Freitag, 29. Juni 2012

Beginn der Moderne in Ecuador

Heute sind es auf den Tag genau 40 Jahre her, dass in Ecuador ein Ruck durchs Land ging und die Moderne begann. Der Militärdiktatur seit 1970 kam zugute, dass man in dieser Zeit Erdöl entdeckte und am 29. Juni 1972 fuhr man stolz das erste Fass Öl auf einem Panzer durch die Straßen der Hauptstadt, um die neue Ära für alle sichtbar zu machen. Eine Pipeline wurde vom Osten des Landes über die Anden gebaut hin zum Erdölhafen Esmeraldas. Ecuador hatten über Nacht Einnahmen, die das Land reich machten. Menschen füllten sich eine Flasche Rohöl ab und stellten sie auf die Hausaltäre neben die Heiligen.
In diesen 40 Jahren hat Ecuador 53. Mrd. Dollar Öleinnahmen verzeichnet, fast 20 Mrd. allein in den letzten 5 Jahren. Damit waren Großprojekte möglich. Mitte der 70-er Jahre begann man mit dem Bau eines Staudamms zur Stromgewinnung in Paute. Das 1100 MW Kraftwerk versorgte einmal Ecuador mit elektrischem Strom zu 80%. Doch mit dem Fortschritt und wachsender Bevölkerung stieg natürlich auch der Stromverbrauch bei jährlicher Steigerungsrate zwischen 5 und 10%. In Esmeraldas entstand bald eine Raffinerie, um nicht von Benzinimporten abhängig zu sein.
Aber wie immer, hat jeder Fortschritt auch seine Schattenseiten. Viele meinten, ohne großes Zutun am Erfolg teilhaben zu können. So war die staatliche Ölgesellschaft Petroecuador mehrfach pleite und musste vom Staat gestützt werden. Zu hohe Gehälter waren gezahlt worden. Die Politik mischte sich oft genug ein. Es wurden einmal 5500 Menschen angestellt, um die Arbeitslosigkeit zu drosseln. Diese Menschen arbeiteten nicht wirklich für die Ölgesellschaft, wurden aber von ihr bezahlt. Viele Trittbrettfahrer versuchten abzusahnen.
Aber viel schlimmer ist die neue Haltung, die entstand. War Ecuador 1972 mit 250 Mio. Dollar im Ausland verschuldet, stiegen die Schulden bis heute auf fast 10 Mrd. also auf das 40-fache. Und dabei gibt es noch viele versteckte Schulden, die gar nicht im Haushalt als solche auftauchen. Der Öl bietet Sicherheit und somit auch Kreditwürdigkeit und eine Haltung, mehr Geld auszugeben.
Erdöl war nicht immer ein Segen für Ecuador. In den 30-er und 40-er Jahren des letzten Jahrhunderts suchte und fand man Erdöl im damaligen Süden Ecuadors. Mitten im 2. Weltkrieg brach eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Ecuador und Peru aus, die mit einem von den USA diktierten Frieden endete. Ecuador verlor dabei ca. 40% seines Staatsgebietes, den Urwald bis zum Amazonas. Letztlich aber war es ein Krieg zwischen der holländischen Shell und der amerikanischen Caltex, also zwischen Europa und Nordamerika, laut Geschichtsbüchern aber zwischen Ecuador und Peru. 
Und im Endeffekt hat das Erdöl zwar eine Euphorie ausgelöst, aber dem Land wenig Fortschritt gebracht. So ist das pro-Kopfeinkommen des Landes nicht wirklich gestiegen. Vergleicht man Ecuador mit anderen Öl-Habenichtse, kommt man immer wieder zum gleichen Ergebnis: In Ländern ohne besondere Rohstoffe müssen sich die Menschen etwas einfallen lassen und stellen aus wenigen Rohstoffen, die sie einführen müssen, hochwertige Waren her. Japan, Singapur, Deutschland sind solche Beispiele. Erdöl ist das leicht verdiente Geld. Eine ausländische Firme kommt, bohrt ein Loch in die Erde und legt eine Leitung zum Meer. Schon rollt der Rubel oder Dollar.
In Ecuador sind es Krabben, Blumen und landwirtschaftliche Produkte wie die Bananen, wo Menschen arbeiten, erfinderisch sind und flexibel, Geld verdienen und sich auf dem Weltmarkt behaupten. Das ist das wirkliche Rückgrat der wirtschaftlichen Entwicklung. Insofern ist der heutige Feiertag gar nicht so wichtig. Wir haben längst auf die Zukunft umgestellt, auf den Tag, an dem der Ölhahn nicht mehr tropft.

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