Sonntag, 31. Juli 2011

Sozialismus des 21. Jahrhunderts in Ecuador

Seit die Regierung Rafael Correa an der Macht ist, wird der Staat Stück um Stück umgekrempelt: Zentral regiert aber mit regional autonomer Umsetzung. Der Sozialismus soll uns auf allen Wegen begleiten, uns umsorgen und auch kontrollieren. Auf diesem Wege hat Ecuador in den letzten Jahren riesige Fortschritte gemacht. Immer mehr Bereiche unseres Lebens werden verbunden. Wusste noch vor Jahren die Polizei der Küstenregion nichts von den Verkehrsstrafen eines Fahrers aus der Sierra, so ist all das jetzt in einer zentralen Verkehrsdatei erfasst. Seit über 10 Jahren hat die Steuerbehörde deutlich mehr Kontrollen durchgeführt, was die Steuereinnahmen drastisch hat steigen lassen. In den letzten Jahren haben die verschiedensten Behörden untereinander Daten ausgetauscht. Jetzt wurde die Sozialversicherung an dieses System angeschlossen, vereint mit dem Arbeitsministerium. Die größte Einnahmequelle ist die staatliche Sozialversicherung, in der jetzt jeder eintreten muss, der irgendwie in einem Arbeitsverhältnis steht. Das beinhaltet neben einer Krankenversicherung auch die Rente und viele kleine und große Möglichkeiten sich Geld zu leihen etwa bei der Ausbildung der Kinder. Diese Sozialversicherung sucht jetzt nach Geld, denn auf der anderen Seite leiht sich der Staat dieses Geld wieder für seine ehrgeizigen Projekte. Und wie kommt man zu mehr Einnahmen in diese Versicherung? Durch verschärfte Kontrollen und Zusatzrichtlinien. Ab nächsten Monat kommen die Inspekteure, die bislang nur geschult wurden in die Betriebe, kontrollieren den Arbeitsschutz, aber auch jeden einzelnen Arbeitsvertrag vor Ort. Und für jeden Verstoß kann es saftige Strafen hageln. Solche Besuche werden dann in Zukunft unangekündigt erfolgen.
Bei mehr Beiträgen für die Sozialversicherung ist man sehr erfindungsreich geworden: Hier drei Beispiele. Jede Firma, jeder Verein braucht einen gesetzlichen Repräsentanten. Das sind häufig Rechtsanwälte. Jeder Firmenbereich, den dieser vertritt, muss jetzt für ihn separat Beiträge entrichten. Für unsere Mission heißt das, dass das Hospital in Quito, das Radio, die Medienschule, die Deutsche Abteilung, das Hospital in Shell etc etc. jetzt separat einzahlen. Dieser Vertreter ist dann von der gleichen Firma vielleicht 10 mal krankenversichert. Vorher war es das bei einem Gesamtarbeitsvertrag nur einmal. Warum muss er oder sie 10 mal krankenversichert werden? Nur bei der Rente kann sich das positiv auszahlen.
Praktikanten unter 18 Jahren müssen in Zukunft ebenfalls mit dem Mindestlohn von monatlich 264 Dollar versichert werden. Für uns heißt das, dass wir in Zukunft das Geld für unsere Studenten im Praktischen Jahr deutlich reduzieren werden, denn sie müssen jetzt auch sozialversichert werden. Werden wir in Zukunft noch Medizinstudenten stundenweise Praktika machen lassen, wenn wir sie dafür versichern müssen? Da sind viele Dinge in der Schwebe. Wir haben jedenfalls alle Praktikumsplätze einer Universität für Laborassistenten erst einmal gestrichen.
Ein weiterer Punkt für mehr Geld ist die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Da trägt der Arbeitgeber jetzt in den ersten Tagen statt 50% neuerdings 85%. Die Liste ließe sich weiter fortsetzen.
Jetzt sind Vorschriften im Gespräch, dass ärztliche Atteste nur noch gültig sein sollen, wenn sie von Ärzten des staatlichen Gesundheitssystems ausgefüllt worden sind.

