Freitag, 25. Dezember 2009

Begrenzte Ruhe zu Weihnachten

Die letzten Tage waren wir fast nur noch im OP. Bis zu 10 Operationen täglich und dann all die Verbandswechsel. Das Hospital zählte zeitweilig stationäre 47 Patienten. Wir haben entlassen, wer irgend gehen konnte. Alle Patientenliegen waren als Betten benutzt. Seit "Ärzte ohne Grenzen" und andere Organisationen Patienten in den Lagern behandeln, kam auch Kontakt zu den Rebellen auf und ihre Verwundeten kamen zu uns. Keiner sagt etwas Genaues, aber es muss einige Gefechte mit Regierungseinheiten gegeben haben. Daneben sind die Rebellen aber auch dreister geworden und haben versucht, ein Versorgungsschiff mit Sprit für Impfondo auf dem Ubangui zu kapern. Es kam zum Schusswechsel. Schließlich erreichte das Schiff Impfondo unter Hubschraubergeleitschutz.
Unsere Zeit endet nun. Es ist auch gut so. Wir haben kaum noch Verbandsmaterial, keine Schrauben und anderes Material für offene und infizierte Knochenbrüche. Alles, was wir mitgebracht haben und was es hier gab haben wir aufgebraucht.
Heute war Visite mit vielen Fotos. Einige der Krankenpfleger verdienen sich damit Geld, dass sie die Patienten im Op oder danach und im Genesungsbett fotografieren. Jeder möchte davon ein Erinnerungsfoto, und nach 3 Monaten natürlich besonders mit uns dreien aus Ecuador.
Wenn es klappt, werden wir morgen (26. Dez) nach Brazzaville fliegen und am 28. Dez das Land verlassen.

Dienstag, 22. Dezember 2009

Kein Frieden auf Erden:

Hier ist keine sehr weihnachtliche Stimmung. Das schöne Miteinander mit den Patienten nahm ein jähes Ende. Neue Verletzte kamen dazu. Heute kamen neun weitere. Aber die sind jetzt von der anderen Seite, von den Rebellen. Und auf einmal ist die Stimmung eisig. Wir haben entlassen wer möglich war, aber wieder ist das Hospital mit über 40 Patienten übervoll. Schussverletzungen in fast allen Räumen. Heute kamen 9 weitere, alles junge Männer zwischen 17 und 23. Jetzt geht es darum, dass Menschen hier lernen, mit den Feinden zu leben. Die bilden derzeit sogar die Mehrheit. Wir hoffen, dass das neue Miteinander klappt. Und nebenbei die anderen Patienten, die geplanten Operationen. Es geht vor Weihnachten nochmals rund mit bis zu 6 chirurgischen Eingriffen pro Tag. Da kommen auch bei uns keine besonders weihnachtlichen Gedanken auf, denn jetzt sind Organisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" aktiv geworden und suchen nach weiteren Verwundeten. Wir könnten gut und gerne noch einige Monate hier bleiben. Gebraucht würden wir. Auf der anderen Seite sind wir aber auch froh über den Abschluss der Arbeit hier.

Samstag, 19. Dezember 2009

Abschluss der medizinischen Arbeit:


Unsere verletzten Congolesen der anderen Seite des Ubangui genesen. Die ersten 3 sind zur Weiterbehandlung in der Hauptstadt oder schon gesund, Anfang nächster Woche werden drei weitere entlassen.
Was hatten sie für Verletzungen? Es sind einerseits Schuss - Knochenbrüche. Die haben wir mit äußeren Fixateuren versorgt. Die Wunden heilen, aber die Knochenbrüche brauchen noch Wochen und Monate bis zur endgültigen Stabilisierung. Für 2 der Patienten kam unsere Hilfe aber zu spät. Um ihr Leben zu retten, mussten wir den rechten Arm bzw. bei einem 14-jährigen Mädchen den linken Unterschenkel amputieren.
Viel schlimmer hat es die Macheteverletzten getroffen. Dort hat man gezielt die Menschen zu Krüppeln machen wollen. Abgehackte Hände lassen einen als Krüppel erscheinen. Damit kann man betteln gehen. Doch wer gibt einem etwas, der noch Hände hat, auch wenn diese nicht funktionieren? So haben zwei Patienten gezielte Sehnendurchschnitte von Beuge - und Strecksehnen erlitten. Einer Frau zusätzlich die Schulter und den Schädel gespalten, aber eben nur ganz leicht, dass sie nicht daran sterben. Einem öffentlichen Angestellten haben sie die Sehne unterhalb des Kniegelenkes durchtrennt. Das alles wäre nicht so schlimm, wenn solche Patienten sofort im Op versorgt worden wären. Sie kamen zu uns mit infizierten, offenen Wunden, ja offenem Kniegelenk eine Woche nach der Verletzung an. Wenn dann nach 4 - 6 Wochen die Wunden verheilt sind, ist es äußerst schwierig, die Sehen noch zu nähen. Dann hat sich das Gewebe verkürzt und ist in Auflösung begriffen.
Aber bei aller Begrenzung haben wir dankbare Patienten. Sie wissen, dass sie woanders keine Chance gehabt hätten und eine Behandlung in der Hauptstadt Brazzaville oder Kinshasa hätte keiner von ihnen bezahlen können. Jeder Abschied eines dieser Langzeitpatienten ist ein Fest mit Gesang, vielen Worten und Fotos.

