Freitag, 3. Juni 2011

Menschen, die Gott vor uns stellt


Walter C. ist heute 33 Jahre alt. Er ist zum zweiten Mal bei uns zur Behandlung, die sich wieder einmal im Nachhinein als wesentlich teurer herausstellt als geplant. Er kommt mit seiner Mutter. Beide Oberschenkel waren gebrochen und wurden vor wenigen Monaten nach einem Autounfall in einem anderen Hospital mit Marknägeln versorgt. Aber die Brüche wollen nicht heilen, Der Patient kann sich nach der Erstoperation kaum vor Schmerzen rühren. Solche Knochenmarksnägel sind eigentlich zu schnell Mobilisierung gedacht, doch in diesem Fall weit gefehlt. Auf der einen Seite sind einige Schrauben gebrochen bzw. bedenklich verbogen, also beschließen wir die Seite zuerst zu versorgen. Der Oberschenkelnagel wird entfernt und ist total vereitert. Also muss ein äußerer Fixateur den Knochen festigen. Der Patient geht nach Hause mit der Weisung, dieses Bein nicht zu belasten. 6 Wochen später kehrt er mit einigen cm Verkürzung eben dieses Beines zurück und einer Fehlstellung, weil er die ganze Zeit auf diesem Bein aufgetreten ist. Das andere Bein tat ihm nämlich viel mehr weh. Jetzt haben wir auch den anderen Marknagel entfern - ebenfall vereitert mit einem Keim, bei dem nur ein einziges Antibiotikum wirkt, das wir haben. Jetzt bekommt er 6 Wochen lang ein Antibiotikum verabreicht, das nur zweimal täglich per Vene verabreicht werden kann. Er muss bei uns bleiben und darf nicht nach Hause.Sonst ist sein Leben (und das anderer) in Gefahr. (Für Eingeweihte: ORSA extrem multirestistent.) So bleibt ihm keine andere Wahl als 6 Wochen bei uns zu bleiben.
Warum lässt Gott so etwas zu - Ihn von seiner Familie zu trennen? Walter hat kein Geld für die lange Behandlung aber wir können ihn so nicht laufen lassen. - Er hat eine Frau und zwei Kinder zu Hause. Was soll das?
Walter erzählt sein Leben:
Sein Vater ist Taxifahrer an der Küste, aber interessiert sich nicht für die zwei Kinder. Mit 11 Jahren kommt Walter auf eine andere Schule und eine andere Umgebung und einen „anderen Freundeskreis. Er beginnt mit Stehlen und wird mehrfach erwischt. Er lernt, es besser zu machen und gerät in die Drogenszene. Schließlich landet er wegen Mordes im Knast - 11 Jahre. Danach sieht es nur kurze Zeit besser aus. Es gibt bessere und weniger bessere Zeiten, als er im Oriente Drogen verkauft. Mittlerweile ist er verheiratet und hat zwei Kinder. Die Drogenkonkurrenz fordert ihre Opfer. Und da macht man mit der Konkurrenz kurzen Prozess. Er wird inmitten einer Gruppe von einem PKW bewusst angefahren. Seine Frau leidet heute noch an einer Beckenfraktur mit Blasenruptur und anderen Verletzungen. Sie kann sich mit Gehstützen mühsam bewegen. Er hat "zum Glück" nur beide Oberschenkel gebrochen aber eben mit kostenreichen Komplikationen.

Jetzt erzählt er uns seine wirkliche Geschichte. In seinem Gefängnisaufenthalt in der Hafenstadt Guayaquil kamen Christen ins Gefängnis und hielten Gottesdienste ab, in denen sie zu einer Glaubensentscheidung ermutigten. Er war dabei. Doch das Begonnene verflachte und er begann sich erneut in der Drogenwelt zu engagieren, die den schnellen und sicheren Reichtum verspricht. Dann kam die Ernüchterung. Man wollte ihn schnell beseitigen aber es klappte nicht. Walter weiß: Da hat ihn Gott bewahrt. Jetzt wird jemand einwenden: "Sollen wir Drogendealer etwa noch finanziell begünstigen und von Spendengeldern finanzieren? Wer gibt uns die Garantie, dass er nicht wieder rückfällig wird?" Wir können es nicht. Deswegen müssen wir vielleicht über 6 Wochen einen Menschen begleiten und prüfen, ob es ihm wirklich ernst mit dem Wechsel ist. Eine endgültige Garantie kann ich noch nicht einmal für mich selbst abgeben. Es kann sein, dass die Spendengelder zum Fenster rausgeworfen werden. Aber wir spüren, dass es Walter ernst mit seiner Entscheidung ist und dass er andere spontan anspricht, nicht den Weg der Drogen und des leichten Geldes zu gehen. Er sieht die Menschen, die in Gefahr sind viel eher als wir es könnten. Er lebte in dieser Szene - viele Jahre lang.

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