Das Ganze hat eine logische Linie. Das Leben der Ecuatorianer wird Stück um Stück verstaatlicht. Vater Staat übernimmt die Versorgung aber fast unbemerkt auch die Kontrolle über jeden. Im Zeitalter der digitalen Datensammlungen ist das auch kein Kunststück. Nur einen wirksamen Datenschutz kennt man hierzulande nicht. Und der Staat übernimmt die Kontrolle unseres Lebens. Latinos werden sicher Wege finden, dabei hier und da auszubüchsen, aber es wird schwerer werden. Und wie sicher ist es, dass die Renten der Bürger gewährleistet sind. Zahlt der Staat tatsächlich die geliehenen Gelder zurück?

Seltsame Entwicklungen in der Medizin

Gelegentlich muss sich jede Berufssparte einmal fragen, ob ihr Tun sinnvoll ist und was wir ändern müssen. In der Medizin ist es derzeit besonders die Gynäkologie/Geburtshilfe, die ich mehr und mehr mit kritischen Augen betrachte, derzeit hauptsächlich aus der Sicht eines Arztes, der in Ecuador tätig ist.
Viele Eingriffe der Medizin sind unnötig, aber man macht sie aus verschiedenen Gründen:
Da ist die Mode: Es wird die Brust vergrößert oder verkleinert, der Po oder die Schenkel den Modenormen angepasst, je nach Wunsch des Patienten. Ich spreche hier nicht von Verunstaltungen etwa durch Narben nach Verbrennungen oder bei Tumoren. Neben Ärzten beteiligen sich auch viele Schönheitssalons mit der Injektion von allen möglichen Stoffen. Viele dieser Patienten tragen da schwerste Schäden und Verunstaltungen davon. Manche sterben daran. Auch wir haben gelegentlich Patienten, die dann mit dem Tode ringen. Und wenn sie überleben, dann mit bleibenden Schäden.
Da ist der Zeitgeist: Eine Frau muss sich erst einmal entfalten, Lebens - und Berufserfahrung sammeln und dann Kinder kriegen. Also wird munter abgetrieben, auch in Ecuador, wo Abtreibung offiziell noch verboten ist. Mit etwa 35 kommt dann der dringende Kinderwunsch und die Schwangerschaft klappt nicht auf Bestellung. Also ist wieder die Medizin gefragt, hier helfend einzugreifen. Dann gibt es Medikamente oder auch Operationen. Manche der Kinder sind dann geschädigt. Medizinisch gesehen ist das beste Alter zum Gebähren um die 20 Jahre.
Die Geburt eines Kindes: In Quito kommt eine junge Frau im 2. Monat schwanger zur ersten Untersuchung zur Tür herein und hat sich noch nicht gesetzt, da verkündet ihr der Gynäkologe schon, dass ihr Becken viel zu klein ist und die Schwangerschaft mit einem Kaiserschnitt entbunden wird. Damit kann der Arzt nämlich den Zeitpunkt der Geburt bestimmen. Es wird bestimmt nicht irgendwann in der Nacht oder an einem Wochenende sein. Die Familie kann sich jetzt schon darauf einstellen. Außerdem verdient man an der Operation viel mehr als an einer normalen Entbindung, wo man auch noch lange warten muss. Wer möchte das schon? Auch die Frauen sind zunehmend leidensscheuer und ziehen die Schmerzen nach einer Operation den Geburtswehen vor.
Geburt ist hier selten ein Erlebnis für das Ehepaar: Zur Geburt kommt meist die Mutter mit und der Ehemann bleibt außen vor. In unserem Hospital bereiten wir das Ehepaar vor so dass die Geburt ein Gemeinschaftserlebnis wird. Es kann Stunden dauern und man muss sich darauf einstellen, aber die Entstehung oder Vergrößerung einer Familie ist es wert. Dann kommt das Stillen, eine anfangs vielleicht mühselige Angelegenheit, die auch mal weh tut. Da hilft die Medizin in Zusammenarbeit mit der Industrie mit dem schnellen Fläschchen, was wiederum den Kontakt von Mutter und Kind vermindert. Denn die Mutter muss ja so schnell wie möglich wieder fit sein für die Berufstätigkeit. Die Kinder werden an sogenannte Fachkräfte abgegeben. Die Folgen sind manchmal Entwicklungsstörungen der Kinder, die dann wiederum Hilfe von anderen Spezialisten brauchen. Doch dann sind die Schäden nur schwer zu flicken.
Wir merken gar nicht mehr, wie sehr der Zeitgeist und die Gesellschaft Druck auf unser Leben ausüben. Dabei ist die Medizin ein großes Geschäft geworden, das uns dabei unterstützt und zwingt, ebenfalls modern zu leben. Nicht jeder Fortschritt ist auch wirklich eine positive Weiterentwicklung. Wo ist unsere Messlatte, die uns einen objektiven Massstab für die Ausrichtung unseres Lebens gibt, wenn nicht im Wort Gottes, unseres Schöpfers? Doch das nehmen viel nicht mehr ernst.

