Sonntag, 30. März 2014

Ein Wahrzeichen Quito weniger - Das Gefängnis García Moreno



Am Rande der Altstadt von Ecuadors Hauptstadt in den Bergen liegt idyllisch ein Ort, der jedem Bürger die andere Seite des Lebens dieser Stadt vor Augen hält. Mit Blick auf den Panecillo mit seiner großen Marienstatue, die das Kapitel 12 der Apostelgeschichte sichtbar für alle verkörpert und am Rande des größten Markplatzes der Stadt klebt am Berg das berühmte Gefängnis García Moreno, genannt nach dem Staatspräsidenten, der es erbaute. Es lag seinerzeit am Rand der Stadt. Seit 1874 ist es in Betrieb und hat auch viele politischen Gefangenen gesehen. Der 5 – sternförmige Bau sollte einst von der Mitte aus gelenkt und kontrolliert werden, Dazu kamen aber zahlreiche spätere Bauten etwa für prominentere Gefangene, so dass vom Grundriss nur noch etwas aus luftiger Höhe vom Berg aus zu erkennen ist. Geplant war es als Schule und als Fabrik, denn die Gefangenen sollten geschult werden und auch arbeiten dürfen oder müssen. Aber die Zeit ist längst vorüber, seit das Gefängnis seit langer Zeit heillos überbelegt ist. Bis Januar 2014 waren es 3255 Gefangene. Gebaut wurde es für max. 500 Gefangene. Schulung und Arbeit sind in García Moreno schon lange ein Fremdwort, genauso wie der offizielle Name der Strafbehörde mit „Rehabilición Social“ = soziale Wiederherstellung. Das Gefängnis war zu machen Zeit fast unregierbar. Fast wöchentlich gab es Tote bei Auseinandersetzungen von Banden der Gefangenen. Besuche waren oft genug Abenteuer in diesem Männergefängnis.
García Moreno war oft genug in den Schlagzeilen, weil auch ehemalige Staatspräsidenten dort festgehalten wurden. Eloy Alfaro, der Revolutionär der Liberalen Revolution, saß 1912 in Zelle 13 des E-Traktes, bevor er vom Pöbel gelyncht wurde. Der letzte Staatspräsident dort war Lucio Gutiérrez. Aber es gab auch Ausbrüche. Wächter wurden bestochen, Tunnel wurden gegraben unter der Außenmauer durch. Der Ort hat Geschichte.
Jetzt hat die Regierung einen ersten Schritt unternommen. Im Februar wurden über Nacht 351 Gefangene in die Nachbarprovinzstadt Latacunga verlegt in einen Neubau, der aber noch lange nicht fertiggestellt ist. Weitere Neubauten werden errichtet und im Juni dieses Jahres sollen die letzten Gefangenen García Moreno verlassen. Dann werden auch die Wachmannschaften abgezogen und ein ganzer Bezirk Quito wird menschenleer werden. Ein Hotelbau soll an dieser Stelle treten. Der wird das Bild eines ganzen Stadtteiles ändern. Die Aufpasser privater Utensilien werden verschwinden, denn Handy und viele andere Gegenstände wir dunkle Kleidung und scharfe Gegenstände bleiben draußen für 50 Cents Aufpasserlohn pro Person. Dann wird der Markt nebenan andere Kunden bedienen als die Familienangehörigen, die Kleidung oder Nahrung für ihre Angehörigen drinnen besorgen. Auch manche Buslinie wird sich dann nicht mehr dorthin rentieren.
Beim Abriss des Altbaus, so munkelt man in Quito, sind wir einmal gespannt, wie viele unterirdische Gänge es wirklich gibt. Einige sprechen von einem Maulwurfsbau, auf dessen verschiedene Ausgänge wir gespannt sind. Aber eines ist auch klar: Von wirklicher sozialer Integration ist auch das neue Justizsystem Ecuadors mit neuen Gefängnissen noch weit entfernt.

