Sonntag, 26. Juni 2011

Metro für Quito

Neue Pläne für Quito: Shell, 26. Juni 2011 # 1096

Quito, die Hauptstadt Ecuadors, ist eine 2 Mio. Einwohner zählende Stadt am Fusse des Vulkans Pichincha und liegt in einer Wanne von max. 8 km Breite aber ungefähr 50 km Länge. Der gesamte Verkehr läuft also in Nord - Süd - Richtung und hat in den letzten 20 Jahren die Städteplaner fast zur Verzweiflung gebracht. Alle Straßenbauprojekte waren längst zu klein, bis sie vollendet waren, denn der Verkehrt wuchs in der Zwischenzeit stärker als alles andere. "Pico y Placa" wurde eingeführt, ein Verkehrsverbot zu den Spitzenzeiten morgens und abends an einem Tag der Woche je nach Endnummer des Nummernschildes. Das brachte etwas Erleichterung, aber schon nach einem Jahr merkt man diese Maßnahme kaum noch. Wie in allen
Großstädten des Kontinentes gibt es zwar ein öffentliches Verkehrsnetz mit Bussen, doch die sind zu Spitzenzeiten übervoll, ein Paradies für Taschendiebe und bei schlechtem Service meiden viele Personen der Mittel - und Oberklasse diese Busse. Sie quälen sich lieber im eigenen Wagen durch die Stadt.
Die Stadtverwaltung hat bereits reagiert und Buslinien mit eigener Spur eingeführt. So ist man mit diesen Bussen allemal schneller als mit dem eigenen PKW. Die verschiedenen Bussysteme sind untereinander vernetzt und der Fahrpreis ist mit 25 Cent vom Dollar billig. Wer will kann einen ganzen Tag mit dem selben Ticket von Nord nach Süd und wieder zurück fahren, was viele ambulante Händler auch tun und im Bus ihre Ware anpreisen, zwar offiziell verboten - Kinder aber lässt man dabei gewähren.
Jetzt soll Quito endlich eine Metro erhalten, eine Untergrundbahn. Die Stadtverwaltung hat dieser Tage die Pläne bekannt gegeben. 2016 soll die Metro in Betrieb gehen. Zunächst sind 22 km geplant, die die Bahn in 34 min zurücklegen soll. Im Süden der Stadt beginnt die Bahn am neuen südlichen Busbahnhof, wo alle Überlandbusse enden und starten. Endstation ist dann im Norden der Stadt der Flughafen, der bis dahin ins Tal verlegt sein dürfte. Eine Verlängerung nach Norden ist später möglich, vorerst aber nicht geplant.
Die Röhre für die Bahnen wird in 16 - 17 m Tiefe liegen, in der Altstadt noch tiefer. Warum das? Nun, Quito liegt in einer Wanne und die läuft ständig zur Regenzeit voll. Die Stadt hat große Anstrengungen unternommen, dieses Wasser ins Tal abzuleiten. Dazu sind Tunnel gebohrt worden, die keiner jetzt wieder verändern will. Zum anderen gab es hier in dieser Wanne früher einige Seen und Sümpfe, die längst trockengelegt sind., aber gerne wieder voll laufen. Da ist es am Besten man geht durch tieferes Gestein. Und in der Altstadt hat man sicher auch Angst vor antiken Funden, die dann den Bau vielleicht um Jahre verzögern könnten. Da geht man lieber tiefer und bohrt einen Tunnel durch die ganze Stadt mit nur wenigen Bahnhöfen.
Auch der Fahrpreis wurde heute schon bekannt gegeben - 40 Cent für die Benutzung unabhängig von der Entfernung. 1,7 Mrd. Dollar soll das Ganze kosten, die Hälfte trägt der Staat, die andere Hälfte die Stadt Quito. Denn schon heute sind von den fast 4 Mio. täglichen Transporten in der Stadt 2 Mio in öffentlichen Bussen. Will man das Chaos nicht noch vergrößern, dann muss man jetzt gegensteuern. Die privaten Busse sollen nicht abgeschafft, sondern als Teil eines neuen Plans des städtischen Verkehrs eingebunden werden.
Warum hat Quito damit so lange gewartet? Nun, wir leben am Fuß eines aktiven Vulkans, der 2000 das letzte Mal ausgebrochen ist. Und Erdbeben sind hier keine Seltenheit. Eine Bahn ausf Stelzen wie die von Wuppertal oder eine Magnetschwebebahn wären sicher billiger gewesen, hätten aber das Stadtbild des Weltkulturerbes Quito zerstört und sind deswegen nicht möglich. Bleibt das Risiko einer tiefen Bahn in gebohrten Tunneln.
Aber wie fast überall in der Welt ist bei aller Euphorie nicht alles so rosig, wie es aussieht. Schon heute transportiert das öffentliche System die gute Hälfte der fast 4 Mio. Reisen in der Stadt jeden Tag. Die Zahl könnte deutlich erhöht werden, wenn die Qualität stimmt und die Menschen ein Gemeinschaftsbewusstsein entwickeln würden. Doch davon sind wir in einer Welt, in der der Individualismus in aller Werbung jeden Tag verkündet wird und in der die Autowerbung alle individuelle Freiheit verspricht, noch weit entfernt. Ein Lernprozess für die Menschen hier MUSS den U-Bahn - Bau begleiten. Sonst bleibt es ein weiteres Objekt für wenige.

