Sonntag, 2. März 2014

Eine neue Gemeindeerfahrung

Faschingswochenende in Ecuador. Das ganze Land scheint mit dem Auto unterwegs zu sein, als wir am Samstag vor der Dämmerung aufbrechen. Wir, das sind das Gründungsehepaar mehrerer Pfingstgemeinden in Ecuador an den verschiedensten Orten im Land, die Frau des Pastors der Gemeinde, die wir besuchen und ich. Die Blechlawine bewegt sich nur langsam im Hochland Richtung Süden. Es regnet und immer wieder steht der Verkehr wegen Staus nach Unfall. Südlich von Riobamba geht es dann besser, hinauf in den Paramo auf über 3.700 Meter und dann wieder hinab Richtung Küste. Ab da gibt es auch keinen Handyempfang mehr. Das erste Dorf nach vielen Kilometern Einsamkeit auf dem Paramo ist unseres in knapp 3.500 m Höhe. Wir werden schon erwartet. Die kleine Indianergemeinde ist im Dorfgemeinschaftshaus versammelt. In der Küche brennt ein Feuer, um das sich schon viele wärmen. Es regnet und die Temperaturen liegen bei 6° Celsius. Weitere Heizung gibt es nicht. Jeder außer uns ist in Gummistiefeln. Die Wege sind Schlamm, aber man heißt uns herzlich willkommen mit heißem Anistee und in kurzer Zeit sind Stühle und Tische aufgebaut. Eine Lautsprecheranlage darf nicht fehlen. Die haben wir mitgebracht. Strom und fließend Wasser haben sie.
Die Gemeinde ist erst vor Kurzem über persönliche Kontakte zu dem Ehepaar entstanden. Sie haben ein einheimische Paar als Pastoren ausgebildet und ihnen gezeigt, wie man eine Gemeinde leitet. Die theologische Grundlage ist sehr dünn, aber die beiden sind ein Vorbild für Viele und haben mit Ihrer Liebe andere angesteckt. Eigentlich wollten die ca 40 Gemeindemitglieder andere Gemeinden eingeladen haben, aber ein Zelt war für die Faschingstage nicht zu haben. So bleiben wir also klein und im Haus.
So geht es nach dem Frühstück für alle - einer heißen Hühnersuppe - los mit dem Bibelstudium. Nicht alle können lesen, also haben wir den Text in großen Buchstaben an die Wand projiziert. Thema für heute ist das Markusevangelium. Dabei sollen sie selbst entdecken, wie man mit einem Bibeltext umgeht, nicht einzelne Worte rausklauben, sondern nach dem Zusammenhang und dem Sinn des Textes zu suchen. Die Komposition dieses Evangeliums eignet sich dazu besonders. Es ist kurz gehalten und verzichtet auf große Erklärungen.
30 - 40 Menschen sind begeistert dabei. Aber immer wieder verschwinden einige für eine Zeit. Die Frauen wechseln sich in der Küche ab. Und wem es zu kalt wird, wärmt sich reihum in der Küche am offenen Feuer auf. Denn auch bei mehreren Lagen Röcke und doppeltem Pocho ist es lausig kalt. Doch sind sie eifrig dabei, vor allem - und das ist die Zukunft - eine große Anzahl junger Männer, die ihren Glauben sehr ernst nehmen. Die Gemeinde bildet eine spürbare Einheit. Die Frau des Pastors erzählt uns kurz die Entstehungsgeschichte. Sie hatte eine Woche glückliche Flitterwochen. Danach ging der Leidensweg los mit vielen Schlägen, Rippen - und Nasenbeinbrüchen. Bei der vierten Schwangerschaft bekam sie von ihrem Mann 150 Dollar, um das Kind "wegmachen" zu lassen. Es klappte aus verschiedenen Gründen nicht, wieder Grund für viele Schläge, bis eine Frau sich ihrer annahm und sie in der Schwangerschaft bestärkte und begleitete. Erst zur Geburt des Kindes änderte sich ihr Mann. Sie nahm Jesus in ihr Leben auf, wenige Jahre ihr Mann, weil ihm die Änderung seiner Frau nicht verborgen blieb. Der Mann ist heute die Seele der Gemeinde, dem man nicht mehr zutraut, seine Frau über Jahre oft im Suff malträtiert hat. Das vierte Kind ist heute der Liebling in der ganzen Familie. So entstand eine Gemeinde mit wenig Bibelkenntnissen, aber einer strahlenden Herzlichkeit bei allem gemeinsamen Zittern in der Kälte. Und die Gemeinde ist angefeindet. Als die erste Hochzeit stattfand, hat sich jemand gerächt und während alle feierten, in der Fischzucht mehrere dieser Familien das Wasser abgelassen. 3.000 Forellen starben. Aber der bittere Nachgeschmack hat die Freude der Menschen an ihrem Glauben und das Zusammenwachsen der Gemeinschaft eher gefördert. Da macht es Freude, ihnen etwas zu geben, was wir ihnen geben können. Sie haben uns mit ihrer menschlichen Wärme und den Umarmungen von Herzen gezeigt, dass der Einsatz sich gelohnt hat.

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