Mittwoch, 12. März 2014

Im Namen der Sichertheit - weitere Überwachung in Ecuador



 In den nächsten Tagen tritt eine Verordnung in Kraft, alle Handytelefone in Ecuador registrieren zu lassen. Die Telefongesellschaften sind darauf vorbereitet. Jedes hier funktionierende Mobiltelefon braucht einen sogenannten „Ecuapass“ der obersten staatlichen Telefonbehörde. Das ist kein Problem für hier gekaufte Apparate. Die haben die Registrierung automatisch. Es geht um die eingeführten Telefone. Die muss man unter Vorlage der Personalien und der Rechnung registrieren und dann 27,5% des Einkaufsspreises an Steuern bezahlen. 60 Tage hat man nach der Einfuhr dazu Zeit. In Zukunft soll das direkt am Flughafen geschehen. Dort hat man Scanner und andere nötige Überwachungsmöglichkeiten. Bei der Landeinreise dauert es noch eine Weile.
Hintergrund ist zunächst, dass der Staat Steuern eintreiben will. Und dieser Markt ist lukrativ. So war es in der Vergangenheit gestattet, ein neues Gerät bei der Einreise frei mitzubringen. Das muss jetzt versteuert werden.
Die Begründung für die jetzige Registrierung ist aber der Kampf gegen den Diebstahl. Man schätzt gestohlene 4 Millionen Handytelefone in Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien. Diese 4 Länder wollen jetzt Informationen austauschen. Zwei Jahre lang wurde ein gemeinsames Überwachungssystem ausgearbeitet. Viele Telefone wandern ins benachbarte Ausland und werden dort auf dem Schwarzmarkt verkauft. Jetzt soll die Negativliste untereinander ausgetauscht werden. Was sonst noch über die Telefone registriert wird, können wir nur ahnen, denn die Behörde der zentralen Telefonüberwachung braucht ständig neue Gebäude und mehr Platz.
Dass der Staat Steuern abschöpft und auch das Verbrechen gekämpft, ist eine positive Sache. Das ist seine Recht bzw. seine Pflicht. Was bedenklich ist, ist die zunehmende Überwachung der Bürger. In den großen Städten sind überall Kameras angebracht, nicht nur zur Verkehrsüberwachung. Auch Fußgänger werden registriert. Busse und Taxis haben mindestens jeweils 2 Kameras sowie Audioverbindung. Jetzt ist es amtlich: Die Verkehrszentrale ist JEDERZEIT mit dem Fahrzeug verbunden. Der Chauffeur oder der Fahrgast können Hilfe rufen, indem sie mindestens 2 Sekunden lang einen roten Knopf drücken. Dann meldet sich die Zentrale, die aber ihrerseits ständiger Begleiter im Fahrzeug ist, mit hört und mit sieht, wann sie es will.
Was der Staat mit all der Information macht, das sehen wir nur hier und da absatzweise. Die USA haben es uns vorgemacht und sicher wissen wir nur einen kleinen Teil der Wahrheit. „Big Brother is watching you“ – gilt nun auch für Ecuador.