Sonntag, 12. Juni 2011

Wenn die Regierung Geld braucht

Nach einer Wahl ist vieles anders, so auch in Ecuador. Die Regierung hat die Volksabstimmung vor einem guten Monat gewonnen und versucht jetzt, die Punkte umzusetzen. Die Diskussion im Parlament und in den Ausschüssen ist heftig. Aber da kommt noch ein anderes Problem auf Präsident Correa zu. Ein großes Loch im Haushalt dieses Jahres. Allein für Gesundheit um Umwelt fehlen 300 Mio. Dollar. Das Loch soll jetzt durch Steuern gefüllt werden.
Zuerst die Strompreise. Die Regierung behauptet, dass der Stromsektor staatlich subventioniert wird. Das soll abgeschafft werden. Aber als sozial engagierte Regierung werden die Strompreise gestaffelt angehoben von 8% für die niedrigste Verbraucherklasse und dann exponentiell ansteigend bis 326 % für die Spitzenverbraucher. Im Klartext kostet die KWH für die einen 4 Cent vom Dollar und für die anderen über 67 Cent. Dass die Industrie diese Preise an die Verbraucher weiter gibt, ist kein Geheimnis. Eine Revolution wird es deswegen nicht geben.
Zwei heilige Kühe greift die Regierung nicht an: Der massiv subventionierten Gaspreis und die Benzinkosten. Das hat schon vor vielen Jahren einem Präsidenten sein Amt gekostet. Obwohl jeder weiß, dass der Staat Milliarden an Subventionen dafür zahlt, würde das die niedren Einkommensschichten nicht dulden. Sie kaufen die alten Wagen und fahren, bis es nicht mehr weiter geht. Wenn dann auch noch der Sprit viel kostet, wäre das nicht möglich Also sucht der Staat nach neuen Wegen. Und da hat er nach Europa geschaut.
Wer die Müllhalden Ecuadors sieht, der sieht zum Großteil Plastik, das hierzulande in rauen Mengen verbraucht aber nicht wiederverwertet wird. Die Durchgangsstraßen des Landes sind voller achtlos weggeworfener Flaschen an den Straßenrändern. Jetzt sollen auf jede Plastikflasche 10 Cents Abgaben kommen. Das ist zunächst einmal einfach eine Einnahme. Gedacht ist der Rückkehr zu Glasflaschen mit Pfand, worauf die Industrie aber nicht gerne umstellt. Doch internationale Firmen wie Coca Cola sind längst dabei.
Eine weitere Gebühr von 2 Cent wird ab 01. Juli auf Plastiktaschen beim Einkaufen erhoben. Das bedeutet die größte Umstellung für die Menschen hier. Wir sind es gewohnt, dass im Supermarkt jemand meinen Einkauf in Plastiktaschen verstaut. Natürlich dürfen Lebensmittel nicht mit Seife in eine Tüte. An Tüten wird nicht gespart. Dann bringt man uns die Ware bis zum Auto. Wir benutzen die Plastiktaschen als Müllbeutel und noch nie sind uns die ausgegangen. Das wird jetzt anders. Die ersten Supermärkte bieten schon Stoffbeutel zum Kauf an. Werden die Kunden aus Bequemlichkeit den Mehrpreis zahlen?.
Wir sind gespannt, wie die Ecuatorianer auf die Änderungen ab 1. Juli 2011 reagieren. Die Energiekosten müssen angehoben werden. Den Plastikabfall geht man mit den richtigen Maßnahmen an, aber die heiligen Kühe, die Subvention von Gas und Sprit, werden auch dieses Mal wieder nicht geschlachtet. Und so lange lässt sich auf Dauer auch kein Haushalt wirklich sanieren.

