Mittwoch, 7. September 2011

Klaudias bewegtes Leben

Die letzten Wochen und Monate sind fast
an mir vorbeigerauscht.
War es ein Rausch?
Am 1. Juni hat mich David Graham zum
ersten Mal gebeten, eine Spinalanästhesie
alleine zu machen. Es ging gut und ich war
sehr animiert, weiter in die Anästhesie einzusteigen.
Noch war der amerikanische Narkosearzt
Paul Barton da und noch war nicht abzusehen,
dass nach seiner Abreise, keine
Vertretung mehr kommen würde.
Im Januar hatte ich mit der neuen schwedischen
Hebamme Gabriella zusammen
den „Club de Madres“ (Geburtsvorbereitungskurs)
gegründet und die ersten Frauen
haben ihre Kinder bekommen. Eigentlich
schon ab Februar, aber jetzt ab Mai
wurde es dann dichter. Gabriella half Eli im
Mai eine vertikale Geburt zu vollbringen.
Im Juni waren wir in der Nähe, als Sarahi
ihr erstes Kind bekam.
Und am 1. Juli baten mich Oscar und Patty
ihnen als „Doula“ bei der Geburt ihres dritten
Kindes zu helfen. Es was die schönste
Geburt und morgens um 7:40 schenkte mir
Gott, dass Emilia auf meinen Händen geboren
wurde. Es ging alles so plötzlich.
Der diensthabende Arzt war nur kurz aus
dem Geburtszimmer gegangen, wahrscheinlich
weil er dachte, es würde noch
länger dauern, so dass ich die einzige medizinisch
geschulte Person war, die das
Kind in Empfang nahm. Gleich kamen
auch alle anderen Krankenschwestern und
Ärzte wieder dazu, um die nächsten technischen
Handgriffe fachgerecht auszuführen
und ich konnte abtreten.
Ich musste erst mal nach Hause, um mich
zu duschen und umzuziehen. Seit nachts
um 2 Uhr hatte ich mit ihnen gerungen. Es
war ein wunderbares Erlebnis; Pattys
Schwester und der Ehemanns waren ihr
eine gute Hilfe, aber die Anbetungsmusik
und unsere Gebete zwischendurch ließen
uns Gottes Gegenwart erleben.
Am 12.Juli wurde dem Missionsehepaar
Priscilla und Andy ein Junge geboren (Jude
Elliott). Eine Gruppe von 5 Personen
half ihr bei einer schweren, langen Geburt.
Gabriella, Luis, Andy, Sharon und ich standen
um sie herum, um ihr Erleichterung zu
verschaffen. Mit Hilfe von Gabriellas Tricks
konnte das Baby auf natürlichem Wege
zur Welt kommen. Nachts um 2, als alle
geschafft und müde aber überglücklich
waren. Ich hab zeitweise wohl ein Kurznickerchen
gemacht. Bin aber wieder rechtzeitig
zur Stelle gewesen, um nach jeder
Kontraktion die Herztöne des Kindes zu
orten.
Und dann wurde es Samstag, 16.7., an
dem ich meinen sechzigsten Geburtstag
feiern wollte. Lange habe ich nicht gewusst
wie und mit wem ich feiern wollte. Was ist
mir von Bedeutung? Welches ist mein Stil?
Es sollte eine Feier werden am Wendepunkt
vom Erwachsenen hin zum alten
Menschen. Ich wollte „meine Jugend beweinen“,
die nun endgültig vornüber sei.
Dazu lud ich junge Leute ein, die mir im
letzten Jahr besonders von Bedeutung
waren:
Alexandra Griffin, Engländerin, weil ich sie
begleiten durfte, als sie ihr zweites Kind
zur Welt brachte; Daniela, sie bat um einen
Ehevorbereitungskurs; Dawn, wir hatten
sie im Gebet begleitet für die Adoption
2
ihrer zwei Aschuar-Mädchen und Kristin,
meine Gebetspartnerin hier in Shell.
Am 22. Juli kam dann die Geburt von Misael,
dem langersehnten Sohn von Eugenia