Freitag, 8. Juli 2011

Ecuador - ein Handelspartner Chinas

Staatspräsident Rafael Correa reist viel. Mit dem Wiedereintritt Ecuador in die OPEC reiste er bis in den Iran und er ist häufig zu Besuchen in fast allen Staaten Lateinamerikas. Aber zu den großen Handelspartnern Nordamerika und Europa besteht ein seltsames Verhältnis. Deswegen reist Correa höchstens mal für einen Monat Urlaub nach Belgien, um sich dort eine Eigentumswohnung zu kaufen. Die wichtigste weite Auslandsreise galt China. Seitdem sprudeln die Handelsbeziehungen zu diesem asiatischen Wirtschaftsriesen. Der Warenaustausch steigt sprunghaft. Allerdings sehr einseitig. China engagiert sich bei Projekten und mit Krediten.
27 chinesische Firmen sind derzeit in Ecuador im Energiesektor, Kommunikation, im Bergbau und beim Erdöl tätig. China liefert Autoreifen, Motorräder, Handys, und mehr und mehr Autos und erhält dafür Holz, Fischmehl, Alteisen wie Kupferreste und vor allem Erdöl. Allerdings importiert Ecuador dreimal so viel wie es exportiert.
Aber die immer enger werdende Verflechtung wird deutlich, wenn man sieht, wie China sich einbringt. Die chinesische Staatsbank vergibt Kredite für Geschäfte. Da soll ein Wasserkraftwerk im östlichen Tiefland gebaut werden: Kosten 2 Mrd. Dollar. Davon gibt China den Kredit von 1,8 Mrd. Dollar, wenn eine chinesische Firma bauen darf.
Die ecuatorianische Wirtschaft wächst derzeit stark dank großer staatlicher Aufträge in vielen Bereichen mit derzeit über 8% pro Jahr. Dafür verschuldet sich der Staat enorm Dank Krediten aus China. Die werden in Erdöl zurück gezahlt. Die Hälfte unseres Petroleums geht derzeit nach China.
Das wäre jetzt alles nicht so schlimm. Wo gibt es einen Staat auf dieser Erde, der nicht durchschnittlich jeder seiner Bürger mit Tausenden von Dollars oder Euros verschuldet hat? Aber die Form wie Ecuador sich verschuldet, wird von Experten kritisiert. Unsere einzig sichere Resource ist das Erdöl. Geht der Preis auf dem Weltmarkt runter, hat China gewonnen. Dann bekommt es eben länger diesen lebensnotwendigen Stoff geliefert und das immerhin mit 6,9% jährlichen Zinsen. Und China ist eine Wirtschaftsmacht, die zunehmend hochwertige Produkte liefert, den Lateinamerikanern aber nur Rohstoffe abkauft. Bei Bananen oder Blumen, den hiesigen Exportartikeln, hat China keinen Bedarf. Die liefert der Andenstaat dann doch nach Nordamerika und Europa.
Was derzeit auf dem lateinamerikanischen Kontinent mit China abläuft ist, was die Kolonialmächte noch vor 50 Jahren mit dem Mittel - und Südamerika gemacht haben, sie haben die Staaten billig für sich liefern lassen, ihnen selbst aber hochwertige und teure Waren geliefert. Diese Phase ist noch nicht überwunden, da schiebt sich schon die nächste Kolonialmacht anderer Prägung heran. Aus der Freude einer sozialistischen Regierung, die alten Herren links liegen lassen zu können entwickelt sich ein neues Kolonialverhältnis mit China. Geschichte wiederholt sich immer wieder und - lernen wir eigentlich daraus?