Freitag, 3. Juni 2011

Menschen, die Gott vor uns stellt


Walter C. ist heute 33 Jahre alt. Er ist zum zweiten Mal bei uns zur Behandlung, die sich wieder einmal im Nachhinein als wesentlich teurer herausstellt als geplant. Er kommt mit seiner Mutter. Beide Oberschenkel waren gebrochen und wurden vor wenigen Monaten nach einem Autounfall in einem anderen Hospital mit Marknägeln versorgt. Aber die Brüche wollen nicht heilen, Der Patient kann sich nach der Erstoperation kaum vor Schmerzen rühren. Solche Knochenmarksnägel sind eigentlich zu schnell Mobilisierung gedacht, doch in diesem Fall weit gefehlt. Auf der einen Seite sind einige Schrauben gebrochen bzw. bedenklich verbogen, also beschließen wir die Seite zuerst zu versorgen. Der Oberschenkelnagel wird entfernt und ist total vereitert. Also muss ein äußerer Fixateur den Knochen festigen. Der Patient geht nach Hause mit der Weisung, dieses Bein nicht zu belasten. 6 Wochen später kehrt er mit einigen cm Verkürzung eben dieses Beines zurück und einer Fehlstellung, weil er die ganze Zeit auf diesem Bein aufgetreten ist. Das andere Bein tat ihm nämlich viel mehr weh. Jetzt haben wir auch den anderen Marknagel entfern - ebenfall vereitert mit einem Keim, bei dem nur ein einziges Antibiotikum wirkt, das wir haben. Jetzt bekommt er 6 Wochen lang ein Antibiotikum verabreicht, das nur zweimal täglich per Vene verabreicht werden kann. Er muss bei uns bleiben und darf nicht nach Hause.Sonst ist sein Leben (und das anderer) in Gefahr. (Für Eingeweihte: ORSA extrem multirestistent.) So bleibt ihm keine andere Wahl als 6 Wochen bei uns zu bleiben.
Warum lässt Gott so etwas zu - Ihn von seiner Familie zu trennen? Walter hat kein Geld für die lange Behandlung aber wir können ihn so nicht laufen lassen. - Er hat eine Frau und zwei Kinder zu Hause. Was soll das?
Walter erzählt sein Leben:
Sein Vater ist Taxifahrer an der Küste, aber interessiert sich nicht für die zwei Kinder. Mit 11 Jahren kommt Walter auf eine andere Schule und eine andere Umgebung und einen „anderen Freundeskreis. Er beginnt mit Stehlen und wird mehrfach erwischt. Er lernt, es besser zu machen und gerät in die Drogenszene. Schließlich landet er wegen Mordes im Knast - 11 Jahre. Danach sieht es nur kurze Zeit besser aus. Es gibt bessere und weniger bessere Zeiten, als er im Oriente Drogen verkauft. Mittlerweile ist er verheiratet und hat zwei Kinder. Die Drogenkonkurrenz fordert ihre Opfer. Und da macht man mit der Konkurrenz kurzen Prozess. Er wird inmitten einer Gruppe von einem PKW bewusst angefahren. Seine Frau leidet heute noch an einer Beckenfraktur mit Blasenruptur und anderen Verletzungen. Sie kann sich mit Gehstützen mühsam bewegen. Er hat "zum Glück" nur beide Oberschenkel gebrochen aber eben mit kostenreichen Komplikationen.

