Samstag, 4. Februar 2012

Wir lernen dazu

Wir sind nun schon viele Jahre hier im Land und in unserer Indianergemeinde In Mondayacu im Amazonastiefland tätig, aber immer noch merken wir, wie wenig wir wirklich von den Menschen verstehen.
Wir haben dort eine neue Entwicklung und wollen ihr gerecht werden. Unsere Kinder von damals sind heute Jugendliche und junge Erwachsene und beginnen ganz plötzlich eine eheähnliche Gemeinschaft. Die Jungen wollten zunächst nicht. Sie sind inzwischen weit über 20 und dachten nicht an Ehe. Wir haben sie ermutigt, diesen Schritt zu tun. Die Mädchen sind noch auf der weiterführenden Schule und wenig am Stoff bis hin zum ecuatorianischen Abitur interessiert. Sie werden in dieser Zeit schwanger und das gibt kein großes Theater zuhause, haben ihre Eltern doch ähnlich angefangen. Und die Jugend kopiert ihre engsten Vorbilder oft unbewusst. Manche Mädchen haben noch schnell die Abschlussprüfung auf der Sekundaria gemacht. Jetzt aber beginnt eine neue Etappe ihres Lebens.
Dann erscheinen die beiden vor ihren Eltern und eröffnen ihnen, dass sie schwanger ist und dass sie ab heute zusammenziehen werden. Hier und da gibt das einen Tag Krach, dann ist alles akzeptiert und man lebt im Hause der Eltern für 1 - 2 Jahre. Oft geht es anschließend zu den Eltern der anderen Seite. Es kommen Kinder, die immer willkommen sind. Es findet sich immer ein Weg, sie zu versorgen.
An einem Beispiel wird die hiesige Kultur noch deutlicher. Wenn ein Mädchen, wie in unserer Gemeinde geschehen, eine Nacht wegbleibt, und bei einem Jungen übernachtet, weil kein Bus mehr geht, ob die beiden was miteinander haben oder nicht, dann gilt das als Zeichen der Ehebereitschaft. Der junge Mann muss dann um die Hand der Tochter bei ihren Eltern bitten. Andererseits hätte sich das Mädchen gewünscht, dass sie jemand gesucht und nach Hause gebracht hätte. Aber das tuen die Eltern vielleicht bei einer 12 - Jährigen, nicht aber viel später. Auf diese Weise entstehen Entscheidungen fürs Leben, die dann jeder der Parteien akzeptiert.
Das heißt aber nicht, dass die beiden damit automatisch verheiratet seien. Sie leben zusammen, mal bei diesen, dann bei den anderen Eltern. Und sie fangen an, sich kennen zu lernen. Es kommt zum Streit. Manche gehen auseinander und kommen manchmal wieder zusammen. Heutzutage hängt dann das Damoklesschwert des Staates über dem Vater, der bei Trennung 290 Dollar Unterhaltszahlungen pro Monat zu leisten hat und wer kann das schon in dieser Bevölkerungsschicht? So wird dann in vielen Fällen eine "normale" Ehe und Familie draus. Zu offiziellen Eheschließung kommt es kaum wegen der immens hohen Kosten einer Hochzeit.
Wir haben jetzt mit einem Ehekurs begonnen. Gekommen sind die meist älteren Gemeindemitglieder, aber auch ein Paar in Vorbereitung, wo sie heute einen öffentlichen Glaubensschritt bekundet und Jesus in ihr Herz aufgenommen hat. Wir wollten allen klar machen, dass man sich meist unbewusst einen Ehepartner auswählt, der das Temperament hat, das einem fehlt und somit eine Ergänzung darstellt. Doch diese Übung war ein glatter Reinfall. Alle waren bemüht, dass alles in Butter sei und man sich nicht streitet. Ehestreit ist etwas Negatives in ihren Augen. Der Ehepartner ist für sie nicht "die Ergänzung" zum Fehlenden, sondern "ein guter Mann, eine gute Frau" und Streit gibt es nicht (oder selten). Wir sind mit unserem analytischen Denken bei ihnen nicht angekommen. Als wir aber Ehestreit spielten und unsere Schwächen und Stärken vorspielten, gab es verständnisvolles Nicken. Streit ist natürlich auch dort nicht unbekannt, aber nicht jeder hat den Mut oder die Fähigkeit, das zu erkennen.
Unser Bild einer Ehe ist anders und es ist einfach zu sagen, dass wir das richtige Bild haben. Wir sind dabei anhand der Bibel und der Wirklichkeit hier vor Ort Vergleiche anzustellen. Es ist nicht so einfach, wie wir anfangs glaubten und wir sind barmherziger geworden.

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