Mittwoch, 22. September 2010

Investieren wir doch in die Zukunft!

Ein großer Teil der Ecuatorianer hat in den letzten Jahren das Weite und in Nordamerika und Europa seine Zukunft gesucht. Besonders die Staats - und Wirtschaftskrise von 1999/2000 hat diesen Trend verstärkt. Davon ist vor allem der Süden des Hochlandes betroffen, wo es ganze Geisterdörfer gibt, in denen alte Leute mit Kindern wohnen. Dazwischen werden Häuser mit großem Komfort gebaut mit dem Geld, das die mittlere Generation aus dem Ausland schickt. Ein Gegensatz, der die innere Misere aufzeigt. Familien sind auseinandergerissen worden. Die Leidtragenden sind die Kinder. Sie leben oft bei den Großeltern, die mit der Erziehung von bis zu 15 Enkeln völlig überfordert sind. Im Gegenzug versuchen die Eltern ihr Geld dann in Häuserbauten als Investition fürs Alter zu stecken. Was mit den Kindern geschieht, darüber gibt eine jetzige Studie einen kleinen Einblick. Diese Kinder sind sehr häufig Opfer von Sexualverbrechen. Man schätzt, dass in Ecuador ca ein Drittel der weiblichen Bevölkerung in ihrer Kindheit oder Jugend sexuell missbraucht werden. In den Auswanderergegenden Ecuadors ist es viel schlimmer. Und wieder sind es die nächsten Menschen dieser meist Mädchen wie Nachbarn, Lehrer und Familienangehörige, die sich an ihnen vergehen. Da wurde ein 19-Jähriger gefasst, der sich an einer 7 Jährigen vergangen und sie anschließend ermordet hatte. Er meinte, das Mädchen hätte ihn darum gebeten, weil ihr Leben sowieso keinen Sinn mehr hätte, seit ihre Eltern weg seien und sie bei Nachbarn lebe. 199 solcher Fälle wurden jetzt allein in der Provinz um die Stadt Cuenca bekannt. 77 der dort einsitzenden 179 Gefangenen sind Sexualstraftäter.
Jetzt aber erleben wir auch das Gegenteil in unserer Beratung. Die wirtschaftliche Situation in Spanien und Nordamerika ist deutlich schlechter. Tausende Ecuatorinaer aus diesen Ländern haben keine Arbeit mehr und kehren zurück in die alte Heimat. Sie kommen nach Hause in der Annahme, dass dort alles beim Alten geblieben sei. Doch beide Seite haben sich geändert. Die Kinder sind nicht mehr die lieben Kleinen von vor 10 Jahren. Andere wie große Brüder haben längst den Platz des Beschützers der Familie eingenommen. Der "Heimgekommene" fühlt sich als Fremdkörper und überhaupt nicht mehr zuhause. Es ist anders als etwa früher im Urlaub, als man für einen Monat zurück kam und alles ihm oder ihr zu Füßen lag. Oft brechen jetzt Familien auseinander, die jahrelang als Fernfamilie zusammengehalten haben. Familie funktioniert auch ohne den Geldgeber aus der Ferne.
Die wirtschaftliche Not eines Landes und die Möglichkeit, woanders Geld zu verdienen, ist eine Chance, aber auch ein wichtiger Motor, um Kulturen zu zerstören. Was wir hier in Ecuador mit eigenen Augen und täglich erleben, ist nur die Spitze eines weltweiten Eisberges. Was passiert in den riesigen Flüchtlingsströmen dieser Welt, bei den Heeren von Wanderarbeitern etwa in Fernost. Was ist in China los mit den Ein-Kind Familien, wo es bis zu 80% Jungen gibt, weil die Mädchen abgetrieben wurden und wo diese jungen Männer jetzt eine Frau suchen? Da sieht es noch ganz anders aus. Davon schreiben Zeitungen nichts und davon sehen wir keine Bilder in den Fernsehkanälen. Mir zeigt es auf, wie wichtig es ist, Familie zu leben und zu gestalten. Denn das ist das, was derzeit in Deutschland ebenfalls verloren geht, wenn dort mancherorts bis zu 30% der Kinder ohne Frühstück in die Schule kommen und die Schule notgedrungener Maßen mehr und mehr die fehlende Erziehung der Eltern ersetzen muss. Kaputte Familien - ein weltweites Phänomen. Am besten, wir fangen da bei uns selbst an.

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