Jetzt erzählt er uns seine wirkliche Geschichte. In seinem Gefängnisaufenthalt in der Hafenstadt Guayaquil kamen Christen ins Gefängnis und hielten Gottesdienste ab, in denen sie zu einer Glaubensentscheidung ermutigten. Er war dabei. Doch das Begonnene verflachte und er begann sich erneut in der Drogenwelt zu engagieren, die den schnellen und sicheren Reichtum verspricht. Dann kam die Ernüchterung. Man wollte ihn schnell beseitigen aber es klappte nicht. Walter weiß: Da hat ihn Gott bewahrt. Jetzt wird jemand einwenden: "Sollen wir Drogendealer etwa noch finanziell begünstigen und von Spendengeldern finanzieren? Wer gibt uns die Garantie, dass er nicht wieder rückfällig wird?" Wir können es nicht. Deswegen müssen wir vielleicht über 6 Wochen einen Menschen begleiten und prüfen, ob es ihm wirklich ernst mit dem Wechsel ist. Eine endgültige Garantie kann ich noch nicht einmal für mich selbst abgeben. Es kann sein, dass die Spendengelder zum Fenster rausgeworfen werden. Aber wir spüren, dass es Walter ernst mit seiner Entscheidung ist und dass er andere spontan anspricht, nicht den Weg der Drogen und des leichten Geldes zu gehen. Er sieht die Menschen, die in Gefahr sind viel eher als wir es könnten. Er lebte in dieser Szene - viele Jahre lang.

Sonntag, 29. Mai 2011

Konflikt an der Küste

Der Volksentscheid ist vorüber. An der Küste hat der Präsident seine Wahl gewonnen. Jetzt aber ist die Stimmung unter der meist schwarzen Bevölkerung in den Wäldern an der kolumbianischen Grenze über Nacht umgeschlagen. Das Militär hat die Flüsse um San Lorenzo und Eloy Alfaro besetzt und dem Goldsuchen ein Ende bereitet. Fast 80 Dörfer dieser Umgebung sind davon betroffen. Militär hat die Flussareale besetzt und die Anlagen und Maschinen dort zerstört. Goldsuche ist illegal, es sei denn, die Menschen ordnen sich als Teil der staatlichen Mienengesellschaft unter.
Gold wird in dieser verlassenen Gegend schon seit dem 18. Jhd. gesucht und gefunden. Damals hatten die Kämpfer der Unabhängigkeit von Spanien in England einen Kredit aufgenommen, um ihre militärische Aufrüstung gegen Spanien zu bezahlen. Sie tilgten den Kredit mit Gold aus der Gegend um San Lorenzo. Doch die Region wurde erst wirklich interessant, als es vom Bergland her eine Zugverbindung dorthin gab. Seit 2004 gibt es zusätzlich eine Straßenverbindung und jetzt ist die Welt dort nicht mehr, wie sie früher war. Der dichte Urwald ist innerhalb weniger Jahre verschwunden und großen Plantagen mit afrikanischer Ölpalme zur Margarineherstellung gewichen. Und an den Flüssen haben sich die Goldsucher breit gemacht. Der Nachnahme MINA ist ein häufiger Name und weist auf die Tätigkeit dieser Menschen seit vielen Jahren hin. Mit der Straße aber kamen noch mehr Menschen und mehr und mehr wurden Maschinen eingesetzt. Um die Flüsse ist aller Wald gerodet und stehen grüne und braune Tümpel in den man mit per Hand, mit Schaufeln und mit Baggern Gold gesucht hat. Das wäre noch nicht so schlimm, würden nicht Quecksilber und Arsen als Trennmittel mit eingesetzt. In den Flüssen gibt es längst keine Fische oder Krebse mehr. Die Arsenspiegel liegen 300-fach über dem Normalen und der Aluminiumspiegel gar bei 400, vom Quecksilber ganz zu schweigen. Für die Bewohner unterhalb dient der Fluss aber als Lieferant für Trinkwasser. Diesem Wildwuchs hat die Regierung vorerst ein Ende gesetzt, just nach dem 24. Mai, einen Nationalfeiertag der entscheidenden Schlacht der Unabhängigkeit von Spanien am Pichincha. Die Menschen um San Lorenzo sind aufgebracht. Sie werfen den Verantwortlichen vor, dass sich der Staat selbst bereichern will. Immerhin ist in den letzten Jahren Gold im Wert von rund 130 Mio. Dollar. Davon ist weder die Region reicher geworden noch hat jemand Steuern gezahlt. Außerdem liegt die Goldausbeute laut Regierung bei den primitiven Bedingungen bei höchstens 55% von dem, was möglich ist. Und bei Razzien wurden auch Waffen gefunden.

Was hier abläuft ist zig - fach in der Menschheitsgeschichte geschehen. Da gibt es die Chance, schnell reich zu werden. Das zieht Menschen an. Sie arbeiten hart. Die Natur und andere Menschen interessieren sie nicht. Auch untereinander ist jedem des anderen Feind. Das soziale Miteinander sinkt auf den Nullpunkt. Auseinandersetzungen bis hin zu Morden sind die Konsequenz. Die Naturzerstörung ist nur ein Nebenprodukt. Viele andere sterben früher oder später an Vergiftungen. Da muss Ordnung notfalls mit Gewalt gebracht werden, sonst leiden schließlich alle darunter. Wie die Straßenverbindung zur Nordküste Ecuadors das Land dort verändert hat, davon sind wir selbst Zeugen.

