Samstag, 18. Juni 2016

Nach dem Erdbeben

Über zwei Monaten nach dem verheerenden Erdbeben an der Küste Ecuadors ist es ruhig geworden. Jetzt sind bald Sommerferien in der Sierra und so langsam kehren einzelne Touristen an noch einsame Strände zurück. eine Region versucht aufzuholen. Die Häuser, die erhalten sind oder in aller Eile repariert werden konnten, öffnen wieder. Aber in den Innenstädten der größeren Städte wie Portoviejo oder Manta sind noch immer Teile gesperrt, werden weiter Häuser abgerissen. Dieser Prozess wird noch einige Monate dauern. Immer noch wohnen von den ursprünglich über 26.000 Menschen in Notunterkünften ein großer Teil dort. Jetzt sind die allermeisten Helfer gegangen. Das Leben beginnt wieder normal zu werden, aber kann es das überhaupt? Schule findet in Zelten oder anderen Behelfsunterkünften statt
Da ist der Verlust von Angehörigen. Und es geht den Nachbarn ja ebenso. Jetzt endlich ist Zeit zur Trauer. Bisher war man so beschäftigt mit dem Nötigsten.  Da versinkt mancher in seiner Trauer. Und jeder Mensch reagiert anders. Da trifft es den einen hart und er verzweifelt, findet nie wieder zu einem normal Leben zurück, während andere scheinbar unbeirrt das Gestern abschütteln, in die Zukunft schreiten und mit Optimismus aufbauen. Das erleben derzeit christliche Gemeinden dieser Region. Mancher braucht die Hilfe noch lange und lässt sich versorgen, andere schreiten längst zur Tat und bieten weiteren Menschen Hilfe an, obwohl sie selbst viel verloren haben. Und es kommen viel mehr Menschen in die Gottesdienste. Glaube wird erlebbar. Aber es gibt auch vermehrt Menschen, besonders Männer, die es nicht schaffen. Sie sehen keine Zukunft mehr und so steigt derzeit die Selbstmordrate. Und dieses Zurückgezogen Sein merken oft die anderen nicht, bis wieder einer Schluss gemacht hat.
Das sind Dinge, die der Staat nicht regeln kann. Der hilft beim Aufräumen und der Vorbereitung des Wiederaufbaus. Denn jetzt gilt es, erdbebensicherer zu bauen. Es waren vor allem die schnell errichteten Häuser von 3 oder mehr Stockwerken, die einstürzten. Jetzt möchte der Staat eine Baukontrollbehörde aufbauen, die Baupläne kontrollieren soll. Dagegen wehren sich die Stadtverwaltungen, die seit jeher dafür zuständig sind. "Noch eine weitere Behörde aufbauen, wo der Staat doch sowieso pleite ist..!" hört man klagen. Und regelt eine weitere Behörde wirklich weiteren Pfusch am Bau? Mehr Staat bringt nicht automatisch mehr Sicherheit.
Jetzt ist der Staat aber in erster Linie mit der Infrastruktur beschäftigt. Straßen und Brücken müssen wiederhergestellt werden. Glücklicherweise geht das Klimaphänomen El Niño seinem derzeitigen Ende entgegen. Auf weit über 3 Mio. Dollar beziffern Experten die derzeitigen staatlichen Aufgaben. Wie ist das zu finanzieren? Zum einen ist der Ölpreis wieder am Steigen, für hiesiges Rohöl bei derzeit 45 Dollar per Barrel. Zum andere versucht der Staat private Investoren zu finden, die Kraftwerke und Ölfelder gegen Kredite übernehmen. Klammheimlich und ohne es an die große Glocke zu hängen, nimmt der Staat Abschied vom Sozialismus hin zur Privatwirtschaft der Konzerne. Aber auch weitere Verschuldung laufen beim Ausland, allen voran den Chinesen. Das soll Arbeitskräfte für den Aufbau bringen und so die Wirtschaft ankurbeln.
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer soll Gelder in die Staatskasse spülen, was aber sehr zu bezweifeln ist, denn das führt schrittweise zu Teuerung die allen staatlichen Kontrollen zum Trotz keine wirklich überwachen kann. Andererseits müssen alle über 1000 Dollar Monatslohn zusätzliche Steuer bezahlen. Allen voran sollen die Staatsbedienstete der Präsidentenpartei eine freiwillige Abgabe von 10% ihres Einkommens für 2 Monate zahlen. Dieses "Freiwillig" sieht dann so aus, dass automatisch der Beitrag abgezogen wird, was zu Unmut führt. Denn alle Staatsbediensteten führen schon heute einen Teil ihres Lohnes an die Staatspartei ab. Wer sich wehrt wird entlassen. Dazu wird manchen Behördenmitarbeiter mehr Arbeit bei gleichem Lohn verordnet. Sie sollen für einige Monate auch samstags und sonntags bei Bedarf einsatzbereit sein. Was da für Unmut aufkommt, kann man nur ahnen.
Insgesamt ändert sich nach dem Erdbeben das ganze Land. Noch hält die Solidarität an, helfen Menschen sich gegenseitig, geht der Trend von Planwirtschaft hin zu mehr Eigeninitiative. Für die Regierung ist es eine Zerreißprobe im letzten Amtsjahr. Wie die Zukunft aussieht beurteilt jeder anders.

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