Freitag, 17. Februar 2017

Tumorpatienten und die staatlichen Gesundheitssysteme

Sie kommen zu uns, weil sie oft keinen Rat mehr wissen, aber wir verfügen weder über die Möglichkeit der Chemo- noch der Bestrahlungstherapie und operieren können wir größere oder tiefer sitzende Tumoren nicht.
Der Staat hat große Anstrengungen unternommen. Es gibt neben medizinischen Einrichtungen der staatlichen Krankenversicherung die Einrichtungen des Gesundheitsministeriums für solche, die nicht gesetzlich versichert sind. Und dann gibt es SOLCA - eine staatliche Stiftung für Tumorpatienten mit gesonderten Krankenhäusern. Und alle drei Systeme arbeiten in bestimmten Bereichen zusammen. Aber wie immer in staatlichen Systemen hilft auch die beste Organisation nichts - es menschelt.
Da ist die 38-jährige Rosa aus einem Dorf im Urwald. Ovarial-Ca, sprich ein bösartiger Tumor der Eierstöcke. Sie kommt ins staatliche System, wird 2 Mal operiert. Die Chemotherapie wird nicht angesetzt. Jetzt ist ihr gesamter Bauch voller schleimiger Tumorzellen. Sie braucht vor der nächsten Therapie ein CT des Bauchraumes. Da das Gerät im staatlichen System aber defekt ist, muss sie es selbst privat machen lassen. Kosten 290 Dollar. Dann wird ihr versprochen, sie weiter zu behandeln. Sie hat wieder Hoffnung. Wir zahlen für die Untersuchung. Doch dann heißt es auf einmal. Es gibt keine Chance mehr. Sie soll heimgehen zum Sterben. Dabei ist Ovarialkrebs behandelbar. Man muss die Tumormassen reduzieren und dann folgen Chemotherapien. Aber es gibt im hiesigen System eben viele, die da aus einfachen Gründen rausfallen. Termine werden per e-mail - Anmeldung vergeben. Da kommen wir als Ausländer schon ins Schleudern. Wie schaffen das Indianer? Vor allem aber fehlt es an der Erklärung. Diese Tage kam ein Patient mit einen riesigen Tumor der Speicheldrüse. Er war im April 2016 bei uns zuerst diagnostiziert worden. Seit dieser Zeit läuft er im Tumorsystem des Staates von einer Untersuchung zur anderen. Inzwischen wissen wir, dass es ein Lymphdrüsenkrebs ist. Freunde haben ihm zu einer Operation geraten, weil der Tumor enorm wächst. 5 verschiedene Feinnadelbiopsien haben sie gemacht und schließlich die Chemotherapie vorbereitet. Zur selben Zeit hat jemand im gleichen Dorf eine Chemotherapie begonnen und ist nach wenigen Wochen jämmerlich verstorben. Das hat abgeschreckt. Er will operiert werden. In zwei Sitzungen in unserer Sprechstunde haben wir ihm nun die verschiedenen Therapien erklärt. Nun ist er bereit zur Chemotherapie, aber ist schon sehr spät. Da sind gute 6 Monate wegen fehlender Führung der Tumorpatienten verloren gegangen.
Weshalb unsere Indianerin mit ihrem Ovarialkarzinom nicht weiter behandelt wird, können wir nur ahnen. Das Gesundheitsministerium hat kein Geld mehr. Da ist es am Einfachsten, Indianer zum Sterben nach Hause zu schicken. Schließlich hat man ja schon was gemacht.
Oh, wenn ich doch wenigstens einen Op hätte, um sie zu operieren. Davon sind wir noch weit entfernt. Und Krach zu schlagen bringt gar nichts. Dann machen wir die Sache nur noch schlimmer und schaden unserer Klinik ebenfalls. Also heißt es all diese Ungerechtigkeiten unseres Gesundheitssystems zu schlucken und da zu helfen, wo wir es können. Wir haben nur eine sehr begrenzte Kraft.

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