Dienstag, 5. Juli 2011

Hugo Chávez ist krank

Derzeit wartet ganz Lateinamerika auf Nachrichten aus Kuba. Denn dorthin hat sich der venezolanische Präsident Hugo Chávez zur ärztlichen Behandlung zurück gezogen. Was als ein kleiner Ideenaustausch zwischen befreundeten Regierungen angekündigt wurde, ist zu einem längeren Aufenthalt geworden. Zunächst die Frage, warum so lange, dann Nachrichten einer Krankheit, einer Infektion, eines Abszesses und jetzt mehr und mehr die Gewissheit, dass es sich wohl um eine Krebsbehandlung handelt. Alles ist aber nach wie vor Gerücht, denn klare Stellungnahmen außer einer medizinischen Behandlung sind nicht erhältlich. Aber der Präsident hat deutlich abgenommen. Immer wieder reisen seine Minister zu Besprechungen nach Kuba. Sofort beginnt, die Gerüchteküche zu brodeln, auch wenn sich Chávez bemüht, seine Regierungsgeschäfte so normal wie möglich weiter zu führen.
Dahinter steckt innenpolitischer Zündstoff: Chávez hat seine Macht in Venezuela gefestigt. Keiner kann ihm gefährlich werden. In seiner eigenen Partei sind ein Bruder und seine Tochter fest eingebunden. Einen Nachfolger gibt es nicht. Alle sind treue Ergebene des Führers der venezolanischen Revolution. Und die Opposition ist so schwach und dazu noch zerstritten. Sie hat nur das eine Ziel, dass Chávez abtritt, bietet aber keine wirkliche Alternative. So entstand über Nacht ein mögliches Machtvakuum. Wer wird es füllen?
Mittlerweile werden die Massen Venezuelas aktiviert. Ganze Wände werden mit Papier geklebt, auf denen die Menschen ihre Genesungswünsche und Hoffnung auf baldig Rückkehr des großen Führers ausdrücken können. Es ist die typische Manier eines sozialistischen Staates, in Krisenzeiten Solidarität auszudrücken und Stimmung zu machen.
Warum geht Chávez nach Kuba zur Behandlung? Kann er das nicht in Venezuela machen lassen? Nun, der sozialistische Weg hat gerade die Ärzte der Privatkliniken des Landes hart getroffen. Man hat auf breit angelegte kostenlose Medizin der breiten Bevölkerungsschichten gesetzt, nicht aber auf Qualität. Und solche Ärzte sind nicht unbedingt die Freunde der Regierung. Außerdem ist die Medizin in Kuba auf einem hohen Standard. Auch der ecuatorianische Präsident Correa hat sich einer Knieoperation in Kuba bei einem Staatsbesuch unterzogen, dann aber doch seine Kniegelenksprothese in Quito erhalten.

Ausgerechnet in einem entscheidenden politischen Moment im Umbau Lateinamerikas zu sozialistischen Gesellschaften kommt ein wichtiger Baustein ins Wackeln. Erst vor wenigen Wochen wurde mit Ollanta Humala ein ähnlicher Weg in Peru eingeschlagen. Ecuador, Paraguay und Brasilien haben linksgerichtete Regierungen. Nach einer Phase des Neoliberalismus ist wieder der Sozialismus auf dem Vormarsch, was wirtschaftlich in keinem der Staaten außer vielleicht Brasilien von Vorteil ist. Besonders Venezuela liegt wirtschaftlich am Boden. Aber was alle machen, ist gut. Ohne begnadete Leitfiguren sind alle diese neuen Regime nicht möglich und keiner dieser Präsidenten wieder mit Ausnahme Brasiliens baut einen Nachfolger auf. So kehrt Lateinamerika auf demokratischem Weg wieder zurück zum Model der Gaudillos und Diktaturen mit einem Patriarchen an der Spitze, der den Menschen sagt, wo es lang geht. Das macht auch den Sozialismus des 21. Jahrhunderts verwundbar.