Donnerstag, 17. Dezember 2009

Neue Auswirkungen des Krieges beim Nachbarn:

Gestern waren wohl erstmals Schüsse nördlich von Impfondo zu hören. Die Leute hier werden nervöser. Weitere Verletzte und Flüchtlinge sind über den Fluss gekommen und in einem kleinen Konvoi hat ein Team der Organisation "'Ärzte Afrikas" einige von ihnen nach Impfondo gebracht. Dabei war der 17 - jährige Sohn des hiesigen Chirurgen, der derzeit frei hat aber auf dem Weg hierher ist. Sein Sohn war in einem Internat in der Demokratischen Republik Congo, das die Rebellen angriffen. Die Schüler flohen. 7 Tage hat er sich mit Schulkameraden durch den Dschungel geschlagen, mit ansehen müssen, wie sie einem Mitschüler die Hände und den Kopf abschlugen, nicht zu essen gehabt. Doch er kam durch.
Im gleichen Konvoi kamen 2 Schussverletzte mit nach Impfondo. Einer von ihnen, ein 14 - Jähriger hat einen Oberarmdurchschuss seit über einer Woche. Dann stellte sich heraus, dass es sich um verletzte Rebellen handelt. Jetzt liegen sie erst einmal unter Polizeischutz im staatlichen Krankenhaus. Bevor sie behandelt werden können müssen sie erst einmal überleben. Denn die Bevölkerung ist aufgebracht.
Und wir warten immer noch auf die Kranken des Hospitales aus Tandala. Sie müssten längst hier sein. Von ihnen gibt es keine Nachricht.

Sonntag, 13. Dezember 2009

Ein bewegender Gottesdienst:

Heute im Gottesdienst nahmen wir Abschied von 2 Patienten, die in dieser Woche die Behandlung hier verlassen werden. Der eine ist glücklich, nach Unterschenkeldurchschuss noch seinen Fuss zu haben, wenn auch der Knochen noch Monate bis zur Heilung braucht. Der andere kam mit verfaultem Arm und wurde sofort amputiert. Er ist froh, dass er noch am Leben ist. Beide erzählten, wie eines zum anderen kam, dass sie nach der Katastrophe des Rebellenüberfalls noch raus kamen, wie sie mit einem Boot über den Fluss fliehen konnten und dann Transport hierher fanden, wo sie umgehend behandelt wurden, was in Afrika auch nicht selbstverständlich ist. Anschließend begann einer von ihnen zu singen und Gott zu danken. Die ganze Gemeinde fiel in einen typisch afrikanischen Wechselgesang ein. Es war für uns ein bewegendes Zeugnis und wir sind dankbar, zur rechten Zeit hier gewesen zu sein.
Dafür gibt es besorgniserregende Nachrichten aus der Demokratischen Republik Congo. Die Rebellen sind wohl weiter auf dem Vormarsch. Ein Krankenhaus in Tandala in der Nähe von Gemena im nordwestlichen Zipfel des Landes wurde geräumt und über 80 Patienten sind auf dem Weg, möglicherweise hierher. Wir haben keine näheren Nachrichten, richten uns aber auf eine arbeitsreiche restliche Adventszeit ein. Näheres zu gegebener Zeit.

Samstag, 12. Dezember 2009

Verschiedenes

Unsere Zeit hier in Impfondo neigt sich so langsam dem Ende entgegen. Wir sind froh, bald aus dem Rampenlicht zu verschwinden. Unser Krankenhaus scheint das Wichtigste im ganzen Congo zu sein. Heute kommt mit dem Gesundheitsminister bereits der dritte hohe Staatsgast außer den UNO - Besuchern. Dabei macht jeder Besucher Versprechungen. Hier und da haben wir auch schon etwas Geld für die Kosten der "Kriegspatienten" bekommen, aber ansonsten bekommt nur das staatliche Hospital hier vor Ort etwas, obwohl sie die Patienten nicht versorgt haben. Es ist schon ein Staatsakt, wenn bei einem Ministerbesuch so 20 neue Geländewagen vorfahren. Man fragt sich, wo diese Autos denn sonst sind. Man sieht nur wenige von ihnen im alltäglichen Straßenverkehr von Impfondo.

Ein Pymäenpatient soll entlassen werden, aber seine Freunde bitten um Aufschub für eine Woche. Grund: Der Patient hat keine Bleibe. Sie haben gerade erst die $ 140,- bekommen und bauen ihm davon in den nächsten Tagen ein Haus, eine Lehmhütte. Das ist ungefähr der Preis für ein einfaches chinesisches Fahrrad hier.

