Sonntag, 4. Dezember 2011

Der Tungurahua spuckt wieder:

Seit fast 12 Jahren immer wieder das Gleiche. Mehrere Male im Jahr wird der Berg, an dessen Fuß Baños liegt aktiver als sonst. Der gut 5000 m hohe Vulkan Tungurahua bieten ein farbenfrohes nächtliches Bild und speit wieder rotglühendes Material aus seinem Schlund. Es fliegt nicht sehr weit und bildet eine rote Kappe um den Kraterrand. Hier und da ist ein wenig flüssige Lava dabei, die sich aber schnell festsetzt. Dann sitzen Besucher rundherum auf den Bergen in sicherem Anstand und versuchen zu fotografieren, wenn es die oft dichte Wolkendecke zulässt.
Der Tungurahua ist ein Vulkan vom Stombolityp, d.h. mehr oder weniger ständig aktiv. Es baut sich in ihm aber keine Spannung auf, die dann zu riesigen Ausbrüchen oder der Explosion eines ganzen Berges führen kann, wie es beim Kratatau in Indonesien oder dem St. Helena in den USA passierte, als der halbe Berg durch die Explosion barst und kilometerweit im Umkreis alles verwüstete. Besucher, die sich seinerzeit in sicher Entfernung mit Kameras bewaffnet wähnten, überlebten die Katastrophe nicht und Staub und Flutwellen gingen um die ganze Erde. Nein, der Tungurahua ist da konstanter und friedlicher. Aber ist es im wenige Kilometer nahen Ort Baños mit seinen 15.000 Einwohnern sicher? Die Menschen haben gelernt, mit dem Vulkan zu leben. Sie schreiben den Schutz einer lokalen Marienstatue, der "Virgen de Baños" zu, die in regelmäßigen Prozessionen geehrt wird. Einmal musste der Ort mit seinen vielen Hotels und Touristenattraktionen geräumt werden. Die Polizei patrollierte durch die Straßen. Ergebnis: Fast überall Einbruch und Diebstahl. Deswegen sind sie wenig geneigt, das Gleiche nochmal zu erleben.
Leidtragende der Vulkanausbrüche sind ganz andere, nämlich die Menschen der Dörfer drum herum, vor allem Richtung Hochland. Dorthin weht der Wind nämlich meistens die Asche, die seit 1999 mehr oder weniger ständig ausgestoßen wird. Die Erde der Umgebung ist äußerst fruchtbar, und so leben die Menschen von einer prosperierenden Landwirtschaft. Doch ab und an werden die Pflanzen von einer Ascheschicht überdeckt, Tiere erkranken bei dem dichten Staub und verenden. Und dann geht das Leben weiter. Die nächsten Ernten sind dann umso besser. Dafür verliert man aber evt. eine ganze Ernte - hohes Risiko mit zwischendrin großem Gewinn.
Bleibt das wirkliche Risiko für die Bewohner von Baños am Fuße des Vulkanriesen. 90% von ihnen leben vom Tourismus, Tendenz steigend, weil zunehmend auch Ecuatorianer die heißen Quellen und unzähligen touristischen Attraktivitäten besuchen. Jetzt hat man ein neues Alarmsystem installiert: 17 Sirenen. Innerhalb von 18 min soll im Ernstfall der Ort geräumt werden. Das klingt gut. Fahrzeuge und die 3 Fluchtwege sind organisiert, die Bewohner angeleitet, was sie dann zu tun haben. Die Wahrheit aber ist, dass heute schon zwei der drei Straßen heillos überfüllt sind und der Verkehr sich träge durch die Stadt quält. Was wird da erst, wenn wirklich der Ernstfall eintritt? Dann geht es zu wie in einer Massenpanik eines Fußballstadiums.
Die Menschen auch in weiter Entfernung wie wir im Amazonastiefland in gut 30 km Entfernung und immer offenen Fenstern, wachen morgens auf mit Kratzen im Hals, Husten und Zähneknirschen. Auf allem liegt dann gelegentlich eine Staubschicht - nächtlicher Grüß des Vulkans Tungurahua.

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