Sonntag, 28. März 2010

Was wird aus unseren Patienten


Altigrace L. ist eine 60-jährige Frau mit einer Oberschenkelfraktur, die verplattet wurde, aber infizierte. Nach mehreren Operationen heilt jetzt der Knochen so langsam. Sie läuft fleißig mit ihren Gehstöcken, aber bis zur endgültigen Vollbelastung del Oberschenkels ist es noch ein weiter Weg. Eigentlich könnte sie entlassen werden, wenn sie einen Ort hätte, wohin sie gehen könnte. Sie ist nicht verheiratet, hat keine Kinder. Ihr Haus ist zerstört. Jetzt suchen wir für sie einen Platz. Derzeit überlegt ein Nachbar, ob sie bei seiner Familie Unterschlupf finden könnte, aber dafür muss sie noch fitter sein. Also bleibt sie weiter im Hospital.
Wadline P. ist 24: Wir haben sie damals im Januar operiert, als sie mit Oberarm- und Oberschenkelfraktur im Bus irgendwie zu uns aus der Stadt kam. Sie hat nach einer Oberschenkelinfektion einige weitere OP hinter sich, war abhängig von Opiaten, die sie bei den kleinsten Beschwerden erhielt. Jetzt heilt der Knochen langsam. Gestern war sie zum ersten Mal seit vielen Wochen aus dem Bett und draußen in der Sonne. Ein ganz neues Lebensgefühl. Die Wunden sind geschlossen. Sie braucht kaum noch Schmerzmittel. Was ihr Leben jetzt aber stark belastet ist die Suche nach Resten der Familie. Sie hat ihre Kinder und ihren Lebenspartner verloren, als das Stockwerk, in dem sie wohnte auf untere Stockwerke aufknallte und alles unter ihr zermalmte. Dann hat sie einige Tage in den Trümmern zugebracht, bevor man sie befreite und sie schließlich zu uns kam. Es gibt noch die leise Hoffnung, dass ihr Mutter noch lebt und eines ihrer Kinder bei ihr. Seit Wochen sucht eine Hospitalmitarbeiterin in den vielen Listen der Stadt, wo sich die Mutter aufhalten könnte, denn dass ihr Mutter hier bei uns nach ihrer Tochter sucht, ist unwahrscheinlich. Erschwerend kommt dazu, dass viele Menschen nicht lesen und schreiben können und so werden die Namen oft in wenig verständlicher Weise in den Listen festgehalten, die kaum einer entziffern kann. Dabei können wir als Ausländer wenig helfen. Aber es macht uns klar, warum manche unserer Patienten Schwierigkeiten bei der Wund/Knochenheilung haben und depressiv sind bzw. ganz schnell in eine Schmerzmittelabhängigkeit rutschen können.

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