Samstag, 5. Februar 2011

Beobachtungen

Wir sind jetzt viele Jahre in Ecuador und haben vielen Menschen heiraten sehen. Als Mitarbeiter in Gemeinden haben wir auch einen Einblick in die Vorbereitung zur Ehe und wir haben unsere Erfahrungen gemacht. Viele Ehen begleiten wir seit Jahren, andere sind längst auseinander gegangen und beide Partner sind eine neue Verbindung eingegangen. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um eine hohe soziale Schicht oder einfache Leute ohne große Schulbildung handelt. Am Stabilsten sind wohl die Ehen im Urwaldgebiet. Auf einen einfachen Nenner gebracht: In Lateinamerika werden Ehen recht schnell und ohne die genügende Vorbereitung geschlossen. Den Reifungsprozess machen die Eheleute in den ersten Anfangsjahren durch. Da kracht es dann mehrfach und gründlich. Meist sind dann auch schon Kinder da. Da zieht er aus oder sie geht zu ihren Eltern zurück. Und nach einigem Hin und Her finden dann beide zu einem modus vivendi.
Haupthinderungsgrund ist die Verbindung zu den Eltern. Frisch Verheiratete gehen in den ersten Jahren selbstverständlich am Sonntag zum Mittagessen zu den Eltern, besonders, wenn beide berufstätig sind. Vater und Mutter freuen sich und es bleibt wenig Zeit für ein Eigenleben der beiden. Wenn er beispielsweise auf Reisen geht, wohnt sie in der Zeit bei Mutti. Beim ersten Kind ist selbstveständlich die Mutter dabei und dirigiert diese Zeit. Da ist der Mann ein Fremdkörper. Und kommt es gar zu einer Auseinandersetzung der Eheleute, müssen oft die Eltern Schiedsrichter spielen.
Dabei spielt es keine große Rolle, ob die beiden Christen sind oder nicht. Natürlich wird den beiden die innere Trennung von den Eltern als Grundvoraussetzung für eine funktionierende Ehe erklärt. Doch was die Worte bedeuten: Der Mann soll Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhangen...!, das verstehen Latinos ganz anders als andere Kulturen. Manchmal meinen wir, sie verstehen es überhaupt nicht.
Ein zunehmendes Problem ist, dass Berufstätige keine Kinder mehr wollen. Der eine will, der andere nicht oder die Eltern einer der Partner machen so lange Druck, bis es zum Zerbruch kommt. Meist endet so eine Verbindung schon nach gut einem Jahr.
So sehen wir in den ersten Ehejahren ein heftiges Ringen, manchmal ein Verlassen und wieder Zusammenfinden der beiden. In dieser Zeit ist es wichtig, dass beide einen Gesprächspartner des Vertrauens haben, eine Person, bei der sie sich neutral ausheulen können und den Frust loswerden. Dann sind sie auch bereit zurück zu gehen und neu anzufangen. Wichtig ist, dass wir ihnen Mut machen, den Partner nicht zu verlassen. Wenn die ersten zwei - drei Jahre überstanden sind, wächst etwas zusammen und sind sie stabil. Dann werden das die vorbildlichen Ehen, die anderen Halt geben. So schickte etwa eine Mutter ihre pubertierenden Kinder einzeln zur älteren, verheirateten Schwester, damit sie "wieder normal würden". Dort haben sie entscheidende Anstöße bekommen. Oder aber, das Reinreden der Eltern und das ewige Schwiegermutterproblem nimmt gar kein Ende, dann ist alle 2 - 3 Monate "Holland in Not" und ein Seelsorger einige Stunden und Tage mit dem Kitten der Risse beschäftigt.
Eine Verlobungszeit, so etwas wie eine monatelange Vorbereitungszeit, das kennt man hier kaum. Viele heiraten schon wenige Wochen nach dem Kennenlernen. Also muss der Prozess später nachgeholt werden. Auch das ist Aufgabe von Missionaren, hier Blitzableiter zu spielen.

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