Wir leben weit ab vom Geschehen der Welt, aber nicht so weit, dass uns nicht die Schweinegrippe eingeholt hätte. Letzte Woche kamen mehrere schwerkranke Kinder hier an, eines davon verstarb. Eine ganze Familie mit 7 Kindern war betroffen gewesen. Was Ecuador nicht aufweisen kann - der Congo hat ein komplettes Labor zum Nachweis solcher Viren geschenkt bekommen. 4 der ersten 7 Tests, die wir eingeschickt haben, sind positiv auf diese Grippe. Unser Kollege Dr. Panchi hat bei dem verstorbenen Kind Mund zu Mund Wiederbelebung probiert und klagte einige Tage danach über Husten. Jetzt ist er wieder fit. Der Gesundheitsminister hat heute antivirale Medikamente zu bringen versprochen. Wir brauchen die nicht mehr.

Sonntag, 6. Dezember 2009

Die aktuelle Lage in der Demokratischen Republik Congo

Unser Nachbarstaat auf der anderen Seite des Ubangui ist uns nach wie vor ein Rätsel. Was wie ein lokaler, kleiner Konflikt aussah, scheint ein Flächenbrand zu sein, den so schnell keiner löscht. Die Regierung in Kinshasa hat Truppen dorthin verlegt, aber wir hören nichts von Kämpfen. Es wird wohl auch verhandelt, aber davon bekommen wir nichts mit. Auf der anderen Seite ist die Zahl der Flüchtlinge auf unserer Seites des Ubangui laut UN - Angaben auf mittlerweile 80.000 gestiegen. Dabei sind die gar nicht mitgerechnet, die im eigenen Land nach Osten geflohen sind. Die zählt keiner. Für die gibt es keine Flüchtlingslager, in denen sie Decken, Zelte und auch Lebensmittel erhalten. Wir sind immer wieder erstaunt, wie effektiv doch die Hilfe der UN ist. Von Impfondo aus arbeiten sie mit Hochdruck und sehr effizient. Dabei hatte es schon Überlegungen gegeben, das hiesige Quartier des Hochkommissars für Flüchtlingsfragen (UN-HCR) zu schließen.
Was ist unser Part in dieser Auseinandersetzung? Nun, unsere "Kriegsverletzten" sind allesamt auf dem langen Weg der Besserung. Aber wir erhalten mehr und mehr Erkrankte der verschieden Flüchtlingslager am Fluss. Kinder mit Malaria und Vieles mehr. Gut, dass wir Platz haben. Zeitweilig war die Hälfte unserer Patienten von drüben.
Auf die Frage, wie sicher wir hier sind, kann uns keiner eine Antwort geben. Unser Militär ist am Fluss stationiert. Wir haben eine große Garnision hier. Auf der anderen Seite gibt es in der Mission Evakuationspläne für den Notfall. Die Notkoffer sind gepackt. Aber die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr für uns ist sehr gering.
Das ist Advent in Zentralafrika. Von Advents - oder Weihnachtstimmung keine Spur.

Dienstag, 1. Dezember 2009

Aus unserer Arbeit

Oft genug kommen wir an unsere medizinischen Grenzen. Da ist ein 17 - Jähriger, der nach Blinddarmoperation im anderen Congo zu uns kam, weil die Bevölkerung dort samt Arzt floh. Der ganze Bauchraum voller Eiter. Wir haben ihn schon dreimal im Op gehabt, um den Bauchraum zu säubern. Ob er es hier unter diesen schlechten Bedingungen schafft zu überleben, bezweifeln wir alle, aber wir geben ihm jede Chance.
Kinder kommen oft sehr spät zu uns. Hämoglobinwerte unter 5gr% sind nicht selten (normal 12 gr% und aufwärts). Viele Patienten mit so niedrigen Blutwerten haben wir auch operieren müssen. Dabei ist erstaunlich wenig passiert. Nur viele Kinder überleben die Blutarmut bei Malariaanfall nicht, weil sie zudem noch unterernährt sind. Dabei muss man erst einmal ein Augen für Unterernährung haben. Da sind die Kinder zu klein für ihr Alter, haben rötliches schütteres Haar als eines der wenigen Zeichen.
Unsere Schuss - und Macheteverletzten aus dem Bürgerkrieg des anderen Kongo sind auf dem Weg der Besserung. Die ersten zwei sind entlassen, andere wenige Tage davor. Bis Weihnachten sollen alle entlassen sein. Einer von diesen "Kriegsverletzten" fiel mir auf, weil sein verletztes Bein so lang ist wie das Gesunde. Dabei ist es durch den Oberschenkeldurchschuss und die lange Wartezeit bis zur OP verkürzt. Erst nach langem Nachfragen hat der Patient zugegeben, dass dieses Bein vorher einige Zentimeter zu lang war. Manchmal hat ein Unfall auch mal was Gutes.
Große Probleme haben wir mittlerweile mit einem Schädelverletzten. Ein Panther hat ihn angefallen und in die Kopfhaut gebissen. Eine Auge ist dabei verloren gegangen. Und über 60% der Schädelhaut ist nekrotisch, faulig stinkend und es wimmelt von Maden darin. Der Knochen ist blank. Die Hirnhautinfektion ist bereits vorprogrammiert.