital mit seinen Zusatzbauten. Wir verlieren ca. 5 Hektar Land, was wir aber verkraften können. Dafür werden wir aber fast 100 Familien haben, die in unmittelbarer Nähe wohnen und unsere Patienten sein werden. Und mit einem Hospital in unmittelbarer Nähe wird ihr Bauplatz viel mehr wert sein als ursprünglich einbezahlt..
Die Gruppe muss jetzt selbst aktiv werden und intern den Vorschlag annehmen. Wir werden bei der Versammlung dabei sein und beratend zur Seite stehen. Wenn jede Seite etwas aufgibt und wir uns gütlich einigen werden, können wenige Tage später die Baumaschinen anrollen, die schon seit Tagen in Bereitschaft stehen.

Dienstag, 7. Juli 2015

Der Ton wird schärfer

Der Papstbesuch ist zu Ende. Die Straßensperren in Quito sind aufgehoben. Die Ferien haben begonnen und es soll ruhig werden in den großen Städten. Doch wir sehen einer unruhigen Zeit entgegen. Es wächst der Widerstand gegen die Regierung Correa und seiner Partei. Und es zeigt sich eine neue Form des Protestes - spontane Versammlungen per Flashmob über die sozialen Netze. Tausende Protestler kommen schnell zusammen und beginnen eine Protestkundgebung, die aber auch schnell wieder aufgelöst werden kann. Die Opposition zeigt Flexibilität.
Jetzt versucht die Regierungspartei zu reagieren. Innerhalb von 30 min sollte sich der Platz vor dem Präsidentenpalst mit Sympathisanten füllen, was nicht gelang. Dabei sind staatliche Mitarbeiter verpflichtet, auf solche auch nächtlichen Befehle zu gehorchen.
Der Ton zwischen Regierung und Kritikern ist schärfer geworden. Der Präsident reagiert in seiner wöchentlichen Fernsehansprache mehr und mehr mit Anschuldigungen. Die Medien sind voller Hetzpropaganda gegen seine politischen Gegner. Seit Neustem läuft das in persönlichen Angriffen speziell gegen den Bürgermeister der Hafenstadt Guayaquil Jaime Nebot, dessen Leben persönlich in den Dreck gezogen wird. Angebotene Dialoge mit der Opposition hat es bislang nicht gegeben. 
Einer der derzeitigen Streitpunkte ist das neue Erbrecht, in dem der Staat angeblich nur von 2 % der Gesamtbevölkerung Steuern einziehen will. Dieses Erbrecht hat auch den Mittelstand und vor allem Hausbesitzer aufhorchen lassen. Die Regierung hat dieses Gesetz erst einmal verschoben, betont aber, dass es in Kraft treten wird.
Der Druck, den die Regierung spürt, wurde gerade beim Papstbesuch deutlich. Bei der Begrüßung des Oberhauptes der katholischen Kirche sprach Franziskus ganze 6 min, Correa aber über 20 min. um seine Politik ins rechte Licht zu rücken - diplomatisch gesehen ein Affront. Und als der Papst dann im Wagen feierlich in Quito von der Bevölkerung gefeiert wurde, gab es Rufe wie "Correa raus! hinter dem Papst.
Natürlich waren alle Mitarbeiter der Ministerien und staatlichen Einrichtungen verpflichtet, an der Messe auf dem alten Flugplatz in Quito teilzunehmen. Für den Rest der Menschen war es ein Staatsfeiertag zur freien Verfügung.
Die Regierung kämpft ums Überleben. Nach wie vor hat sie die Medien fast komplett unter Kontrolle. Neben der Presse soll jetzt auch das gesamte private Gesundheitssystem kontrolliert werden (wieder eine neue Behörde). Offiziell geht es dabei um Qualitätskontrolle, aber wohl in erster Line um Preisvorschriften.
Auf der anderen Seite fehlt das Geld. Staatliche Mitarbeiter werden oft nur mit Verzögerung bezahlt. Die Rentner protestieren gegen die leere Rentenkasse. Lehrer gehen nicht in Rente, weil sie sonst ohne Auszahlung dastehen. Die Baubranche erlebt einen Einbruch, weil der Staat bisher der Hauptarbeitgeber war.
Mitten in der zweiten Amtszeit von Correa macht sich die Krise bemerkbar. Wer aber jahrelang seine politischen Gegner gefahrenlos persönlich beschimpfen konnte und es jetzt noch heftiger tut, muss sich nicht wundern, dass die Menschen über den Stil müde werden. Gegner abzustempeln ist eben nicht die richtige Art, politische zu überleben.
Die Frage ist nur, was kommt danach. Es gibt derzeit keine Alternative zur jetzigen Regierung. Die Opposition ist sich nicht einig und das ist ein ähnliches Phänomen wie derzeit in Venezuela oder Bolivien.