Ein Vorbild

Vor mit sitzt ein kranker Mann. Er ist erst 48 aber sichtbar geschwächt. Der Diabetes läßt ihn alt aussehen. Als ich ihn das erst Mal sah, war er noch muskulös und kräftig, auch wenn sein Leben damals am seidenen Faden hing. Nach einem Motorradunfall hatte er innere Blutungen und Verletzungen. Er war notfallmäßig versorgt worden und kam dann zu uns ins Hospital zu weiteren Operationen. Eine große Narbe über den Bauch von oben bis unter zeugt heute noch davon. Das hat er überstanden. Doch sein Diabetes, den er seit 4 Jahren kennt, hat sich in der letzten Zeit verschlechtert. Wir fragen nach der Ursache. Was hat sich in seinem Leben geändert, das ihn aus der Bahn geworfen hat? Es sind die Angriffe auf seine Familie.
Cristobal W. ist Shuarindianer aus dem Süden des ecuatorianischen Urwaldes nahe der peruanischen Grenze. Er kam vor vielen Jahren durch Missionare zum Glauben, ließ sich ausbilden und ist seit vielen Jahren Pastor eine wachsenden Gemeinde bei Taisha. Er liebt es, sich um seine Leute zu kümmern und man spürt ihm die Begeisterung trotz Krankheit noch ab. Aber so eine Gemeinde im Urwald hat auch ihre Anfechtungen. Da sind die Schamanen und ihr Zauber, den sie auf Menschen legen können. Menschen werden verunsichert und versuchen sich zu schützen. Da zu einem fröhlichen Leben im Alltag zu gelangen, fällt vielen Menschen heute noch schwer, denn die Bedrohung ist allgegenwärtig und die Gefahr ist groß, wieder in das alte Leben zurück zu fallen und sich mit einem Gegenzauber zu schützen. Viele Gemeindemitglieder leben da nach wie vor noch in zwei Welten, der alten und der neuen.
Und da ist die kath. Kirche, die zunehmend Mitglieder verliert. In dieser Region Ecuador ist sie die Amtkirche, die mit viel Vermischung mit der Zauberkraft und Heiligenkulten bisher das Sagen hatte. Jetzt laufen auch ihr im Zuge der Säkularisierung die Menschen weg. Also sind die "Evangelischen" die Schuldigen. Ein Priester rief zu Gegenmaßnahmen gegen Cristobal und seine Gemeinde auf. Er soll entfernte Verwandte des Pastors bezahlt haben. Jedenfalls überfielen sie seine 13-jährige Tochter, vergewaltigten sie. Mit vielen Verletzungen, u.a. eine, Unterkieferbruch wurde sie notfallmäßig nach Quito geflogen und dort operiert. Sie hat es überstanden, aber den Vater hat diese Tatsache tief getroffen. "Da hast Du wohl ein bisschen übertrieben, dass das der Priester angezettelt haben soll", werfe ich ein. Nein, sagt er. Diese Vergewaltiger seien heute rechtskräftig verurteilt und im Gefängnis und der Priester geflohen. Das sagt doch alles!
Wie finanziert sich eigentlich so eine Gemeinde im Urwald? Man hat ihm als Pastor ein Gehalt angeboten. Doch das hat er abgelehnt. Dann wäre er abhängig. Nein, Cristobal W. hat seine Chagra, sein Feld, wie alle anderen, hat eine kleine Hühnerzucht und baut Ananas an, die er verkauft. Davon lebt er. Aber er hat sich sehr über seine Gemeinde gefreut, die ihm bei den Unkosten für seine Tochter geholfen hat. Die Behandlung in staatlichen Krankenhäusern ist zwar vielfach kostenfrei, aber da müssen ein Implantat, Utensilien für die Operation gekauft werden und die Begleitpersonen brauchen Unterkunft und Verpflegung. Dabei hat die Gemeinde nach Kräften geholfen.
Für mich ist das ein leuchtendes Beispiel, wie Kirche lebt. Es ist keine Amtskirche. Sollten wir nicht auch wieder zu solch einem Kirchenmodel kommen, das dem biblischen viel näher kommt? Aber es rückt auch den persönlichen Einsatz an erste Stelle. Nicht umsonst ist der Bitzucker von Cristobal W. durcheinander geraten. Ich schäme mich da als Missionar schon ein wenig. Welch gute soziale und gesundheitliche Absicherung habe ich doch im Gegensatz zu ihm. Ist vielleicht deswegen unser Zeugnis zu lau?

