Sonntag, 24. Januar 2010

Tag der Wende, 19. Jan. abends und 20. morgens

Es kommen weniger neue Patienten. Erstmals überwiegt die Zahl der Entlassungen. Die Gänge sind nicht mehr ganz so dicht gedrängt belegt mit Matratzen. In den Krankenzimmern keine Änderung. Aber wir haben auch weiter Patienten, die sterben. Einen Mann mit Compartmentsyndrom hatten wir noch schnell amputiert. Doch das Nierenversagen haben wir nicht mehr in den Griff bekommen. Dennoch gibt keinerlei Anschuldigungen von Seiten der Angehörigen, keine kritischen Fragen. Sie entschuldigen sich noch, das wir ihnen so viel Arbeit mit dem Verstorbenen gemacht haben. Wie geht es hier denn normalerweise zu im Gesundheitsdienst?
Die US-Luftwaffe brachte uns heute 4 neue Patienten aus ihrem Lager. Dort leben über 3000 Menschen dicht gedrängt bei wenig Essen.

Aber wir erleben auch immer wieder Wunder der letzten Minute. Das Wasser ging aus. In letzter Minute hat Samaritan´s Purse Wasserfilter angebracht und unser Wasseringenieur hat Reparaturen am Wasserleitungssystem vorgenommen. Wir dürfen wieder duschen und die Toilette abziehen. Das Krankenhaus hat keine Gipssäge. Die bestellte ist noch nicht eingetroffen SP und die US-Army haben sie uns versprochen. Heute fand ein Krankenhausmitarbeiter eine uralte Schachtel in irgend einer vergessenen Kammer und da war eine solche Säge tatsächlich vorhanden.
Unser Material für äußere Fixateure bei Frakturen gingen zuende. Heute kamen zwei Kartons mit gebrauchten Fixateuren von irgendwoher an. Wir können weiter operieren.
Auch kamen neue Antibiotika an, Infusionen und Vieles andere Dringende. Immer wieder bei Versorgungsengpässen wird unser Gebet erhört.

Jetzt treten wir in eine neue Phase. Die ersten Patienten mit Komplikationen kommen zurück in den OP. Die Infektion geht weiter. Manche werden noch Beine oder Arme verlieren. Und wir warten dringend auf Tetanusimpfungen. Bisher ist keiner gegen Wundstarrkrampf geimpft worden. Es gibt keinen Impstoff.

Was sonst in der Stadt Port du Prince los ist, hören wir nur von anderen. Bei Sonnenschein liegt die Stadt wie auf einer Ansichtskarte zu unseren Füssen.Aber in das Zentrum wagt sich noch nicht einmal die US-Armee. Aber darüber wissen Leute außerhalb von Haiti sicher besser Bescheid als wir hier in der Abgeschiedenheit des Hospitales und der Arbeit.


Die erste Gruppe muss uns heute verlassen. Es gibt nur ganz wenige Flüge aus Haiti raus.Wir wurden heute morgen von weinem Nachbeben geweckt. Das ganze Hospital schwankte, die Menschen schrien. Alles war kurz nach 6.00 bei Sonnenaufgang wach.
Heute muss ich das Team gut anleiten und die Hilfe organsieren. Es ist immer wieder erstaunlich, was neue Leute alles nicht wissen und was sie beachten müssen. Jeder will helfen, aber viel Eifer verpufft. Besonbders Amerikaner sind nicht gewohnt, mit Material zu sparen. Und wir wollen auch weiterhin als Team zusammenhalten. Ich bin nicht ihr Oberlehrer.
Dankbar bin ich für weniger Arbeitsdruck. Wir haben nun auch Zeit zu Stille und Gebet. Die Seele tankt auf.

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