und Galo und auch da durfte ich Doula
sein, die während der Geburt auf die Bedürfnisse
der Frau eingeht.
Eugenia war gut vorbereitet durch unseren
„Club de madres“ und so wurde es wieder
ein wunderbares Geburtserlebnis.
Ende Juli war auch schon abzusehen,
dass Paul Barton bald nicht mehr zur Verfügung
stehen würde. Gleichzeitig sagten
all die Kurzzeitmitarbeiter ab, die als Narkoseärzte
einspringen wollten. Unser einheimischer
Arzt, Dr. Suarez muss jedes 2.
Wochenende nach Quito reisen, um seine
Zusatzausbildung abzuschließen.
So würden keine Operationen stattfinden
und wir könnten keine frischen Unfälle
aufnehmen.
Ich fühlte mich wie gedrängt in diese Verantwortung
und merke, dass die 4 Jahre
Schulung seit Sommer 2007 den Zweck
hatten, mich als Narkoseärztin vorzubereiten.
Ich hatte es mehr als eine Mithilfe im
Operationssaal und ein Ausgleich zu meiner
reinen „Kopfarbeit“ bei der Beratung
und Seelsorge gesehen.
Nun war klar für mich, dass ich auch in
diesem Bereich Verantwortung übernehmen
sollte.
So wurde ich ab Anfang August mit eingeteilt,
selbständig Narkosen zu machen.
Und siehe da, ich habe ein gutes Training
bekommen. Ich weiß um meine Grenzen
und als Dr. Graham ein Neugeborenes an
einer Hernie operieren wollte, fragte ich ihn,
ob er mir nicht zu viel zugetraut hätte. Die
ganze Nacht hab ich mir die Vorgehensweise
mehrmals überlegt, die genaue
Menge der Medikamente ausgerechnet –
eine riesigen Herausforderung. Dann betete
ich und als ich morgens auf Station kam,
hieß es, der Patient sei nicht gekommen.
So bewahrt mich Gott vor Überforderung.
Inzwischen wissen alle, dass in „meiner“
Woche keine komplizierten Operationen
geplant werden oder, wie in dieser
Woche bei den HNO-Operationen, der einheimische
Arzt dabei ist.
So langsam muss ich überlegen wie ich
mich von meinem mit viel Freude und
Schwung initiierten Geburtsvorbereitungskurs
verabschieden kann. Gabriella ist eine
kompetente Fachkraft und wir sind dabei
andere Frauen mit einzubeziehen.
Bei all diesen Entwicklungen wird mir bewusst,
wie sehr Gott die Kontrolle in meinem
Leben hat und mich auch hier und da
herausfordert und Seine Bewahrung deutlich
macht.
Das gilt besonders für meine Berufung als
Familientherapeutin. Auch da gibt es viele
Herausforderungen, denen ich mich stellen
muss, weil ich hier die einzige Person bin,
die psychologisch geschult ist. Für manche
Hausärzte bedeutet das, dass sie mir auch
psychiatrische Patienten überweisen. Ehekrisen,
Familienstreit, Begleitung bei Trauerfällen
oder Familienkrisen – das ist mir
geläufig; aber wenn es gilt ein Kind einzustufen
ob es nun autistisch ist oder mehr
ein Asperger-Syndrom hat - da bin ich
dann schnell an meinen Grenzen; oder ob
ein Patient schizophren ist oder eine
Angstkrise mit Halluzinationen hat… wie
gut, dass es Internet gibt. Wie gut, dass
ich auch das ein oder andere Mal eine
Fachkraft in Deutschland konsultieren
kann.
Ich bin froh und dankbar, dass ich in meinem
Alter noch soviel dazulernen darf.
Allen, die für mich gebetet haben: vielen
Dank für eure Unterstützung! Ich erlebe,
wie Gott mich führt und vor schlimmem
Schaden bewahrt.

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