Sonntag, 15. September 2013

Die letzten Tage Hospital Vozandes in Shell - Impressionen

Es sind die letzten Tage bei "vollem" Betrieb unseres Hospitales. Die einheimischen Mitarbeiter ahnen, was kommt, aber wissen es offiziell noch nicht. In 2 Wochen werden ca. 40 der 60 Mitarbeiter fristlos entlassen. Sie bekommen ihre Abfindung nach den Gesetzen des Landes, aber es tut uns mehr als weh. Denn ab dem 01.Oktober wird wohl nur noch ambulante Therapie bis Jahresende angeboten.
Dieses Wochenende:
Drei Mitarbeiter machen am Samstag die ambulante Sprechstunde am Morgen. Ich hatte 15 Patienten. Doch es war kein normaler Tag, denn zur Übergabebesprechung um 08.00 kamen wir nicht. Ein Unfall ganz in der Nähe.
Einer mit stärksten Rückenschmerzen ohne Knochenbruch - aber er bekam kaum Luft und wir mussten ihn zur Schmerztherapie stationär aufnehmen.-
Dessen Sohn war tief bewusstlos mit eingedrücktem Schädel und blutete fürchterlich. Also gleich in den OP, Schädeldecke angehoben, einen Bluterguss des Gehirns drainiert. Mehr können wir nicht machen. Außerdem hat er eine Halswirbelfraktur. Wir haben ihn so schnell wie möglich stabilisiert, Blut gegeben – Intensivtherapie -  und er muss verlegt werden.
Und dann - obwohl die Familie Beziehungen hatten DIE Katastrophe: Wir warten von 10.00 - 19.30 auf die Verlegung nach Quito.
Flugzeuge gibt es - aber die bekommen keine Erlaubnis für die Flughäfen Shell, Macas, Laracunga oder Quito, weil der Patient aus einem privaten Krankenhaus kommt. Der Staat hat neue Normen und die begünstigen staatliche Einrichtungen. Es lebe der Sozialismus! Schließlich bitten wir um einen Krankenwagen zur Verlegung in ein staatliches Krankenhaus in Quito (5 - 6 Std. Fahrt). Jede der staatlichen Institutionen lehnt den Transport ab. Die Familie kämpft mit all ihren Beziehungen. Wir haben längst keine Möglichkeiten mehr. Die Verlegung in der Nacht mit einem unserer Ärzte - in Quito angekommen, wird die Mutter mit dem Sohn nett empfangen mit den Worten: "Kommt der als Organspender?" Der Transport war zu spät. Der 19-jährige Patient verstirbt in den Morgenstunden in Quito.
Wir aber machen mittlerweile weiter mit einer Ellenbogenfraktur eines Mannes, der eigentlich am Morgen operiert werden sollte. Der Arme kommt erst am frühen Nachmittag dran. Denn an diesem Wochenende kamen die Augenärzte aus Quito, operieren Katarakte und andere  Augenleiden. Und Kinder brauchen dazu die Vollnarkose.
Der Nachmittag war frei. Da kommen aus der Provinzhauptstadt andere Patienten. Eine davon ist schwanger und hat beim Zuschauen eines Fußballturniers einen Ball direkt auf den Bauch abbekommen - 22. Schwangerschaftswoche. Frage: Ist dem Kind etwas geschehen. Aber es gibt in einem 150 Betten regionalen Schwerpunktkrankenhaus niemanden, der einen Ultraschall machen kann. Die ganze Familie war dankbar, dass ein Chirurg das hier machen konnte. Sie sind beruhigt. Und so geht der Tag weiter. Nachts ist es ruhig. Aber gleich am Morgen eine Frau mit starken Bauchschmerzen. Ursache: Ein Spulwurm in der Gallenblase, ein andere hat einen Knochen beim Hühnchen Essen im Rachen, einer blutet aus dem Magen....... ein ganz normales Wochenende......
Daneben ein Gottesdienst am Sonntagmorgen mit sehr interessierten Patienten, Angehörigen, Besuchern und Mitarbeitern. Wir beten auch für die Familie des Jungen, der inzwischen in Quito verstorben ist. Wir haben ihm eine Chance gegeben - jetzt bleibt Trauer zurück. Und auch die Mitarbeiter müssen erst einmal damit fertig werden. Wir sind ein Team und jeder hat sein Bestes gegeben. Tod und Leben liegen hier so nahe beieinander.
Es sind nur noch 2 Wochen bis zum Schließen des Hospitales. Es ist traurig zu sehen, dass es allein aus finanziellen Gründen geschieht. Gibt es eine Zukunft? Wir sind bereit weiterzumachen!!!!

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