Freitag, 6. Oktober 2017

Ändeungen im Urwald

    Die Welt der Indianer im Urwald macht weiter große Änderungen durch. Der Staat hat die Kontrolle übernommen. Flüge in die Dörfer und wieder heraus werden staatlich finanziert und von lokalen Piloten und kleinen Organisationen übernommen. Shell ist nach wie vor das Zentrum, aber der Flugplatz verliert an Bedeutung. Erstens ist längst der Feind Peru nicht mehr da, muss nach dem Friedensvertrag mit dem südlichen Nachbarn nicht mehr mit Auseinandersetzungen geachtet werden und auch Kolumbien ist nicht mehr so gefürchtet nach dem Friedensschluss und der Entwaffnung der FARC und jetzt gar der Waffenstillstand und die Friedensverhandlungen mit der ELN, der letzten Widerstandgruppe. Bleiben noch die "Paramilitares", die rechten Kampfgruppen. Mit denen tut sich die jetzige kolumbianische Regierung noch schwer.
    Für Shell bleibt neben weniger Militärflug nur noch die Versorgung der Urwalddörfer und die Touristen, also deutlich weniger Flugaktivitäten.
Doch auch der Urwald wir Zug um Zug von Straßen durchzogen und längst bauen die Mobilfunkanbieter das Netz im Dschungel aus, denn auch die Indianer sind willige Abnehmer der Angebote. Und mit dem Telefon kommen Internet und soziale Medien in die hintersten Hütten und wachsen Bedürfnisse.

    Eine andere Art der Kulturänderung haben wir dieser Tage erlebt. Quimo kam mal wieder zur Behandlung nach Shell. Quimo ist ein alter Mann von über 80 Jahren, genaues Alter nur zu schätzen. Er gehörte als junger Mann 1956 zu den Mördern der 5 Missionare, die im Urwald Ecuadors beim ersten Besuch im Stamm der Huauranis dabei war. Diese traurige Geschichte und der spätere Durchbruch des Evangeliums dort im Stamm sind nach wie vor als Geschichte in unserer Gegend lebendig. Nicht umsonst ist das gelbe Flugzeug des damaligen Missionspiloten und Anführer der Gruppe der Fünf des Symbol Shells. Eine Nachbildung dieses Fliegers steht auf einem Denkmal im Zentrum unsres Ortes.
Quimo war einer der ersten Huauranis (Aucas), denen Gott das Herz öffnete und die mit Freude Boten dieser neuen Hoffnung im eigenen Stamm waren und sind.
    Aber jetzt sind sie alt und das ist etwas, was die Huauranis derzeit lernen müssen: Wie gehe ich mit alten Menschen im Urwald um? In manchen Gebieten bis heute ist die Blutrache in diesem Stamm noch lebendig. Man überfällt bei Nacht und bringt die Feinde um. Und die meisten Feinde sind die des eigenen Stammes. In der Vergangenheit wurden die wenigsten Huauranis alt. Kranke und missgebildete Kinder hatten ebenfalls keine Chance. So bestand ihre Gesellschaft aus gesunden Erwachsenen und gesunden Kindern.
    Jetzt leben Quimo und seine Frau abgeschieden alleine. Sie wollen nicht mit den anderen sein. Aber Quimos Frau ist zunehmend dement und bei ihm ist die Prostata so gewachsen, dass er einen Blasenkatheter braucht. Also muss er alle ca. 4 Wochen zum Katheterwechsel ausgeflogen werden, etwas, was keiner versteht. Operieren will er sich nicht lassen. Inzwischen sind die Nieren angegriffen. Sein Ende ist absehbar.
In genau dieser Entwicklung steht und wächst unsere Klinik. Wir sind nicht mehr das einzige und wichtigste Hospital in dieser Welt hier. Es gilt die alten Wurzeln nicht zu vergessen, für die alten Menschen unserer Region da zu sein, aber durch unsere Medizin auch die Neuen zu gewinnen. Nur ein kleines Beispiel am Schluss:
    Eine Frau aus der nahen Stadt Puyo leidet seit Jahren unter Nackenschmerzen bis hin in die Hand. Im staatlichen Gesundheitsdienst wurde sie von Spezialist zu Facharzt geschickt. Eine Messung der Muskeln der Hand zeigte die Diagnose: Karpaltunnelsydrom, also eine Einengung eines Nervens die Innenhandfläche und sie stand zur OP an. Die Untersuchung zeigte aber, dass ihr Problem die Halswirbelsäule ist. Eine OP der Hände würde gar nichts ändern. Jetzt erholt sie sich bei Physiotherapie und ohne OP und gibt diese Empfehlung an andere weiter.
    Deswegen sind wir nach wie vor gefragt, oft ein Stein des Anstoßes in dieser Welt, aber ein wichtiger Stein der Hoffnung.

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