Sonntag, 29. Mai 2011

Ein Vorbild

Vor mit sitzt ein kranker Mann. Er ist erst 48 aber sichtbar geschwächt. Der Diabetes läßt ihn alt aussehen. Als ich ihn das erst Mal sah, war er noch muskulös und kräftig, auch wenn sein Leben damals am seidenen Faden hing. Nach einem Motorradunfall hatte er innere Blutungen und Verletzungen. Er war notfallmäßig versorgt worden und kam dann zu uns ins Hospital zu weiteren Operationen. Eine große Narbe über den Bauch von oben bis unter zeugt heute noch davon. Das hat er überstanden. Doch sein Diabetes, den er seit 4 Jahren kennt, hat sich in der letzten Zeit verschlechtert. Wir fragen nach der Ursache. Was hat sich in seinem Leben geändert, das ihn aus der Bahn geworfen hat? Es sind die Angriffe auf seine Familie.
Cristobal W. ist Shuarindianer aus dem Süden des ecuatorianischen Urwaldes nahe der peruanischen Grenze. Er kam vor vielen Jahren durch Missionare zum Glauben, ließ sich ausbilden und ist seit vielen Jahren Pastor eine wachsenden Gemeinde bei Taisha. Er liebt es, sich um seine Leute zu kümmern und man spürt ihm die Begeisterung trotz Krankheit noch ab. Aber so eine Gemeinde im Urwald hat auch ihre Anfechtungen. Da sind die Schamanen und ihr Zauber, den sie auf Menschen legen können. Menschen werden verunsichert und versuchen sich zu schützen. Da zu einem fröhlichen Leben im Alltag zu gelangen, fällt vielen Menschen heute noch schwer, denn die Bedrohung ist allgegenwärtig und die Gefahr ist groß, wieder in das alte Leben zurück zu fallen und sich mit einem Gegenzauber zu schützen. Viele Gemeindemitglieder leben da nach wie vor noch in zwei Welten, der alten und der neuen.
Und da ist die kath. Kirche, die zunehmend Mitglieder verliert. In dieser Region Ecuador ist sie die Amtkirche, die mit viel Vermischung mit der Zauberkraft und Heiligenkulten bisher das Sagen hatte. Jetzt laufen auch ihr im Zuge der Säkularisierung die Menschen weg. Also sind die "Evangelischen" die Schuldigen. Ein Priester rief zu Gegenmaßnahmen gegen Cristobal und seine Gemeinde auf. Er soll entfernte Verwandte des Pastors bezahlt haben. Jedenfalls überfielen sie seine 13-jährige Tochter, vergewaltigten sie. Mit vielen Verletzungen, u.a. eine, Unterkieferbruch wurde sie notfallmäßig nach Quito geflogen und dort operiert. Sie hat es überstanden, aber den Vater hat diese Tatsache tief getroffen. "Da hast Du wohl ein bisschen übertrieben, dass das der Priester angezettelt haben soll", werfe ich ein. Nein, sagt er. Diese Vergewaltiger seien heute rechtskräftig verurteilt und im Gefängnis und der Priester geflohen. Das sagt doch alles!
Wie finanziert sich eigentlich so eine Gemeinde im Urwald? Man hat ihm als Pastor ein Gehalt angeboten. Doch das hat er abgelehnt. Dann wäre er abhängig. Nein, Cristobal W. hat seine Chagra, sein Feld, wie alle anderen, hat eine kleine Hühnerzucht und baut Ananas an, die er verkauft. Davon lebt er. Aber er hat sich sehr über seine Gemeinde gefreut, die ihm bei den Unkosten für seine Tochter geholfen hat. Die Behandlung in staatlichen Krankenhäusern ist zwar vielfach kostenfrei, aber da müssen ein Implantat, Utensilien für die Operation gekauft werden und die Begleitpersonen brauchen Unterkunft und Verpflegung. Dabei hat die Gemeinde nach Kräften geholfen.
Für mich ist das ein leuchtendes Beispiel, wie Kirche lebt. Es ist keine Amtskirche. Sollten wir nicht auch wieder zu solch einem Kirchenmodel kommen, das dem biblischen viel näher kommt? Aber es rückt auch den persönlichen Einsatz an erste Stelle. Nicht umsonst ist der Bitzucker von Cristobal W. durcheinander geraten. Ich schäme mich da als Missionar schon ein wenig. Welch gute soziale und gesundheitliche Absicherung habe ich doch im Gegensatz zu ihm. Ist vielleicht deswegen unser Zeugnis zu lau?

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