Sonntag, 26. Juni 2011

Metro für Quito

Neue Pläne für Quito: Shell, 26. Juni 2011 # 1096

Quito, die Hauptstadt Ecuadors, ist eine 2 Mio. Einwohner zählende Stadt am Fusse des Vulkans Pichincha und liegt in einer Wanne von max. 8 km Breite aber ungefähr 50 km Länge. Der gesamte Verkehr läuft also in Nord - Süd - Richtung und hat in den letzten 20 Jahren die Städteplaner fast zur Verzweiflung gebracht. Alle Straßenbauprojekte waren längst zu klein, bis sie vollendet waren, denn der Verkehrt wuchs in der Zwischenzeit stärker als alles andere. "Pico y Placa" wurde eingeführt, ein Verkehrsverbot zu den Spitzenzeiten morgens und abends an einem Tag der Woche je nach Endnummer des Nummernschildes. Das brachte etwas Erleichterung, aber schon nach einem Jahr merkt man diese Maßnahme kaum noch. Wie in allen
Großstädten des Kontinentes gibt es zwar ein öffentliches Verkehrsnetz mit Bussen, doch die sind zu Spitzenzeiten übervoll, ein Paradies für Taschendiebe und bei schlechtem Service meiden viele Personen der Mittel - und Oberklasse diese Busse. Sie quälen sich lieber im eigenen Wagen durch die Stadt.
Die Stadtverwaltung hat bereits reagiert und Buslinien mit eigener Spur eingeführt. So ist man mit diesen Bussen allemal schneller als mit dem eigenen PKW. Die verschiedenen Bussysteme sind untereinander vernetzt und der Fahrpreis ist mit 25 Cent vom Dollar billig. Wer will kann einen ganzen Tag mit dem selben Ticket von Nord nach Süd und wieder zurück fahren, was viele ambulante Händler auch tun und im Bus ihre Ware anpreisen, zwar offiziell verboten - Kinder aber lässt man dabei gewähren.
Jetzt soll Quito endlich eine Metro erhalten, eine Untergrundbahn. Die Stadtverwaltung hat dieser Tage die Pläne bekannt gegeben. 2016 soll die Metro in Betrieb gehen. Zunächst sind 22 km geplant, die die Bahn in 34 min zurücklegen soll. Im Süden der Stadt beginnt die Bahn am neuen südlichen Busbahnhof, wo alle Überlandbusse enden und starten. Endstation ist dann im Norden der Stadt der Flughafen, der bis dahin ins Tal verlegt sein dürfte. Eine Verlängerung nach Norden ist später möglich, vorerst aber nicht geplant.
Die Röhre für die Bahnen wird in 16 - 17 m Tiefe liegen, in der Altstadt noch tiefer. Warum das? Nun, Quito liegt in einer Wanne und die läuft ständig zur Regenzeit voll. Die Stadt hat große Anstrengungen unternommen, dieses Wasser ins Tal abzuleiten. Dazu sind Tunnel gebohrt worden, die keiner jetzt wieder verändern will. Zum anderen gab es hier in dieser Wanne früher einige Seen und Sümpfe, die längst trockengelegt sind., aber gerne wieder voll laufen. Da ist es am Besten man geht durch tieferes Gestein. Und in der Altstadt hat man sicher auch Angst vor antiken Funden, die dann den Bau vielleicht um Jahre verzögern könnten. Da geht man lieber tiefer und bohrt einen Tunnel durch die ganze Stadt mit nur wenigen Bahnhöfen.
Auch der Fahrpreis wurde heute schon bekannt gegeben - 40 Cent für die Benutzung unabhängig von der Entfernung. 1,7 Mrd. Dollar soll das Ganze kosten, die Hälfte trägt der Staat, die andere Hälfte die Stadt Quito. Denn schon heute sind von den fast 4 Mio. täglichen Transporten in der Stadt 2 Mio in öffentlichen Bussen. Will man das Chaos nicht noch vergrößern, dann muss man jetzt gegensteuern. Die privaten Busse sollen nicht abgeschafft, sondern als Teil eines neuen Plans des städtischen Verkehrs eingebunden werden.
Warum hat Quito damit so lange gewartet? Nun, wir leben am Fuß eines aktiven Vulkans, der 2000 das letzte Mal ausgebrochen ist. Und Erdbeben sind hier keine Seltenheit. Eine Bahn ausf Stelzen wie die von Wuppertal oder eine Magnetschwebebahn wären sicher billiger gewesen, hätten aber das Stadtbild des Weltkulturerbes Quito zerstört und sind deswegen nicht möglich. Bleibt das Risiko einer tiefen Bahn in gebohrten Tunneln.
Aber wie fast überall in der Welt ist bei aller Euphorie nicht alles so rosig, wie es aussieht. Schon heute transportiert das öffentliche System die gute Hälfte der fast 4 Mio. Reisen in der Stadt jeden Tag. Die Zahl könnte deutlich erhöht werden, wenn die Qualität stimmt und die Menschen ein Gemeinschaftsbewusstsein entwickeln würden. Doch davon sind wir in einer Welt, in der der Individualismus in aller Werbung jeden Tag verkündet wird und in der die Autowerbung alle individuelle Freiheit verspricht, noch weit entfernt. Ein Lernprozess für die Menschen hier MUSS den U-Bahn - Bau begleiten. Sonst bleibt es ein weiteres Objekt für wenige.