Montag, 23. Mai 2011

Der Strohhut

Wer kennt ihn nicht, den Strohhut, der vor gut 100 Jahren vor allem in Nordamerika zum Alltag gehörte, vor allem im Sommer. Buster Keaton ging in seinen Filmen selten ohne ihn. Dieser Hut heißt weltweit auch Panamahut und kommt doch aus Ecuador. Wie denn das? Nun, die Waren, die vor 100 Jahren und früher in die USA gingen, mussten die Menschen der Ostküste um New York erreichen. Sie kamen per Schiff nach Zentralamerika wurden vom Pazifik in die Karibik gebracht und dort per Schiff nach Nordamerika oder Europa verschifft. Die Schiffe kamen also aus Panama. Daher der Name. Der Panamakanal ist eine spätere Einrichtung. Da war der Name des Hutes schon festgelegt.
Grundlage sind die Blätter die Toquillapalme. Die besten Blätter dafür kommen von der Küste, aber auch einige aus dem östlichen Tiefland Ecuadors. Die langen Fasern werden herausgeschält. Sie müssen lang sein, dürfen nicht brechen. Das bedeutet, dass wie während des gesamten Prozesses leicht feucht gehalten werden müssen. Wenn eine Faser während des Flechtens reißt, ist alles verloren. Der Hut ist zunächst ein kreisrundes Gebilde, das an den Enden vernäht wird. Dann beginnt ein langer Prozess der Formung. Früher wurde das mit Kohlebügeleisen gemacht und verschiedenen Formen. Da gab es Kopfformen aus Marmor, aus Metall und aus Gummi, über denen in den verschiedenen Größen der Hut mit Dampf eine Größe und Form erhielt - eine Damenhut mit größerem Rand oder ein Männerhut je nach Größe und Mode. Dann muss das Material weich geklopft werden, denn der Hut sollte geschmeidig werden und darf nicht kratzen. Am Schluss erhält er innen in der Spitze ein Brandzeichen wir es früher bei Rindern üblich war. In einer Balsaholzschachtel verpackt geht er dann in den Laden, hier in Ecuador zwischen 10 und gut 100 Dollar, je nach Qualität der Fasern und Feinheit des Knüpfens.
Bis heute gibt es dafür keine Maschinen. Alles ist Handarbeit und da gibt es geschicktere und weniger begabte Frauen. Inzwischen werden auch Fasern gefärbt uns diese Farben mit eingeflochten. Während des gesamten Prozesses darf die Faser nicht verschmutzt werden. Zeitweise hat man deswegen die Hüte mit Schwefel behandelt. Doch das lässt man heute sein. Der Schwefel hat beim Waschen den Flüsse verseucht und führt zu allergischen Reaktionen beim Benutzer. Aber alles Bügeln und Formen wird immer mit Lederschutz und Wasserdampf durchgeführt, nie direkt, um keine Brandspuren auf der weißen Faser zu hinterlassen.
Heute ist die Panamahutherstellung eine einträgliche Tätigkeit der südlichen Sierra Ecuadors um Cuenca herum. Frauen auf den Dörfern darum herum erhalten das Rohmaterial aus der Küste. In ein bis 3 Tagen Arbeit ist so eine Hutscheibe fertig geknüpft und wie ein sehr feiner Zopf geknotet. Dann geht es in die weitere Verarbeitung mir sehr wenigen Ausfällen. Dann geht der Hut in die hiesigen Touristenmärkte oder ins Ausland, ein dauerhaftes und leichtes Bekleidungsstück - der Panamahut - hand-made in Ecuador.