Sonntag, 2. März 2014

Eine neue Gemeindeerfahrung

Faschingswochenende in Ecuador. Das ganze Land scheint mit dem Auto unterwegs zu sein, als wir am Samstag vor der Dämmerung aufbrechen. Wir, das sind das Gründungsehepaar mehrerer Pfingstgemeinden in Ecuador an den verschiedensten Orten im Land, die Frau des Pastors der Gemeinde, die wir besuchen und ich. Die Blechlawine bewegt sich nur langsam im Hochland Richtung Süden. Es regnet und immer wieder steht der Verkehr wegen Staus nach Unfall. Südlich von Riobamba geht es dann besser, hinauf in den Paramo auf über 3.700 Meter und dann wieder hinab Richtung Küste. Ab da gibt es auch keinen Handyempfang mehr. Das erste Dorf nach vielen Kilometern Einsamkeit auf dem Paramo ist unseres in knapp 3.500 m Höhe. Wir werden schon erwartet. Die kleine Indianergemeinde ist im Dorfgemeinschaftshaus versammelt. In der Küche brennt ein Feuer, um das sich schon viele wärmen. Es regnet und die Temperaturen liegen bei 6° Celsius. Weitere Heizung gibt es nicht. Jeder außer uns ist in Gummistiefeln. Die Wege sind Schlamm, aber man heißt uns herzlich willkommen mit heißem Anistee und in kurzer Zeit sind Stühle und Tische aufgebaut. Eine Lautsprecheranlage darf nicht fehlen. Die haben wir mitgebracht. Strom und fließend Wasser haben sie.
Die Gemeinde ist erst vor Kurzem über persönliche Kontakte zu dem Ehepaar entstanden. Sie haben ein einheimische Paar als Pastoren ausgebildet und ihnen gezeigt, wie man eine Gemeinde leitet. Die theologische Grundlage ist sehr dünn, aber die beiden sind ein Vorbild für Viele und haben mit Ihrer Liebe andere angesteckt. Eigentlich wollten die ca 40 Gemeindemitglieder andere Gemeinden eingeladen haben, aber ein Zelt war für die Faschingstage nicht zu haben. So bleiben wir also klein und im Haus.
So geht es nach dem Frühstück für alle - einer heißen Hühnersuppe - los mit dem Bibelstudium. Nicht alle können lesen, also haben wir den Text in großen Buchstaben an die Wand projiziert. Thema für heute ist das Markusevangelium. Dabei sollen sie selbst entdecken, wie man mit einem Bibeltext umgeht, nicht einzelne Worte rausklauben, sondern nach dem Zusammenhang und dem Sinn des Textes zu suchen. Die Komposition dieses Evangeliums eignet sich dazu besonders. Es ist kurz gehalten und verzichtet auf große Erklärungen.
30 - 40 Menschen sind begeistert dabei. Aber immer wieder verschwinden einige für eine Zeit. Die Frauen wechseln sich in der Küche ab. Und wem es zu kalt wird, wärmt sich reihum in der Küche am offenen Feuer auf. Denn auch bei mehreren Lagen Röcke und doppeltem Pocho ist es lausig kalt. Doch sind sie eifrig dabei, vor allem - und das ist die Zukunft - eine große Anzahl junger Männer, die ihren Glauben sehr ernst nehmen. Die Gemeinde bildet eine spürbare Einheit. Die Frau des Pastors erzählt uns kurz die Entstehungsgeschichte. Sie hatte eine Woche glückliche Flitterwochen. Danach ging der Leidensweg los mit vielen Schlägen, Rippen - und Nasenbeinbrüchen. Bei der vierten Schwangerschaft bekam sie von ihrem Mann 150 Dollar, um das Kind "wegmachen" zu lassen. Es klappte aus verschiedenen Gründen nicht, wieder Grund für viele Schläge, bis eine Frau sich ihrer annahm und sie in der Schwangerschaft bestärkte und begleitete. Erst zur Geburt des Kindes änderte sich ihr Mann. Sie nahm Jesus in ihr Leben auf, wenige Jahre ihr Mann, weil ihm die Änderung seiner Frau nicht verborgen blieb. Der Mann ist heute die Seele der Gemeinde, dem man nicht mehr zutraut, seine Frau über Jahre oft im Suff malträtiert hat. Das vierte Kind ist heute der Liebling in der ganzen Familie. So entstand eine Gemeinde mit wenig Bibelkenntnissen, aber einer strahlenden Herzlichkeit bei allem gemeinsamen Zittern in der Kälte. Und die Gemeinde ist angefeindet. Als die erste Hochzeit stattfand, hat sich jemand gerächt und während alle feierten, in der Fischzucht mehrere dieser Familien das Wasser abgelassen. 3.000 Forellen starben. Aber der bittere Nachgeschmack hat die Freude der Menschen an ihrem Glauben und das Zusammenwachsen der Gemeinschaft eher gefördert. Da macht es Freude, ihnen etwas zu geben, was wir ihnen geben können. Sie haben uns mit ihrer menschlichen Wärme und den Umarmungen von Herzen gezeigt, dass der Einsatz sich gelohnt hat.