Sonntag, 12. Juni 2011

Wenn die Regierung Geld braucht

Nach einer Wahl ist vieles anders, so auch in Ecuador. Die Regierung hat die Volksabstimmung vor einem guten Monat gewonnen und versucht jetzt, die Punkte umzusetzen. Die Diskussion im Parlament und in den Ausschüssen ist heftig. Aber da kommt noch ein anderes Problem auf Präsident Correa zu. Ein großes Loch im Haushalt dieses Jahres. Allein für Gesundheit um Umwelt fehlen 300 Mio. Dollar. Das Loch soll jetzt durch Steuern gefüllt werden.
Zuerst die Strompreise. Die Regierung behauptet, dass der Stromsektor staatlich subventioniert wird. Das soll abgeschafft werden. Aber als sozial engagierte Regierung werden die Strompreise gestaffelt angehoben von 8% für die niedrigste Verbraucherklasse und dann exponentiell ansteigend bis 326 % für die Spitzenverbraucher. Im Klartext kostet die KWH für die einen 4 Cent vom Dollar und für die anderen über 67 Cent. Dass die Industrie diese Preise an die Verbraucher weiter gibt, ist kein Geheimnis. Eine Revolution wird es deswegen nicht geben.
Zwei heilige Kühe greift die Regierung nicht an: Der massiv subventionierten Gaspreis und die Benzinkosten. Das hat schon vor vielen Jahren einem Präsidenten sein Amt gekostet. Obwohl jeder weiß, dass der Staat Milliarden an Subventionen dafür zahlt, würde das die niedren Einkommensschichten nicht dulden. Sie kaufen die alten Wagen und fahren, bis es nicht mehr weiter geht. Wenn dann auch noch der Sprit viel kostet, wäre das nicht möglich Also sucht der Staat nach neuen Wegen. Und da hat er nach Europa geschaut.
Wer die Müllhalden Ecuadors sieht, der sieht zum Großteil Plastik, das hierzulande in rauen Mengen verbraucht aber nicht wiederverwertet wird. Die Durchgangsstraßen des Landes sind voller achtlos weggeworfener Flaschen an den Straßenrändern. Jetzt sollen auf jede Plastikflasche 10 Cents Abgaben kommen. Das ist zunächst einmal einfach eine Einnahme. Gedacht ist der Rückkehr zu Glasflaschen mit Pfand, worauf die Industrie aber nicht gerne umstellt. Doch internationale Firmen wie Coca Cola sind längst dabei.
Eine weitere Gebühr von 2 Cent wird ab 01. Juli auf Plastiktaschen beim Einkaufen erhoben. Das bedeutet die größte Umstellung für die Menschen hier. Wir sind es gewohnt, dass im Supermarkt jemand meinen Einkauf in Plastiktaschen verstaut. Natürlich dürfen Lebensmittel nicht mit Seife in eine Tüte. An Tüten wird nicht gespart. Dann bringt man uns die Ware bis zum Auto. Wir benutzen die Plastiktaschen als Müllbeutel und noch nie sind uns die ausgegangen. Das wird jetzt anders. Die ersten Supermärkte bieten schon Stoffbeutel zum Kauf an. Werden die Kunden aus Bequemlichkeit den Mehrpreis zahlen?.
Wir sind gespannt, wie die Ecuatorianer auf die Änderungen ab 1. Juli 2011 reagieren. Die Energiekosten müssen angehoben werden. Den Plastikabfall geht man mit den richtigen Maßnahmen an, aber die heiligen Kühe, die Subvention von Gas und Sprit, werden auch dieses Mal wieder nicht geschlachtet. Und so lange lässt sich auf Dauer auch kein Haushalt wirklich sanieren.

