Samstag, 17. Dezember 2011

Wir verstehen die Kultur immer noch nicht

Ecuatorianer reagieren in manchen Situationen immer noch ganz anders als wir es erwarten dürfen. Ein krasses Beispiel ist ein knapp 14 - jährigen Mädchens, das jetzt aus dem Hospital bei uns entlassen wird. Sie kam mit starken Kopfschmerzen seit einem Tag und war in der Notaufnahme kaum ansprechbar. Sie hatte sich vor Monaten einmal in der Sprechstunde untersuchen lassen. Das war alles, was wir wussten. Sie war schwanger, wies extrem hohen Blutdruck auf. Und bevor wir irgendwelche Maßnahmen ergreifen konnten, begann sie mit Krämpfen wie in einer Epilepsie - ein Schwangerschaftsvergiftung, ein lebensbedrohliches Krankheitsbild für Mutter und Kind. Die erste Maßnahme ist die sofortige Trennung von Mutter und Kind, also ein Kaiserschnitt. Das Kind war soweit, dass es überleben konnte. Die befürchtete Hirnblutung oder andere Komplikationen bei der Mutter blieben aus. Nach einem Tag künstlicher Beatmung erholte sich die Mutter und war nach kurzer Zeit entlassungsreif. Für uns war das alles ein Wunder.
Bei Gesprächen mit dem Mädchen kam Frage auf, wer der Vater sei. Da kam ans Tageslicht, dass die Schwangerschaft bei einer Vergewaltigung entstanden war. Ihre Freundin hatte sie dazu überredet, mit ihr zu einem Fluss baden zu gehen. Dort angekommen, ließ die Freundin sie alleine unter dem Vorwand einige Bonbons kaufen zu gehen und ein etwas älterer Vetter dieser Freundin machte sich über die 13-Jährige her, die sich nicht genug wehren konnte.
Die Geschichte ist kein Einzelfall. Und sie kommt wie Vieles hier nie vor Gericht. Man arrangiert sich irgendwie. Vielleicht muss die Familie des Kindesvaters jetzt einen Beitrag zur nicht ganz billigen Krankenhausrechnung beitragen. Abtreibung kommt für die meisten Menschen hier "noch" nicht in Frage, denn ein Kind zu haben ist eine Ehre, keine Schande. Aber ich frage mich, wie eine Freundin so etwas mit einem eigenen Familienangehörigen einfädeln kann. Kann sie denn nicht mitfühlen? Wie kommt sie überhaupt auf den Gedanken, da mitzumachen?
Wenn wir Geschichten aus den Indianerkulturen hören, scheint Vergewaltigung von Mädchen zur Tagesordnung zu gehören. "Das passiert eben jeder einmal!" Aber auch jungen, verheirateten Frauen müssen es gelegentlich erfahren. Das führt sehr oft zu heftigen Familienfehden ein Rattenschwanz von Folgeschäden.
Mich erinnert an eine der wichtigen Triebfedern der hiesigen Kultur - den Neid.
Wenn es einem gut geht, werden die Nachbarn und Freunde schnell neidisch. Dann können sie nicht anders als Tag und Nacht zu überlegen, wie sie dem Glücklichen schaden können. Im Urwald geht man dann zum Schamanen, um einen Fluch auszusprechen und freut sich diebisch an dessen Unglück. Manchmal versucht man einfach, dem anderen sein Glück zu zerstören, zerkratzt den Lack des neuen Autos...... Neid ist der Ursache von viel Leid.
In Afrika haben wir erlebt, dass man den austeigenden Familienangehörigen dann bestiehlt und regelrecht aussaugt wie ein Blutegel.
Für uns stellt sich immer wieder die Frage, warum Menschen nicht eher bereit sind, das Evangelium von Jesus Christus als Befreiung anzunehmen. Es ist schwer, die alte Kultur zu verlassen. Das braucht oft einige Generationen Zeit. Wir sehen da recht selten spektakuläre Durchbrüche.

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