Kulturunterschiede

Wir arbeiten in einer Gemeinde im Osten Ecuadors unter Quichuaindianern. Und diese Gemeinde in Mondayacu ist alles andere als stabil. Sie hängt am Tropf der Hilfe von Ausländern und der Heimatgemeinde in Quito. Heute haben wir wieder einmal einen Einblick in die Unterschiede der Kultur nehmen können. Wir kamen pünktlich zum Gottesdienst um 7.30 die drei Stunden aus Quito angereist - kein Mensch außer uns und unserem ecuatorianischen Missionar aus Quito. Eine Stunde später kam ein einziges älteres Ehepaar und wir sprachen noch einmal über die Ereignisse der letzten Nacht in diesem Dorf. Ein 24-Jähriger war am Abend zuvor bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen und das ändert alles. Er hatte zusammen mit seinen Freunden getrunken und war weggefahren, um mehr Alkohol zu besorgen. Seinen Helm hatte er nicht festgeschnallt und war mit einem Pferd zusammen gestoßen. Der Helm flog weg. Er erlitt eine offene Schädelverletzung. Das nahe Hospital schickte ihn nach Quito aber er verstarb schon auf dem Weg. Man brachte den Leichnam ins Dorf zurück. Es begann die Trauerfeierlichkeit:
Paul Ch., unser Missionar war bei den jungen Leuten, um sie zu trösten und mit ihnen zu sprechen. Aber das kam überhaupt nicht an. Sie waren weiter mit Trinken und Kartenspielen beschäftigt und es schien ihnen überhaupt nichts auszumachen. Da ist eben einer weniger. Das kann jedem von uns jeden Moment passieren. Das Leben geht weiter. Dabei ist sicher viel Fassade davor, aber sie ließen keinen von außen heran.
Innerhalb kürzester Zeit war ein Sarg da, der Tote aufgebahrt. Seine Familie darumherum und das ganze Dorf kam. Wie von Zauberhand wurde Essen und Kaffee serviert. Trauern ist in dieser Gemeinschaft etwas, was man in der Gemeinschaft tut. Ab Mitternacht gingen dann die Schnapsflaschen rum. Die letzten unserer Gemeinde gingen um 4.00 morgens. Heute kamen außer den Alten keiner in den Gottesdienst. Etwas anderes war viel wichtiger. Ob da jemand aus weiter Entfernung für einen Gottesdienst angereist kommt, interessiert nicht mehr.
Nach Gebet und langen Gesprächen über die weitere Missionsarbeit tut es dem alten Ehepaar auch weh, dass die Gemeinde nicht stabiler wird. Auch sie suchen nach Wegen, die Jugend zu erreichen. Sie sind machtlos. Die nächsten Generationen gehen ihren eigenen Weg. Da ist die Tochter, die mit einem noch anderweitig verheirateten Mann im gleichen Haus zusammen lebt. Da ist der Enkel, der immer noch an Mutters Schürzenbendel hängt und sich von ihr verköstigen lässt. Er arbeitet zwar, lässt sich aber von seiner Mutter finanziell versorgen und wohnt mit 24 Jahren noch im gleichen Haus. Sein Geld behält er größtenteils für sich. Jetzt eröffnet er der Familie, dass er seit einiger Zeit eine 20 - jährige Freundin hat, die seit Neuestem mit ihm in sein Zimmer lebt. Die hat noch 2 Jahre bis zum Schulabschluss. Ihre Familie scheint froh zu sein, dass sie eine so gute Partie macht und gibt sie frei. Noch ein Esser mehr am Tisch einer Patch-Work-Familie. Und über´s Jahr wird da auch noch ein Kind sein.....
Heute waren wir im Dorfgemeinschaftshaus, um der Trauerfamilie zu kondolieren. Der Raum war voll von Menschen, die Karten spielten und denen unsere Unterbrechung des Begrüßens eher peinlich war. Die Männer waren draußen. Es wurde weiter Essen vorbereitet. So eine Trauerzeremonie dauert manchlam mehr asl 24 Std.
Das ist die Realität der Missionsarbeit in Ecuador. Es zeigt uns an, dass wir die Kultur nicht verstanden haben. Hier sind Menschen, denen wir seit vielen Jahren das Evangelium der Befreiung von Schuld und Sünde verkündigen. Es kam nicht an. Sieht denn so NEUES LEBEN aus? Ich habe gerade die Nachrichten der Deutschen Botschaft Quito gelesen und die Erfolge der mannigfaltigen dt. Aktivitäten im Land. Unser Ergebnis sieht dagegen mehr als mager aus. Das sind die Tiefen, durch die wir als Missionare gehen. Doch wir sind hier als Botschafter eines Höheren, auch wenn es alles andere als siegreich aussieht.