Freitag, 3. Juni 2011

Menschen, die Gott vor uns stellt


Walter C. ist heute 33 Jahre alt. Er ist zum zweiten Mal bei uns zur Behandlung, die sich wieder einmal im Nachhinein als wesentlich teurer herausstellt als geplant. Er kommt mit seiner Mutter. Beide Oberschenkel waren gebrochen und wurden vor wenigen Monaten nach einem Autounfall in einem anderen Hospital mit Marknägeln versorgt. Aber die Brüche wollen nicht heilen, Der Patient kann sich nach der Erstoperation kaum vor Schmerzen rühren. Solche Knochenmarksnägel sind eigentlich zu schnell Mobilisierung gedacht, doch in diesem Fall weit gefehlt. Auf der einen Seite sind einige Schrauben gebrochen bzw. bedenklich verbogen, also beschließen wir die Seite zuerst zu versorgen. Der Oberschenkelnagel wird entfernt und ist total vereitert. Also muss ein äußerer Fixateur den Knochen festigen. Der Patient geht nach Hause mit der Weisung, dieses Bein nicht zu belasten. 6 Wochen später kehrt er mit einigen cm Verkürzung eben dieses Beines zurück und einer Fehlstellung, weil er die ganze Zeit auf diesem Bein aufgetreten ist. Das andere Bein tat ihm nämlich viel mehr weh. Jetzt haben wir auch den anderen Marknagel entfern - ebenfall vereitert mit einem Keim, bei dem nur ein einziges Antibiotikum wirkt, das wir haben. Jetzt bekommt er 6 Wochen lang ein Antibiotikum verabreicht, das nur zweimal täglich per Vene verabreicht werden kann. Er muss bei uns bleiben und darf nicht nach Hause.Sonst ist sein Leben (und das anderer) in Gefahr. (Für Eingeweihte: ORSA extrem multirestistent.) So bleibt ihm keine andere Wahl als 6 Wochen bei uns zu bleiben.
Warum lässt Gott so etwas zu - Ihn von seiner Familie zu trennen? Walter hat kein Geld für die lange Behandlung aber wir können ihn so nicht laufen lassen. - Er hat eine Frau und zwei Kinder zu Hause. Was soll das?
Walter erzählt sein Leben:
Sein Vater ist Taxifahrer an der Küste, aber interessiert sich nicht für die zwei Kinder. Mit 11 Jahren kommt Walter auf eine andere Schule und eine andere Umgebung und einen „anderen Freundeskreis. Er beginnt mit Stehlen und wird mehrfach erwischt. Er lernt, es besser zu machen und gerät in die Drogenszene. Schließlich landet er wegen Mordes im Knast - 11 Jahre. Danach sieht es nur kurze Zeit besser aus. Es gibt bessere und weniger bessere Zeiten, als er im Oriente Drogen verkauft. Mittlerweile ist er verheiratet und hat zwei Kinder. Die Drogenkonkurrenz fordert ihre Opfer. Und da macht man mit der Konkurrenz kurzen Prozess. Er wird inmitten einer Gruppe von einem PKW bewusst angefahren. Seine Frau leidet heute noch an einer Beckenfraktur mit Blasenruptur und anderen Verletzungen. Sie kann sich mit Gehstützen mühsam bewegen. Er hat "zum Glück" nur beide Oberschenkel gebrochen aber eben mit kostenreichen Komplikationen.

Jetzt erzählt er uns seine wirkliche Geschichte. In seinem Gefängnisaufenthalt in der Hafenstadt Guayaquil kamen Christen ins Gefängnis und hielten Gottesdienste ab, in denen sie zu einer Glaubensentscheidung ermutigten. Er war dabei. Doch das Begonnene verflachte und er begann sich erneut in der Drogenwelt zu engagieren, die den schnellen und sicheren Reichtum verspricht. Dann kam die Ernüchterung. Man wollte ihn schnell beseitigen aber es klappte nicht. Walter weiß: Da hat ihn Gott bewahrt. Jetzt wird jemand einwenden: "Sollen wir Drogendealer etwa noch finanziell begünstigen und von Spendengeldern finanzieren? Wer gibt uns die Garantie, dass er nicht wieder rückfällig wird?" Wir können es nicht. Deswegen müssen wir vielleicht über 6 Wochen einen Menschen begleiten und prüfen, ob es ihm wirklich ernst mit dem Wechsel ist. Eine endgültige Garantie kann ich noch nicht einmal für mich selbst abgeben. Es kann sein, dass die Spendengelder zum Fenster rausgeworfen werden. Aber wir spüren, dass es Walter ernst mit seiner Entscheidung ist und dass er andere spontan anspricht, nicht den Weg der Drogen und des leichten Geldes zu gehen. Er sieht die Menschen, die in Gefahr sind viel eher als wir es könnten. Er lebte in dieser Szene - viele Jahre lang.